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Gerhard Berger wird 50

Leiser zu treten war eigentlich so gar nie seine Art. Seit seinem Ausstieg als Hälfteeigentümer der Scuderia Toro Rosso im November des Vorjahres ward Gerhard Berger auf den Rennstrecken dieser Welt aber nicht mehr gesehen.
Steckbrief Gerhard Berger

Am Donnerstag feiert der zehnfache Grand-Prix-Sieger seinen 50. Geburtstag – mit einer Bergwanderung in Tirol, im kleinen Rahmen, im Rahmen der Familie. Der APA – Austria Presse Agentur erläuterte Berger die Gründe für seinen Rückzug ins Privatleben, sprach über kommende Herausforderungen, die Wirtschaftskrise und das Glücklichsein.

APA: Was hat sich seit ihrem Ausstieg bei Toro Rosso in Ihrem Leben verändert? Fehlt Ihnen die Formel 1?

Berger: “Mir fehlt nichts. Ich habe in diesem Jahr zu 90 Prozent das gemacht, was ich machen wollte. Ich habe mein Leben umgestellt, das beginnt beim Terminkalender. Ich teile meine Zeit jetzt nicht mehr nach anderen ein, sondern nach mir. Die Umstellung ist für mich aber nie ein Problem gewesen – weder in die eine, noch in die andere Richtung. Derzeit sitze ich vor dem Fernseher, mache mir ein Bier auf und sehe mir die Rennen an. Ich verspüre keinen Drang, dabei zu sein und herumzuhüpfen. Falls es eine Aufgabe gibt, die mich interessiert, entscheide ich spontan aus dem Bauch heraus.”

APA: Angebote soll es bereits mehrere gegeben haben. Welche Aufgabe könnte es sein, die dieses Bauchgefühl auslöst?

Berger: “Das ist nicht genau definiert, ich habe nichts im Kopf. Ich habe das Riesenglück, dass ich eine super Karriere gehabt habe und finanziell unabhängig bin. Das haben nicht viele. Ich kann alleine bestimmen und derzeit will ich nur jeden Tag aufstehen und wissen, dass es mir gut geht. Und mir geht es gut – in jeder Hinsicht.”

APA: Sie haben sportlich sehr viel erreicht. Was wäre eine Herausforderung, der Sie sich gerne noch stellen würden?

Berger: “Ein eigenes Team zu führen, ist nach der aktiven Laufbahn immer etwas Schönes. Derzeit ist das für mich aber nicht finanzierbar. Ich mute es mir nicht zu, alleine ein Team auf die Füße zu stellen. Die Zusammenarbeit mit Red Bull war aber sehr gut.”

APA: Wie sehen Sie das Projekt Toro Rosso mit einem Jahr Abstand?

Berger: “Ich bin überzeugt, dass der Zeitpunkt (für den Ausstieg) richtig war. Es war klar, dass Red Bull die Kräfte für sein Hauptteam bündeln musste. Daher hat Toro Rosso nur die zweite Rolle gespielt, das war für mich keine überragende Situation. Wie man an den Ergebnissen sieht, war es auch die richtige Entscheidung von Red Bull, die Kräfte zu bündeln.”

APA: Geben Sie Ihrem ehemaligen Schützling Sebastian Vettel noch Chancen auf den WM-Titel?

Berger: “Solange die theoretische Chance auf den Titel besteht, wird er darum kämpfen. Es kommen jetzt wieder Kurse, die Red Bull mehr entgegenkommen als Valencia. Ich würde sie noch nicht abschreiben. Es ist toll, wie gut es für das Team heuer läuft. Der Motorschaden in Valencia etwa ist nicht ihnen zuzuschreiben.”

APA: Hat Red Bull vor dem Hintergrund der Krise in der Autoindustrie Chancen, sich langfristig als Spitzenteam zu etablieren?

Berger: “Red Bull ist für seinen langen Atem bekannt. Die Formel 1 ist die richtige Plattform für den Konzern. Ja, durch die Turbulenzen, in denen die Hersteller stecken, erhöhen sich die Chancen für Private. Die haben ihr Geld immer schon klug investieren müssen. Große Konzerne haben oft sehr viel mehr ausgegeben und weniger erreicht. Das ist jetzt vorbei.”

APA: Die Wirtschaftskrise hat die Formel 1 voll erreicht. Wird die Königsklasse diese Situation unbeschadet überstehen?

Berger: “Die Formel 1 wird überleben, die Geldgeber werden sich aber ändern. Früher waren es die Oligarchen, dann die Telefonkonzerne und jetzt die Automobilindustrie. Es wird die nächste Industrie kommen, die die Formel 1 interessant findet. Schwierigkeiten wird es geben, die sind aber sicher zu meistern.”

APA: Mit BMW beendet ein weiterer großer Hersteller sein Engagement. Wie beurteilen Sie den Ausstieg Ihres Ex-Arbeitgebers?

Berger: “Es ist schade, weil die Struktur im BMW-Team sehr gut war. Sie haben viele Möglichkeiten gehabt. BMW war in seinen Entscheidungen aber immer sehr konsequent, daher kommt der Ausstieg für mich nicht überraschend. Der eine oder andere Hersteller wird noch folgen, wenn der Druck aus den Konzernen wächst. Auch Renault und Toyota werden dieses Thema diskutieren.”

APA: Auch Sie selbst sind Unternehmer. Wie schwer hat Sie die Krise getroffen?

Berger: “Wir haben alle Einbußen – egal in welcher Branche, egal welcher Konzern. In den letzten zwei Jahren war es schwierig, Geld zu verdienen. Unterm Strich kann ich aber noch immer sehr zufrieden sein, ich muss mir keine allzu großen Sorgen machen. Auch dem Logistik-Unternehmen in Tirol geht es gut.”

APA: Durch ihr Unternehmen sind Sie auch wirtschaftlich an Red Bull gebunden, dazu die Formel 1. Gibt es weitere Pläne?

Berger: “Ich bin schon viele Jahre mit Red Bull verbunden. Ich war ihr erster Fahrer in der Formel 1, jahrelang Aushängeschild. Wir haben immer gute Projekte gehabt, die wird es auch in Zukunft geben. Dafür ist die Freundschaft zwischen Dietrich Mateschitz und mir einfach zu groß. Ich freue mich auch wirklich, dass es jetzt in der Formel 1 so gut läuft. Das Engagement zahlt sich aus.”

APA: Ein anderes Team sucht einen tauglichen Ersatzfahrer. Würde GerhardBerger am Donnerstag nicht 50 sondern 40 werden, würde es ihn reizen, noch einmal in den Ferrari zu steigen?

Berger: “Das kann ich nicht beantworten, das ist doch ein wenig zu weit weg. Aber einem Michael Schumacher würde ich es schon noch einmal zutrauen, vorne mitzufahren. Er beschäftigt sich ständig mit der Materie und lebt praktisch auf der Rennstrecke. Mir tut es nach 30 Jahren einmal gut, nicht mehr so involviert zu sein.”

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