Gewaltschutzpaket und Ökostrom-Novelle werden im Nationalrat beschlossen

Der Nationalrat verabschiedet sich am Mittwoch von seiner 26. Gesetzgebungsperiode mit einigen spannenden Beschlüssen. So wird das umstrittene Gewaltschutzpaket ebenso abgesegnet wie eine von allen Fraktionen getragene Ökostrom-Novelle. Zudem wird ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit etabliert.
Wien: Letzte Sitzung für etliche Abgeordnete
Der Antrag auf Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung wird zwar die nötige Mehrheit bekommen, droht aber im Bundesrat an der Veto-Möglichkeit von Rot-Grün zu scheitern. Für zünftige Debatten sorgen dürften auch die Abschlussberichte zu den U-Ausschüssen in Sachen BVT und Eurofighter. Die "Aktuelle Stunde" gleich zu Beginn widmet die SPÖ dem Thema leistbares Wohnen. Für die "Aktuelle Europastunde" haben die Freiheitlichen den Außengrenzenschutz gewählt.
Für etliche Abgeordnete wird es die letzte Sitzung überhaupt sein. Nicht mehr kandidieren etwa die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ), die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss (NEOS) sowie SP-Justizsprecher Hannes Jarolim.
Gewaltschutz: Verpflichtende Täterberatung nach Wegweisungen
Geht es nach den Plänen von ÖVP und FPÖ, wird der Nationalrat heute, Mittwoch, das "Gewaltschutzpaket" der abgewählten türkis-blauen Bundesregierung beschließen, und das trotz Kritik und Änderungswünschen in der Begutachtung. Das Paket enthält u.a. Strafverschärfungen, Anzeigepflichten und eine verpflichtende Täterberatung bei häuslicher Gewalt. Zumindest in Details steht eine Abänderung im Raum.
Gewaltschutzpaket: Überblick über die geplanten Änderungen
STRAFRECHT
Eine Reihe von Strafdrohungen wird erhöht - und zwar teils gegen den Rat der in der "Task Foce" der Regierung beigezogenen Experten. So wird die Mindeststrafe für Vergewaltigung von einem auf zwei Jahre erhöht und eine gänzlich bedingte Strafe ausgeschlossen. Die Höchststrafe bleibt bei zehn Jahren. Die schon bisher geltenden erhöhten Strafen bei Gewalttaten gegen unmündige Personen gelten künftig auch bei außergewöhnlich brutalen Taten oder bei solchen gegen besonders schutzbedürftige Personen. Und fortgesetzte Gewaltausübung gegen Unmündige wird künftig mit ein bis zehn Jahren (statt sechs Monaten bis fünf Jahren) Haft bestraft.
Bei der Verhängung von Strafen wird die schwere Traumatisierung des Opfers als "Erschwerungsgrund" gewertet. Um die Hälfte erhöhte Strafen soll es für rückfällige Gewalt- oder Sexualtäter geben (maximal aber 20 Jahre). Außerdem droht nach Gewalt- oder Sexualstraftaten gegen Kinder, gebrechliche oder behinderte Menschen ein lebenslanges Berufsverbot in einschlägigen Betreuungsjobs. Straferleichterungen für junge Erwachsene werden Gewalt-, Sexual- oder Bandendelikten mit fünf Jahren Strafdrohung gestrichen. Für Stalker, die ihr Opfer ein Jahr lang verfolgen, wird der Strafrahmen von einem auf drei Jahre erhöht, auch die unerwünschte Veröffentlichung von Nacktfotos wird verboten.
OPFERSCHUTZ
Wer eine Entschädigung für Schmerzensgeld nach dem Verbrechensopfergesetz beantragt, muss das binnen zwei Jahren nach der Tat tun. Für minderjährige Opfer wird diese Frist nun auf drei Jahre verlängert. Außerdem beginnt sie erst nach Abschluss des Strafverfahrens zu laufen (und nicht mit dem Tatzeitpunkt). Auch die sonstige Antragsfrist für Leistungen aus dem Verbrechensopfergesetz wird von zwei auf drei Jahre verlängert. Opfer von Wohnungseinbrüchen können zudem Krisenintervention und Psychotherapie beantragen, die ansonsten nur bei vorsätzlichen Gewaltdelikten gewährt werden. In Summe soll das 600.000 Euro kosten. Änderungen gibt es auch bei Schadenersatzklagen gegen die Täter: die 30-jährige Verjährungsfrist beginnt bei Sexualdelikten erst mit dem 18. Geburtstag des Opfers zu laufen.
BETRETUNGSVERBOT
Schon jetzt können Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung verbannt werden (§38a Sicherheitspolizeigesetz). Neu ist, dass ein solches "Betretungsverbot" automatisch auch ein Annäherungsverbot bedeuten soll - auch wenn sich die solcherart geschützte Person außer Haus bewegt. Außerdem sind verpflichtende Gewaltpräventionsberatungen durch vorgesehen. Letztere sollen eine Million Euro jährlich kosten.
FALLKONFERENZEN
Die im Vorjahr unter Protest der Opferschutzeinrichtungen abgeschafften "Fallkonferenzen" mit der Polizei werden wieder eingeführt und in Sicherheitspolizeigesetz (§22) und Strafprozessordnung (§76) geregelt.
ANZEIGEPFLICHT
Die Anzeigepflicht wird für alle Gesundheitsberufe inklusive Hebammen und Heilmasseure einheitlich geregelt. Den Verdacht auf einen Mord oder eine schwere Körperverletzung müssen Ärzte schon bisher melden, hier gilt ihre Schweigepflicht also nicht. Nun wird explizit verankert, dass auch der begründete Verdacht auf eine Vergewaltigung angezeigt werden muss sowie Misshandlung, Quälen, Vernachlässigung oder sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ausnahmen gibt es, wenn die Anzeige das für die Behandlung nötige Vertrauensverhältnis zerstören würde oder wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörigen richtet und das Jugendamt informiert wird. Angesichts der Kritik u.a. von Opferschutzorganisationen wurde zuletzt noch eine Änderung dieser Regelung diskutiert, die im Verlauf der Sitzung eingebracht werden könnte.
NAMENSÄNDERUNG
Eine Namensänderung für Gewaltopfer, die eine neue Identität brauchen, war schon bisher möglich. Künftig wird auch die Änderung der Sozialversicherungsnummer erlaubt.
Kritik unter anderem von Richtern und Opferschützern
Kritik an dem Paket war unter anderem von Richtern, Rechtsanwälten, Opferschützern oder dem Verein Neustart gekommen. Der vorliegende Entwurf beinhalte Verschlechterungen für Opfer und die öffentliche Sicherheit, hieß es in einem gemeinsamen Papier. Für Strafverschärfungen bestehe objektiv kein präventiver Bedarf. Die Praxis zeige, dass der schonendere Umgang der Gerichte mit jüngeren Erwachsenen zum Rückgang von Widerverurteilungen geführt habe.
(APA/Red)