"Gesetze sind nicht immer fair" – Wenn der falsche Mann offiziell Vater ist

Er ist nicht der Vater – aber steht schwarz auf weiß in der Geburtsurkunde. Was wie ein Justizirrtum klingt, ist in Wahrheit Gesetz: In Österreich gilt der Ehemann automatisch als Vater eines Kindes – auch wenn er es biologisch nicht ist. Für viele Elternteile beginnt damit ein bürokratischer Kraftakt. VOL.AT hat nachgefragt, was rechtlich möglich ist – und warum ein DNA-Test allein noch lange nichts ändert.
Ein Kind, zwei Väter – und ein Gesetz, das für Chaos sorgt
"Hallo zusammen. Ich frage für eine Bekannte …" – mit diesen Worten beginnt ein Social-Media-Post, der eine brisante rechtliche und emotionale Situation schildert: Eine frischgebackene Mutter, verheiratet, aber das Kind ist nicht vom Ehemann. Die Scheidung ist bereits in Planung. Doch auf der Geburtsurkunde steht: Der Ehemann ist der Vater. Wie kann das sein – und was lässt sich dagegen tun?

Gesetzliche Vaterschaft
"Eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit der Mutter des Kindes ist eine der drei Möglichkeiten zur Begründung der Vaterschaft. Das heißt: Wenn eine Frau ein Kind gebärt und verheiratet ist, wird automatisch davon ausgegangen, dass der Ehemann auch der Vater ist", erklärt die Feldkircher Rechtsanwältin Olivia Lerch im Gespräch mit VOL.AT.
"Selbst wenn klar ist, dass der Mann nicht der biologische Vater ist, gilt er kraft Gesetzes als rechtlicher Vater." Dabei reicht es sogar aus, wenn die Ehe erst kurz vor der Geburt geschlossen wurde – oder der Ehemann bis zu 300 Tage vor der Geburt verstorben ist.
⚖️ Gesetzliche Regelung
- Ist eine Frau zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet, gilt automatisch der Ehemann als rechtlicher Vater – auch wenn er nicht der biologische Vater ist.
- Diese Regelung gilt auch, wenn der Ehemann bis zu 300 Tage vor der Geburt verstorben ist.
- Wird das Kind nach der Scheidung geboren, gilt der Ex-Mann nicht mehr automatisch als Vater.
So lässt sich die Vaterschaft ändern
Doch was tun, wenn der Ehemann nicht der Vater ist? "In einem solchen Fall muss ein Antrag auf Feststellung der Nicht-Abstammung bei Gericht gestellt werden", so Lerch. Dieses gerichtliche Verfahren beinhaltet in der Regel ein DNA-Gutachten und kann auch von der Mutter oder dem biologischen Vater eingeleitet werden.

