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Grenzöffnung: Tourismus im Land atmet auf

Die Lockerungen an den Grenzen erfolgen rechtzeitig zum Start in die Hauptferienzeit von Juni bis August.

Die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze sollen ab Samstag vorsichtig gelockert werden. Und für den 15. Juni strebt das deutsche Innenministerium ein vollständiges Ende der wegen der Corona-Pandemie eingeführten Kontrollen an allen Grenzabschnitten an. Ebenfalls ab 15. Juni soll die Grenze zur Schweiz offen sein.

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Im österreichischen Tourismus ist das Aufatmen entsprechend groß.

Noch einige Fragezeichen

Die Lockerungen erfolgen rechtzeitig zum Start in die Hauptferienzeit von Juni bis August. "Damit kommen die Unternehmerinnen und Unternehmer wieder näher an die Wirtschaftlichkeit", frohlockte Petra Nocker-Schwarzenbacher, Obfrau der Bundessparte Tourismus- und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Österreich war immer das verlängerte Wohnzimmer der Deutschen, hofft die Branchenvertreterin - trotz des Corona-Hotspots in Ischgl und anderen Tiroler Skiorten - auf eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte. "Die Buchungskalender vieler Häuser zeigen, dass ein Großteil unserer deutschen Gäste ihren Urlaub in Österreich bereits vor Corona gebucht hat. Die Betriebe sind sehr erfreut, dass der Urlaub und die Saison hinsichtlich der deutschen Gäste nun möglichst wie geplant ablaufen kann", so Nocker-Schwarzenbacher. Laut einer Umfrage der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) plant der Großteil spätestens Mitte Juni wieder aufzusperren. Es gibt aber noch viele Fragezeichen, etwa zu Wellnessbereichen.

Deutsche als wichtigste Gästegruppe

Die Deutschen sind - neben den Inlandstouristen - die mit Abstand wichtigste Gästegruppe, im Sommer wie im Winter. Auf deutsche Urlauber entfielen im Sommer 2019 rund 7,9 Millionen Ankünfte und 29,5 Millionen Nächtigungen. Zum Vergleich: Inländische Gäste waren für 23,3 Millionen Übernachtungen in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen verantwortlich. Die Abhängigkeit vom deutschen Markt ist in den vergangenen drei Jahrzehnten deutlich gesunken, auch wenn nach wie vor mit Abstand die meisten ausländischen Gäste aus Deutschland stammen. Der Übernachtungsanteil deutscher Gäste lag 1991 noch bei 50,7 Prozent, im vergangenen Sommer hingegen nur mehr bei 37,4 Prozent, wie aus Zahlen der Statistik Austria hervorgeht.

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Wifo dämpft Optimismus

Der Tourismusexperte Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) dämpfte den Optimismus am Mittwoch im Ö1-"Mittagsjournal" aber etwas. Er erwartet trotz der Grenzöffnungen eine deutliche Zurückhaltung bei den Buchungen, also eine schwache Nachfrage. "Auch wenn die Grenzen offen sind, heißt das natürlich nicht, dass die Leute diese Grenzen auch überschreiten wollen", sagte Fritz mit Blick auf eine mögliche Angst vor Ansteckungen. Insbesondere für den Westen Österreichs seien die Grenzöffnungen aber "gute Nachrichten". In Tirol und Vorarlberg sei der Anteil der Deutschen bei den Nächtigungen bei über 50 Prozent. Auch für den Städtetourismus in Wien sei der deutsche Markt wichtig. Leicht werde es für viele Hoteliers heuer im Sommer aber trotzdem nicht. Es gebe in der Branche eine hohe Verschuldung und eine geringe Eigenkapitalquote.

Erleichterung in Tirol

Im Tiroler Hotel Stanglwirt in Going am Wilden Kaiser freute sich Maria Hauser "riesig" über die Öffnung. Auch wenn viele Buchungen von österreichischen Gästen eingegangen waren, sei die Grenzöffnung eine "große, große Freude", sagte sie zur APA. Etwa 80 Prozent der Gäste im Stanglwirt kommen aus Deutschland, die meisten hätten dem Hotel auch die Treue gehalten und auf die Grenzöffnung gehofft. Einige hätten aber auch umgebucht. Die Sommersaison sei damit "gerettet", immerhin sei man im Sommer "quasi ausgebucht", berichtete Hauser. Als "emotional" bezeichnete sie die Öffnung auch deshalb, weil der Stanglwirt seit 250 Jahren keinen einzigen Ruhetag hatte. Selbst während der beiden Weltkriege habe man stets durchgearbeitet und das sei sicher auch sehr schwierig gewesen. Die "unfreiwillige Ruhezeit" habe man nun für Renovierungen und Verschönerungen genutzt. Für die Einhaltung aller Schutzmaßnahmen könne man im Haus bei der Wiedereröffnung auch garantieren - immerhin stehen 400 Gästen zwölf Hektar Fläche zur Verfügung. Den notwendigen Abstand einzuhalten, sei hier also kein Problem.

