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Graf rechnet mit zweitem BAWAG-Prozess

Martin Graf (F), Vorsitzender des parlamentarischen Banken-Untersuchungsausschusses, geht davon aus, dass es nach dem am 16. Juli startenden sogenannten BAWAG-Prozess noch einen zweiten Prozess zu dieser Thematik geben wird.

Im bevorstehenden ersten und bisher größten Wirtschaftsprozess Österreichs wird neun Beschuldigten, darunter den ehemaligen BAWAG-Generaldirektoren Helmut Elsner und Johann Zwettler, schwerer Betrug, Untreue und Bilanzfälschung vorgeworfen. Für alle Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.

„Es wird sicher einen Prozess „BAWAG Zwei“ geben. Jetzt sind die unmittelbaren Verdächtigen dran. In einer zweiten Runde wird die Eigentümerseite, an der Spitze Verzetnitsch, strafrechtlich zu würdigen sein“, so Graf in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“ (Freitagausgabe). Der ehemalige langjährige ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zählt derzeit nicht zu den Angeklagten.

Laut Graf hat der Banken-Untersuchungsausschuss im Fall der BAWAG sehr wohl zu neuen Erkenntnissen geführt, etwa dass es sich nicht um einen singulären Kriminalfall handelt, sondern dass das Netzwerk der vermeintlichen Täter wesentlich breiter gestrickt ist, als bisher bekannt. Seit dem Jahr 2000 hätten sämtliche leitende Angestellte der BAWAG im Bereich Bilanzierung, Controlling, Rechtsabteilung und Beteiligungsmanagement vom eingetretenen Schaden gewusst. „Und es ist zu Tage getreten, dass ÖGB-Präsident Verzetnitsch, der unter Wahrheitspflicht ausgesagt hat, dass er erst 2000 von den Verlusten informiert wurde, es schon 1998 wusste“, so Graf.

Parteienfinanzierung im Zusammenhang mit den Karibik-Geschäften der ehemaligen Gewerkschaftsbank schließt Graf nicht aus. „So etwas passiert ja nicht offensichtlich.“ Zumindest in einigen Fällen habe nachgewiesen werden können, dass auf Zuruf von Elsner an Wolfgang Flöttl verschiedene Gelder geflossen seien, wie die 72.000 Euro an Ex-Bundeskanzler und Ex-SPÖ-Chef Franz Vranitzky. Ein weiters Beispiel ist laut Graf der Fall Partik-Wordian, der Gründerin der AMIS-Vorgängerfirma AMV, die von Flöttl finanziert wurde, mit dem Verzicht von Flöttl auf 20 Millionen Schilling. Partik-Wordian sei die Ehegattin des ehemaligen BAWAG-Vorstandsmitglieds Gerhard Partik gewesen. „Und wohin diese Gelder von Partik-Wordian geflossen sind, ist eine zweite Geschichte“, so Graf. „Es gibt offensichtlich einen Selbstbedienungsladen. Ein politisch nicht Nahestehender hat so etwas nicht bekommen. Am Ende waren lauter rote Parteigänger Nutznießer dieses Systems. Ob man direkte Parteienfinanzierung beweisen kann, das wage ich zu bezweifeln, weil das so plump nicht funktioniert. Das passiert auf Umwegen“, meint Graf.

Politisch brisante Themen würden im Ausschuss erst kommen. Graf ist überzeugt, dass im Fall Mobiltel „noch eine kleine Bombe steckt“. Dabei werde es eine zentrale Frage sein, ob es dem Ausschuss gelinge, herauszufinden, wer der Treugeber des ehemaligen ÖVP-Chefs Josef Taus beim Kauf der bulgarischen Mobiltel war. „War das Elsner selbst, war das vielleicht sogar Herr Generaldirektor Sundt (Anm.: ehemaliger Telekom Austria-Chef) oder wer anderer“, so Graf.

Es stelle sich im Fall Mobiltel aber nicht nur die Frage, wer Nutznießer war und welche Gelder geflossen sind. Ganz entscheidend sei für ihn auch die Frage, wieso die Telekom Austria ein so schlechtes Geschäft gemacht habe. Sie hätte im Jahr 2002 um 700 Millionen Euro kaufen können, aber lieber zwei Jahre später um 1,8 Milliarden Euro gekauft. „Damit dieser Kaufpreis aufgebracht werden konnte, musste der österreichische Telefonierer zahlen. Oder der einzelne Aktionär ist benachteiligt – und ein maßgeblicher Eigentümer ist die Republik Österreich“, so Graf.

Im Banken-Ausschuss sind sich laut Graf die Abgeordneten über die Fraktionsgrenzen hinweg darüber einig, dass die Finanzmarktaufsicht (FMA), die vor 2002 überhaupt nicht funktioniert habe und wo jetzt noch „vieles im Argen“ liege, neu geordnet werden müsse. Die Kompetenzverteilung gehöre sicherlich zusammengefasst. Statt den derzeit drei Behörden Finanzmarktaufsicht, Nationalbank und Finanzministerium solle es nur noch eine geben. „Es wird eine politische Frage sein, in welcher Behörde wir das am Ende angesiedelt haben“, so Graf. Bevor die Aufsicht aber in der Nationalbank landet, sei es ihm schon lieber, sie landet im Ministerium. „Das Problem ist, dass Banken als Eigentümer der Nationalbank im Generalrat vertreten sind. Aber meine Priorität wäre eine unabhängige Behörde, wesentlich schärfer ausgestaltet als bisher.“

Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Entsendepraxis der Staatskommissäre in die Aufsichtsräte der Banken. Da muss es zu einer Verrechtlichung der Entsendung, der Aus- und Fortbildung sowie auch der Abberufungsmöglichkeiten kommen. Da sei es in der Vergangenheit auf die Willkür des einzelnen Ministers angekommen.

Graf sprach sich weiters dafür aus, im Parlament einen ständigen Untersuchungsausschuss einzurichten, aber auf kleinstmöglichem Level. Es zeige sich schon jetzt, dass von jeder Fraktion nur ein bis zwei Mandatare mit der Materie tatsächlich in der Tiefe befasst sind. Sieben Personen wären ausreichend, zwei SPÖ, zwei ÖVP und je einer von Grünen, FPÖ und BZÖ. Das würde zu einer Beschleunigung der Verfahren führen. Der U-Ausschuss sollte zum Minderheitsrecht werden.

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