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Gesellschaftliche Stolpersteine

Wenn sich die oberen 10.000 am Wiener Opernball ein Stelldichein geben, dann ist dies eine gute Gelegenheit, Beziehungen zu knüpfen - seien diese geschäftlicher oder privater Natur.

Doch wer die wichtigsten Benimmregeln nicht beherrscht, läuft Gefahr, auf dem glatten gesellschaftlichen Parkett auszurutschen.

Wenn sich zwei 16-Jährige zu einem Kinobesuch verabreden, werden sie sich wohl zumeist dort treffen. Doch das Abholen der Dame sowie das Heimbringen danach ist weiterhin aktuell, weiß Renate Thomas, die den Studenten der Diplomatischen Akademie Kurse in Etikette gibt. Ganz besonders gilt dies für größere Anlässe, bei denen man sich in Schale wirft. „Es kommt sicher nicht gut an, wenn sich das Paar erst vor der Oper trifft.“

Dass der Herr seine Dame am rechten Arm führt, hat historische Wurzeln: Der Mann sollte schließlich freien Zugriff zu seinem Säbel haben – und wenn die Frau an der linken Seite ging, war dies laut Renate Thomas ein Zeichen, dass sie eben keine Dame war. Veraltet ist trotz aller Wiener Fiaker hingegen der Usus, dass der Herr im Freien immer auf der Straßenseite geht, um das Paar vor einem durchgehenden Pferd zu schützen.

Nicht mehr so streng, und vor allem nicht so üblich und streng gehandhabt wie einst in Amerika, ist hingegen das Aufhalten der Autotür. Ein wenig Hilfe beim Einsteigen ist jedoch bei großer Garderobe angebracht.

Ein Muss ist es hingegen nach wie vor, der Dame bei Türen den Vortritt zu lassen – außer, es könnte dahinter eine Gefahr lauern. Dies betrifft etwa Restaurants oder andere unbekannte Räume, die der Mann deshalb als Erster betritt. Beim Betreten der Oper ist aber wohl nicht damit zu rechnen, von Betrunkenen angepöbelt zu werden, weshalb die Dame vor ihrem Begleiter das Haus am Ring betreten muss.

Ob nun im Blitzlichtgewitter der Feststiege oder auf sonstigen Treppen: Der Herr geht hinten, wenn es hinauf geht, und vorne, wenn es hinunter geht. „Falls die Dame ausrutscht, kann sie von ihrem Begleiter aufgefangen werden“, erklärte Renate Thomas. „Ich glaube, die meisten machen das auch heute fast instinktiv.“ Früher ging der Herr jedoch immer vor der Frau, damit er auf gar keinen Fall einen Blick auf ihre Fesseln erhaschen konnte, wenn sie das Kleid auf der Stiege raffen musste.

Hat man den Tisch oder die Loge erreicht, rückt der Herr seiner Begleiterin den Sessel zurecht. Die Kleidung war früher komplizierter als jede Ballrobe und es bestand durchaus die Gefahr, dass sie sich daneben setzte. „Es ist eine schöne Geste und man freut sich darüber“, sagte die Expertin. Pure Höflichkeit ist hingegen das Aufstehen, wenn eine Dame an den Tisch kommt oder diesen verlässt. Ist diese älter, dann stehen auch die jüngeren Frauen auf.

Eine eigene Kunst ist das förmliche Vorstellen, wobei es eine fixe Ordnung gibt: Der Rangniedrige grüßt den Ranghöheren, der Herr die Dame und der Jüngere den Älteren. Ein praktisches Beispiel: Ein junger Mann mit seiner Freundin trifft auf dem Opernball seinen Chef samt dessen Frau. Er grüßt daraufhin (per Handschlag) seinen Vorgesetzten, dieser stellt seine Frau vor und danach der junge Mann seine Begleiterin. Und nicht vergessen: Die Hände gehören aus der Hosentasche, die Zigarette aus dem Mund und (im Freien) die Sonnenbrille von der Nase.

Ein Kapitel für sich ist der Handkuss – laut Renate Thomas vor allem eine Geste des Respekts, was man etwa bei arabischen Herrschern oder beim Papst deutlich beobachten kann. Generell ist dies eine sehr individuelle Frage – und ob man es kann. Denn die Lippen des Herrn berühren nie die Hand der Dame. Bedacht werden damit – nur in geschlossenen Räumen – lediglich verheiratete und ältere Damen.

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