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Grenzkonflikt: Kroatien zeigt EU kalte Schulter

Kroatien reagiert kühl auf die Vermittlungsinitiative der EU-Kommission im Grenzstreit mit Slowenien. Das Land wünscht einen internationalen Schiedsspruch. Weitere News: Grenzstreit wird zur VergangenheitsbewältigungSlowenen befürworten kroatischen EU-Beitritt

Staatspräsident Stjepan Mesic und Ministerpräsident Ivo Sanader betonten am Wochenende, dass Zagreb weiterhin einen internationalen Schiedsspruch in dem Konflikt wünscht, berichtet die slowenische Tageszeitung “Delo” am Sonntag. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte einen dreiköpfigen Weisenrat unter Führung des finnischen Ex-Präsidenten und Friedensnobelpreisträges Martti Ahtisaari vorgeschlagen, der den Streit schlichten soll. Wegen des Konflikts blockiert Slowenien seit über einem Monat die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien.

Offiziell nahm Zagreb die Brüsseler Initiative positiv auf. “Ich begrüße die Initiative der Europäischen Kommission, das Patt zu durchbrechen und die Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens zu beenden”, sagte Premier Sanader. Allerdings pochte er weiterhin auf eine – von Ljubljana bestrittene – slowenisch-kroatische Übereinkunft aus dem Jahr 2007, wonach im Grenzkonflikt der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag angerufen werden soll.

Ähnlich reagierte Mesic. In einem Interview mit der Tageszeitung “Vecernji list” sagte er am Wochenende, dass nur ein Weg zum IGH die Lösung bringen könne. Schon in seiner ersten Reaktion auf die EU-Initiative am Freitag hatte Mesic betont, dass der Weisenrat zwar hilfreich bei der Überwindung der slowenischen Blockade sein könnte, der Grenzstreit aber “auf der Grundlage der internationalen Konventionen, denen Kroatien beigetreten ist”, gelöst werden müsse. Kroatien habe weiterhin “volles Vertrauen” in internationale Schiedsinstanzen.

Zagreb rechnet sich in einem IGH-Verfahren bessere Chancen aus, seine Position im Grenzkonflikt durchzusetzen. Ljubljana trauert dagegen dem im Jahr 2001 von beiden Regierungen ausgehandelten Grenzverlaufsabkommen nach, das im kroatischen Parlament gescheitert war. Ein Abtausch von Territorium, wie in diesem Abkommen vorgesehen, wäre in einem IGH-Verfahren nicht möglich. Kernpunkt des Streits ist die Adria-Bucht von Piran, die Slowenien zur Gänze für sich beansprucht. Kroatien geht dagegen von einer Teilung in der Mitte aus, und gibt dies auch in seinen offiziellen Dokumenten so an. Weil Zagreb diese Dokumente in den EU-Beitrittsgesprächen vorgelegt hat, legte Ljubljana im Dezember ein Veto gegen zehn der 35 Verhandlungskapitel ein.

Wegen der festgefahrenen Situation wittern die kroatischen EU-Gegner bereits Morgenluft. So sagte der Chef der rechtsextremen “Partei des Rechts” (HSP), Anto Djapic, “dass Kroatien auch gut ohne die EU leben kann”. Eine Union, in der sich “ein kleiner Komplexler wie Slowenien als Erpresser Kroatiens aufspielt, ist nicht das Umfeld, in dem sich das kroatische Volk aufhalten sollte”, sagte Djapic nach Angaben der Tageszeitung “Jutarnji list” (Internetausgabe) am Wochenende. Regierungssprecher Zlatko Mehun zeigte sich überzeugt, dass Djapic “nicht die Mehrheitsmeinung in Kroatien” vertrete.

Die historische Begleitmusik zum Grenzstreit wird indes immer geräuschvoller. So forderte der Chef der zweiten Laibacher Parlamentskammer (Staatsrat), Blaz Kavcic, dass sich Kroatien vor seinem EU-Beitritt mit den “ideologischen Überbleibseln” des Faschismus in seiner Gesellschaft auseinandersetzen solle. “Wir wollen Kroatien so schnell wie möglich am europäischen Tisch sitzen sehen, aber dieser Tisch muss aufgeräumt sein”, sagte Kavcic im Laibacher Privatsender POP TV mit Blick auf das Ustascha-Terrorregime im Zweiten Weltkrieg. Diese Aussagen wurden in Zagreb mit Empörung aufgenommen. Regierungssprecher Mehun erklärte laut Nachrichtenagentur Hina, dass der kroatische Staat auf den Fundamenten des Antifaschismus gegründet worden sei. “Diejenigen, die irgendetwas anderes unterstellen wollen, leben in einer fernen Vergangenheit.”

Den Startschuss für die historische Debatte hatte Kroatiens Präsident Mesic gegeben, der den Anspruch seines Landes auf die Bucht von Piran mit dem Einsatz kroatischer Partisanen im Zweiten Weltkrieg begründet hatte. Hätten diese Istrien nicht befreit, “würde Slowenien heute aus 20 Kilometer Entfernung aufs Meer blicken”, sagte Mesic zur Entrüstung vieler Slowenen.

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