Diese Geschichte reicht vom Geleitbrief König Sigismunds 1423 bis zur NS-Rasseforscherin Eva Justin und der Vernichtung von hunderttausenden Roma und Sinti in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, von der Zwangsassimilationspolitik Maria Theresias bis zu den heutigen Bettelverboten und Schubhaftgesetzen.
Doch die Geschichtsstunde wird von Figurentheaterspielern und- spielerinnen erzählt:
da vermischt sich das historische Wissen mit den Einfällen und Interpretationen der Künstler und Künstlerinnen, das Herrschaftswissen aus den Polizeiakten und rassekundlichen Publikationen mit mündlichen Überlieferungen, Märchen und skurrilen Erfindungen.
Auf der Suche nach der Geschichte der Roma in Österreich zieht eine Wandertheatertruppe durch die Jahrhunderte. Auf der Bühne präsentieren sie die märchenhaftesten Versionen ihrer Erlebnisse, doch nach dem Applaus im Wirtshaussaal schlägt die Wirklichkeit zu.
Unter Leitung von Nestroypreisträgerin Tina Leisch haben die DarstellerInnen, – unter ihnen Stars des Romatheaters wie Sandra Selimovic und Radia Barbul – eine bösartige und groteske Revue erarbeitet.
Die Musik stammt von der charismatischen Balkan-Jazz-Sängerin Matilda Leko.
Schneid deinen Ärmel ab und lauf davon- Čin či baj taj na !” nimmt Wissensproduktion als Herrschaftstechnik unter die Lupe: In den Bibliotheken der Nicht-Roma finden sich die Roma fast nur in Erlassen, Dekreten, Gesetzen, Gerichtsprotokollen und Polizeiakten: Die Schrift ist eine Feindin. Aufgeschrieben werden bedeutet: erfasst zu werden, um verfolgt werden zu können. Eine Erfahrung, die in der systematischen wissenschaftlichen Erforschung durch die NS – RasseforscherInnen zum Zweck der Vernichtung gipfelt.
Dem setzten Roma seit Jahrhunderten eine Wissensproduktion als Überlebenstechnik entgegen: ein – oft notwendigerweise geheimes – Wissen, das es erlaubt, nicht erkannt, erfasst, identifiziert zu werden, die Pogromstimmung rechtzeitig zu riechen und zu entkommen.
BEDEUTUNG:
Roma und Sinti sind mittlerweile die größte Minderheit in der Europäischen Union.
In Österreich leben – neben den als Volksgruppe anerkannten Burgenland-Roma – viele, die während des Krieges aus dem ehemaligen Jugoslawien geflüchtet sind. Diese unsichtbare” Minderheit lebt auch in Österreich oftmals unter der Armutsgrenze und das Bildungsniveau ist wesentlich niedriger als bei der Mehrheitsbevölkerung.
Schon mit ihrem letzten Projekt Liebesforschung” (dietheater künstlerhaus, November 2006) gelang es der Romatheatergruppe unter Leitung von Tina Leisch einerseits diesen Menschen Sichtbarkeit und Bedeutung in der österreichischen Kulturöffentlichkeit zu verschaffen und andererseits ein Publikum fürs Theater zu begeistern, das zum größten Teil in Österreich noch nie im Theater war.
MITWIRKENDE:
Tina Leisch (Konzept und Regie)
Film-, Text- u. Theaterarbeiterin.
Theaterarbeiten:
1994: Dreigroschenoper, Volxtheater Favoriten
1996: Phentesilea, ein Hundsoper frei nach Kleist, Volxtheater Favoriten
2002: Taboris “Mein Kampf” im Männerwohnheim Meldemannstraße (Konzept & Regie) Nestroypreis 2003 für beste Offtheaterproduktion
2003:”Elf Seelen für einen Ochsen – Enajst dus za enega vola” “Glanzpunkt des Festivals der Regionen Oberösterreich.” (Text und Regie) (www.persman.at)
2004 “Irrgelichter im Spiegelgrund”, im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe (Text: Tina Leisch & Lennart Lakatos, Regie: Tina Leisch)
2005 Elfriede Jelineks “Stecken, Stab und Stangl” im ehemaligen jüdischen Theater im Nestroyhof mit einem Ensemble aus ProfidarstellerInnen und Migrantinnen (Konzept & Regie: Tina Leisch)
2006 “Date your destiny” Theaterprojekt mit Insassen der Justizanstalt Gerasdorf
(Text: Alma Hadzibeganovic, Tina Leisch, Konzept & Regie: Tina Leisch)
“Liebesforschung-Rodimos e kamlipesko-istrazivanje ljubavi”
(Text: Tina Leisch, Ljubomir Bratic, Slavomir Boban Stojkov, Regie: Tina Leisch)
2007: “Medea bloß zum Trotz”, Justizanstalt Schwarzau
Filme:
1999 Vergiß Europa! Ein Weiß-Schwarz-Film.” 32 min
2003 riefenstahlremix”, Kurzdoku, 33 min
2008 Gangster Girls” (www.gangstergirls.at) Uraufführung auf der Viennale 2008,
Kinostart 27.März 2009 im Stadtkino/Wien
Weitere Vorstellungen:
15., 16., 17., 20., 21., 22., 23., 28., 29., 30. und 31. Mai 2009
Wann: Beginn: 20.00 Uhr
Adresse:
HERMANN FISCHER HOF Theatersaal
A-1020 Wien; Ybbsstraße 15 – 21
Erreichbar mit U1 /U2 Praterstern
Kartenreservierung unter:
Tel. 0699 / 108 149 15 bzw. laufdavon@gmx.at
Eintritt: 15,– / 12,–
Fotocredit: Lisbeth Kovacic