Große Freude in Vorarlberg

In Vorarlberg hat Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) in den vergangenen Tagen wiederholt offene Grenzen in der Bodenseeregion gefordert, entsprechend groß war am Mittwoch die Freude. Im Vierländereck Österreich-Deutschland-Schweiz-Liechtenstein gelegen, sind offene Grenzen für die positive Entwicklung Vorarlbergs ein Muss - nicht nur für den Tourismus. Für die stark exportorientierte Wirtschaft ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. Im Handel wiederum sind die Einkäufer aus der Schweiz von größerer Bedeutung. Dank des starken Schweizer Frankens decken sich die Eidgenossen üblicherweise reichlich in Vorarlberg ein - und sorgen so für 300 Mio. Euro Umsatz im Jahr. Die Verbundenheit des Bodenseeraums bezieht sich allerdings nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch stark auf die persönliche Ebene. Verwandtschaftliche und freundschaftliche Kontakte über die Grenzen hinweg werden gepflegt und geschätzt. Geschlossene Bodenseehäfen oder gesperrte Radwege - der 260 Kilometer lange Radweg um den Bodensee wird jährlich von etwa 220.000 Personen befahren - wurden als große Einschränkung empfunden. "In den vergangenen Wochen wurde mir von der Bevölkerung keine Frage so oft gestellt wie jene nach der Grenzöffnung", hatte Wallner erst am Dienstag gesagt.

"Durchatmen" in Salzburg

Der neue Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg, Peter Buchmüller, sprach heute von einem "Durchatmen" für den Tourismus, aber auch von einem bedeutenden Schritt für den Handel sowie die tausenden Pendler. Besonders in der Landeshauptstadt dürften zunächst auch die Geschäfte und die Gastronomie von der Öffnung profitieren, weil viele Bayern zum Einkaufen nach Salzburg kommen. Aufgrund des großen Anteils deutscher Urlauber im Bundesland - er lag in der Stadt zuletzt bei nicht ganz 20 Prozent, im Land bei rund 40 Prozent - ist die baldige Grenzöffnung für die Tourismusbranche überlebensnotwendig. "Mit den österreichischen Gästen allein hätte sich für viele Betriebe eine Öffnung nicht ausgezahlt", sagte Spartenobmann Albert Ebner. "Damit besteht die Hoffnung, dass wir die Sommersaison doch noch einigermaßen retten können." Die beiden Kämmerer setzen auch auf weitere Verhandlungen, um den Öffnungstermin noch um die eine oder andere Woche vorzuverlegen. Die Salzburger Land Tourismus GmbH (SLTG) hatte in der Vorwoche bereits angekündigt, die laufende Marketingoffensive für Inlandsgäste im Falle der Grenzöffnung rasch auf Deutschland auszuweiten. Der nun genannte Stichtag dürfte zugleich für viele Betriebe die Planungen für den Sommer massiv erleichtern. Weil viele deutsche Gäste ihre Buchungen nicht stornieren wollten, mussten Inlandsgäste bei Anfragen häufig vertröstet werden.

"Erfreuliche Botschaft" für Kärnten

Als "wichtige und erfreuliche Botschaft" bewertete auch der Geschäftsführer der Kärnten Werbung, Christian Kresse, die angekündigte Öffnung der Grenze zu Deutschland. "Das gibt Planungssicherheit für die Menschen, die auf Urlaub fahren wollen", sagte Kresse auf Anfrage der APA. Es sei ein Signal für "hoffentlich bald weitere Schritte, die nötig sind". Es gebe nun doch eine bessere Perspektive für Juli und August, denn die heimischen Gäste allein seien für den Tourismus in Kärnten zu wenig. Tourismuslandesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) zeigte sich in einer Aussendung erleichtert über die Grenzöffnung: "Mit den deutschen Gästen wird ein erfolgreicher Neustart des Kärntner Tourismus erleichtert. Deutschland zählt zu den wichtigsten Herkunftsländern des Kärntner Tourismus, allein im Jahr 2019 waren rund 30 Prozent unserer Gäste aus Deutschland." Nun müsse rasch Planungssicherheit auch bei den Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen die Hotellerie öffnen könne. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) forderte einen Kriterienkatalog für die Öffnung von Grenzen zu Nachbarländern und klare Richtlinien für den Fall, dass ein Urlaubsgast positiv getestet werde. So müsste es zusätzliche Erhebungen beim Check-in im Hotel geben, um im Fall der Fälle ein effizientes und rasches "Contact Tracing" zu gewährleisten. Kaiser übte gegenüber der APA Kritik an der Vorgangsweise der Bundesregierung: "Was ich mir jedenfalls erwarten würde ist, dass es in so wichtigen Fragen und Entscheidungen eine Einbeziehung der Landeshauptleute gibt."

(APA)

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