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Gewalt an Wiener Schulen: Lehrer erhoffen sich "Neue Autorität"

Lehrer sollen mit Schülern künftig eine engere, freundschaftlichere Beziehung eingehen.
Lehrer sollen mit Schülern künftig eine engere, freundschaftlichere Beziehung eingehen. ©APA/HANS PUNZ
Nach den Gewaltausbrüchen an Wiener Schulen sollen Lehrer sollen künftig nicht mehr aus ihrer Position Autorität beziehen, sondern aus ihrer Beziehung zu Schülern. Mit dieser sogenannten "Neuen Autorität" sollen Konfliktsituationen entschärft werden.
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Auf der Suche nach einem Umgang mit Disziplinlosigkeit und Gewalt setzen immer mehr Lehrer und Direktoren auf die "Neue Autorität". Laut einer Studie wird das Konzept des israelischen Psychologen Haim Omer allerdings oft als "Krisenkonzept" für rasche Konfliktlösung missverstanden. Ohne gleichzeitigen Kulturwandel an der Schule kann das Modell in Richtung "Law and Order" kippen, warnen Experten.

Die Idee der Neuen Autorität: Der Lehrer versucht dabei nicht, seine Autorität aus seiner Position zu ziehen, sondern aus seiner Beziehung zu den Schülern. Nicht Distanz, Furcht, Macht oder Kontrolle sollen dafür sorgen, dass die Schüler kooperieren, sondern Wertschätzung und eine gute Beziehung. Zu den angewandten Methoden gehört neben echtem Interesse am Schüler auch das Vermeiden von Machtkämpfen, das Sichtbarmachen von destruktivem Verhalten und die Forderung nach Wiedergutmachung - allerdings immer, ohne das Kind oder den Jugendlichen zu beschämen.

Fortbildungen zu Gewalt und Aggression

Laut einer in der Zeitschrift "Erziehung & Unterricht" veröffentlichten Studie fordern derzeit vielfach Direktoren schulinterne Fortbildungen an, die nach Problemen mit Aggressionen oder Gewalt von Schülern nach neuen Handlungsmöglichkeiten suchen. Gefragt ist dabei vor allem fachlicher Input. Schulentwicklungsbegleitung, die für die Veränderung von Handlungsroutinen an den Schulen notwendig wäre, ist hingegen weniger Thema.

Diese Einbettung in eine neue Schulkultur ist allerdings "von zentraler Bedeutung", betont Studienautorin Barbara Herzog. Werden Methoden der Neuen Autorität auf Basis eines traditionellen Autoritätsverständnisses eingesetzt, könnten Aspekte wie Transparenz oder Wiedergutmachung "in eine völlig gegen die Intention des Konzepts liegende Richtung" kippen, warnt sie.

Konzeptumsetzung kann Jahre dauern

Auch Volksschuldirektorin Christine Schmutz, die in der Fortbildung andere Direktoren und Lehrkräfte aller Schularten mit Omers Konzept vertraut macht, sieht im Gespräch mit der APA die Gefahr, dass Omers Konzept in Richtung "Law and Order" pervertiert werden kann. Das Gebot der Transparenz etwa bedeute keinesfalls, die Taten eines Schülers beim Schultor öffentlich zu machen. "Diese Form der Beschämung hat nichts zu tun mit Neuer Autorität." Das Ziel von Transparenz sei bei diesem Konzept schließlich nicht Demütigung, sondern den Schülern ihre Eigenverantwortung klarzumachen.

Die Umsetzung der Neuen Autorität an einer Schule benötigt laut Schmutz Zeit. "Je nach Größe des Standortes braucht es ein bis drei Jahre, bis das Konzept nachhaltig greift. Es geht hier um Beziehung und daran muss auch permanent gearbeitet werden, durch Reflexion auch mit Experten von außen." Die Leitlinie im Umgang mit unerwünschtem Verhalten von Schülern: Auch wenn ganz klar gemacht wird, dass man eine Handlung nicht akzeptieren kann, ist einem die Person und die Beziehung zu ihr weiterhin wichtig.

Konflikte ohne Machtkampf entschärfen

Wenn man all das beachte, sei Omers Konzept gut präventiv im Schulalltag einsetzbar, verweist Schmutz auf Erfahrungen an ihrer eigenen Schule und auf Berichte von Schulungsteilnehmern. "Wenn man stark präsent ist, kann man durchaus Konflikte entschärfen, ohne in einen Machtkampf zu geraten." Entscheidend sei dabei, dass die Haltung und Kommunikation auch für Schüler und Eltern nachvollziehbar sei. Allerdings ist für Schmutz Neue Autorität kein Ersatzkonzept, wenn es sich um Strafdelikte wie Körperverletzung handelt.

(APA/red)

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