Mehr als 60 nichtstaatliche Organisationen und zahlreiche Künstler und Intellektuelle haben die Kundgebung, für die seit Anfang dieser Woche auch in Medien geworben wird, öffentlich unterstützt. Führende Parteien zeigten sich eher zurückhaltend.
Staatschef Boris Tadic habe seinen Standpunkt im Frühjahr bekundet, als er ein Gesetz zur Bekämpfung der Diskriminierung unterzeichnet habe, das sich auch auf die Homosexuellen bezieht, heißt es laut der Tageszeitung “Danas” im Amt des Präsidenten. Derselbe Standpunkt wird auch vom kleinen Bündnispartner der regierenden Demokratischen Partei Tadics, der Expertenpartei G17-plus, vertreten. An der “Belgrad-Pride” will soweit bekannt nur der Chef der oppositionellen Liberaldemokratischen Partei (LDP), Cedomir Jovanovic, samt Familie – Frau und drei Kinder – teilnehmen. Die LDP sei auch an der Vorbereitung des Antidiskriminierungsgesetzes direkt beteiligt gewesen, verlautete aus der Oppositionspartei.
“In diesem Staat darf niemand bedroht werden”, zeigte sich der Innenminister und Chef der mitregierenden Sozialisten Ivica Dacic entschlossen. Die Polizei werde am Sonntag alles unternehmen, um Frieden und Ordnung zu sichern, versicherte Dacic wiederholt. Leicht dürfte sie es nicht haben. Wie am heutigen Dienstag die Tageszeitung “Politika” unter Berufung auf Polizeiinformationen berichtete, dürften Fußballfans, ultra-nationalistische und religiöse Organisationen – erwartet werden auch ihre Anhänger aus der bosnischen Republika Srpska – am Sonntag vermehrt auch Überfälle auf Ordnungshüter vorhaben, die für die Sicherheit der “Belgrad-Pride” sorgen sollen. Möglich seien auch Ausschreitungen außerhalb des Stadtzentrums, was die Aufmerksamkeit der Polizei von der Schwulenparade ablenken sollte. Dies dürfte wiederum zu Angriffen auf ihre Teilnehmer ausgenutzt werden, befürchtet die Polizei.
Während aus führenden Gruppen der Fußballfans unterdessen beteuert wird, dass man am Sonntag nur einen “ruhigen Gegenprotest” vorhabe, macht die nationalistische Organisation “Obraz” (Antlitz) keinen Hehl aus ihren Absichten. “Wir warten auf euch”, steht in von “Obraz” unterzeichneten Graffiti, die in den letzten Tagen erneut in Belgrad aufgetaucht sind. Vor einigen Wochen ließen die Stadtbehörden homosexuellenfeindliche Graffiti in der Hauptstadt bereits einmal wegschmieren. Es sei “allen bekannt”, dass die “riesige Mehrheit des serbischen Volkes” gegen die Schwulenparade sei, meinte “Obraz”-Generalsekretär Mladen Obradovic für “Politika”. “Die Organisatoren (der “Belgrad-Pride”) werden daher die Hauptverantwortung für alles tragen, was passieren wird”, drohte Obradovic.
Eine frühere Meinungsumfrage hatte einen hohen Homophobie-Ausmaß an den Tag gelegt. Demnach würden mehr als zwei Drittel der Serben die Homosexualität für eine Krankheit halten, nur zehn Prozent würden eine positive Haltung zu Homosexuellen haben. Eine öffentliche Kritik holte sich im Juli auch der Belgrader Bürgermeister Dragan Djilas mit der Feststellung ein, dass die “sexuelle Orientierung zur Privatsphäre” gehöre und nicht öffentlich vorgetragen werden solle. Er sei um die Sicherheit von Teilnehmer der Schwulenparade besorgt, korrigierte sich danach Djilas.
Eine der Belgrader Homosexuellenverbände hat sich nun an die serbisch-orthodoxe Kirche mit der Bitte gewandt, ihre Gläubigen aufzufordern, am Sonntag auf Gewalt zu verzichten. Die Gruppen, die zur Gewalt gegen die Teilnehmer der Schwulenparade aufforderten, würden sich selbst für Orthodoxe halten, stand es in einer Aussendung vom Gay- und Lesbeninformationszentrum GLIC.
Gemäß früheren Ankündigungen dürften sich am Sonntagvormittag etwa 300 Schwule im Belgrader Stadtzentrum versammeln. Die Veranstalter haben schon vor einiger Zeit den Teilnehmern Verhaltens-Richtlinien bekanntgegeben. “Nicht in größeren Gruppen ankommen, enge Straßen meiden”, heißt es unter anderem darin. Auch auf auffallende Kleidung solle bei der Ankunft und nach der Parade verzichtet werden. Auf dem Belgrader Studentenplatz, wo die Kundgebung stattfinden soll, werden Umkleidekabinen zur Verfügung stehen.
Bei der bisher letzten Schwulenparade in Belgrad im Jahr 2001 hatten Fußballfans, Ultra-Nationalisten und Rechte Teilnehmer der Veranstaltung attackiert. Dutzende wurden verletzt.
Amnesty International um Homosexuelle in Serbien besorgt
Die serbischen Behörden müssten das Recht aller Menschen auf friedliche Versammlungen und freie Meinungsäußerung gewährleisten und die Teilnehmer der “Belgrade Pride” schützen, forderte die Menschenrechtsorganisation in einer am Montag veröffentlichten Erklärung.
Homosexuelle würden in Serbien “sogar in der Zivilgesellschaft marginalisiert”, hieß es in der Erklärung. Den Behörden warf Amnesty Untätigkeit bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Homosexuelle vor. Ermittlungen der Polizei nach Angriffen gegen Homosexuelle würden selbst dann häufig nicht zu Ende geführt, wenn die Täter bekannt seien.
Bei der bisher letzten Schwulenparade in Belgrad im Jahr 2001 hatten Fußballfans, Ultra-Nationalisten und Skinheads Teilnehmer der Veranstaltung attackiert. Die Veranstalter der für kommenden Sonntag geplanten Schwulenparade berichteten laut Amnesty von “ernstzunehmenden Warnungen von rechten und religiösen Gruppen”.
Den Behörden fehle der “politische Wille”, Menschenrechtsaktivisten zu beschützen, erklärte Amnesty. Angriffe auf Leben und Besitz von Aktivisten würden nur selten zügig und unparteiisch untersucht, wenige Täter würden zur Rechenschaft gezogen. Dies betreffe unter anderem auch Frauenrechtsaktivistinnen, die Ultranationalisten wegen ihres Einsatzes für die Unabhängigkeit des Kosovos und für eine Aufklärung der in den 1990er Jahren auf dem Balkan verübten Kriegsverbrechen als “antiserbisch” darstellten.