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"Geierwally"-Geier Kinga fast 70

Salzburg - In der Ludwig-Ganghofer-Verfilmung "Geierwally" mit Barbara Rütting ist "Kinga" 1956 zum Co-Star geworden. Mit seinem Flug über die Alpen verkörperte der Gänsegeier ein Sinnbild von Freiheit in idyllischer Natur.

Die grenzenlose Freiheit kennt “Kinga” vielleicht nur aus ihrer Kindheit, denn die betagte Vogeldame lebt seit 60 Jahren im Adlergehege am Obersalzberg in Bayern. Sie ist mit ihren knapp 70 Jahren mittlerweile der älteste “Filmgeier”, wie Tiertrainer Wolfgang Czech bei einem APA-Lokalaugenschein erzählte.

“Komm Schatzi, bildhübsch bist du”, schmeichelt der Falkner, als er den 69-jährigen Geier aus seinem Gehege lockt. Kinga rennt ihm nach wie ein Hund, hüpft auf einen Steintisch und zerfetzt ihre Lieblingsspeise, einen Windbeutel aus Brandteig. Das “Klick-klick” des Fotoapparates stört sie nicht, das ist sie von den täglich 50 bis 500 Besuchern gewohnt. Anmutig flattert sie mit den Flügeln und zeigt ihre Spannweite: fast 2,80 Meter. Sie weiß sich zu präsentieren: Immerhin wirkte sie in mehr als 20 Filmen mit. In “Tierarzt Dr. Engel” oder in “Terra X”, wo sie in Burghausen einen Totenkopf zerfetzte und ihr Czech dafür Butter als Köder hineinschmierte.

“Butter mag sie gerne. Beim Filmen wird viel getrickst, die Szenen werden zusammengeschnitten. So viel Training war nicht nötig”, schilderte Czech. Ein Stück Fleisch genügt, schon geht Kinga in die Transportkiste. Doch wer glaubt, der Bayer ist für diesen zahmen und “geselligen” Geier das Alphatier, hat sich getäuscht. “Ich bin der Futterträger, nicht der Boss. Wenn es ums Fressen geht, ist es aus mit der Freundschaft. Und sie beißt zur Gaudi. Nicht nur Besucher, die sie streicheln wollen, sondern auch mich.”

Der braun gefiederte Vogel mit dem weißen Federkragen darf in dem Adlergehege frei herumspazieren. Früher unternahm Kinga Ausflüge in die Umgebung. Einmal konnte sie wegen mangelnder Thermik nicht mehr auf den Obersalzberg zurückfliegen. Sie saß auf der Straße nahe der Grenze zu Salzburg fest. “Man wusste nicht, wem der Geier gehörte. Deshalb wurde Kinga im Salzburger Zoo Hellbrunn abgeliefert. Als mein Vater kam und sie beim Namen rief, flog sie gleich auf seine Hand”, erzählte der 54-jährige Trainer.

Fliegen kann Kinga nicht mehr gut. Vor zehn Jahren prallte sie gegen eine Stromleitung, seitdem fehlen Federn am rechten Flügel. “Sonst ist sie gut beieinander. Sie bekommt Kadaver und vitaminreiche Kost, anscheinend ihr Lebenselixier. Gänsegeier werden in freier Natur im Schnitt 40 Jahre alt.” Czech ist mit Kinga aufgewachsen. Sein Vater Rudolf kaufte sie Anfang der 1950er Jahre von einem Tierhändler aus Jugoslawien und brachte sie auf den Obersalzberg. “Er hatte eine besondere Liebe zu ihr. Zur Zeit der Ganghofer-Verfilmung war sie auch der einzige zahme Geier.” Laut Czech leben derzeit 70 Gänsegeier – sie werden auch Weißkopfgeier genannt – in freier Wildbahn in den Tauern.

Seit 1953 ist das Gehege mit angeschlossener Pflegestation für Reptilien auf dem Areal der ehemaligen Adjutantur des Dritten Reiches am Obersalzberg untergebracht – etwa fünf Gehminuten vom Dokumentationszentrum entfernt. In der Obhut des geprüften Falkners und Jägers stehen auch Uhus, Falken, Adler, Murmeltiere und Fische. Einige von ihnen schlüpften wie Kinga in Filmrollen. Das Gehege ist von Mai bis Oktober geöffnet.

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