Eine Alternative dazu ist der sogenannte "Vätertausch" (§ 150 ABGB): "Damit wird die bisherige Vaterschaft beseitigt und der biologische Vater als rechtlicher Vater festgestellt."
Vaterschaft anfechten oder ändern
- Mögliche Wege:
- Antrag auf Feststellung der Nicht-Abstammung (§ 151 ABGB)
- Antrag auf Vätertausch (§ 150 ABGB)
- Notwendig ist in der Regel ein gerichtliches Verfahren mit DNA-Gutachten.
Fristen, Verfahren und Kosten – Das sollten Betroffene wissen
Für die Anfechtung der Vaterschaft gelten Fristen: "Der Antrag ist binnen zwei Jahren ab Kenntnis der entscheidenden beweiskräftigen Umstände zu stellen." Als solche "beweiskräftigen Umstände" gelten beispielsweise medizinische Befunde, aus denen hervorgeht, dass der Mann gar nicht zeugungsfähig ist – oder auch offensichtliche Merkmale wie eine deutlich abweichende Hautfarbe des Kindes. Das Kind selbst kann bis zu seinem 20. Geburtstag einen Antrag stellen.
"Wie lange das Verfahren dauert, hängt von der Auslastung des Gerichts und dem Gutachten ab", sagt Lerch. In der Regel sei mit mehreren Monaten zu rechnen. Genaue Kosten könne man im Vorfeld schwer beziffern.
⏳ Fristen
- Der rechtliche Vater hat 2 Jahre Zeit, ab dem Moment, in dem er beweiskräftige Umstände erfährt (z. B. Unfruchtbarkeit, deutlich andere Hautfarbe).
- Das Kind kann bis zu seinem 20. Geburtstag einen Antrag stellen.
- Nach 30 Jahren ist eine Anfechtung durch den rechtlichen Vater nicht mehr möglich.
Beweiskräftige Umstände
- Beispiel: ärztliche Bestätigung, dass der Mann nicht zeugungsfähig ist
- Deutliche äußere Unterschiede (z. B. Hautfarbe) zwischen Kind und (rechtlichem) Vater
Namensänderung, Unterhalt und Kontaktrecht?
Sobald feststeht, dass ein anderer Mann der rechtliche Vater ist, ergeben sich zahlreiche Konsequenzen: "Der Obsorgeberechtigte entscheidet über die Namensänderung des Kindes", erklärt Lerch. Und: "Der bisherige Scheinvater kann den geleisteten Unterhalt vom leiblichen Vater zurückfordern – zumindest in der Höhe, in der dieser verpflichtet gewesen wäre."
Auch das Kontaktrecht tritt erst mit der rechtlichen Vaterschaft in Kraft: "Rückwirkende Kontaktrechte gibt es nicht – aber ab Feststellung hat der Vater natürlich Anspruch darauf."
Folgen einer geänderten Vaterschaft
- Der obsorgeberechtigte Elternteil kann eine Namensänderung des Kindes beantragen.
- Der bisherige rechtliche Vater kann Unterhalt vom leiblichen Vater zurückfordern (Regress).
- Das Kontaktrecht des neuen rechtlichen Vaters gilt erst ab Feststellung, nicht rückwirkend.
Scheidung in Planung: Was bedeutet das im Fall der Mutter?
Im Fall der Frau aus dem Social-Media-Post steht die Scheidung bereits bevor – doch welchen Einfluss hat das auf die rechtliche Vaterschaft? Laut Olivia Lerch gilt: Solange das Kind vor der rechtskräftigen Scheidung geboren wird, wird der Ehemann automatisch als Vater eingetragen – unabhängig von der tatsächlichen Vaterschaft. Erst wenn das Kind nach der Scheidung zur Welt kommt, muss die Vaterschaft durch ein Anerkenntnis oder ein gerichtliches Verfahren festgestellt werden.
Ein weiterer Aspekt: Sollte die Frau aus dem Beispielfall fremdgegangen sein, wird sie keinen Ehegattenunterhalt erhalten.
"Gesetze sind nicht immer fair"
Betroffenen Müttern rät Lerch klar: "Nehmen Sie anwaltlichen Rat in Anspruch." Denn auch wenn die Gesetzeslage eindeutig ist, braucht es juristisches Know-how, um die notwendigen Schritte korrekt zu setzen.
Und was sagt die Anwältin zur Fairness dieses Gesetzes? "Das kann und möchte ich nicht beurteilen. Gesetze sind nicht immer fair – das hängt stark von der Perspektive ab", so Lerch abschließend.
Durchbrechende Vaterschaft als Alternative
Philipp Schröckenfuchs, Landesleiter des Fachverbandes der Vorarlberger Standesbeamten, weist auf eine zusätzliche Möglichkeit hin: die sogenannte "durchbrechende Vaterschaft" gemäß § 147 ABGB. Diese kann direkt beim Standesamt durchgeführt werden und ermöglicht es, dass der biologische Vater innerhalb kurzer Zeit und ohne Gerichtsverfahren als rechtlicher Vater anerkannt wird. Voraussetzung ist, dass das Kind die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.
Im Unterschied zur regulären Vaterschaftsanerkennung wird in diesem Verfahren die Kinder- und Jugendhilfe als gesetzlicher Vertreter des Kindes einbezogen. Laut Schröckenfuchs handelt es sich dabei um ein gängiges und vergleichsweise unbürokratisches Vorgehen in entsprechenden Fällen.
(VOL.AT)