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Gas-Konferenz in Wien: Nachhaltiges Energiesystem nötig

Laut OMV-Chef Alfred Stern könne der Ausstieg aus Erdgas nicht von heute auf morgen erfolgen.
Laut OMV-Chef Alfred Stern könne der Ausstieg aus Erdgas nicht von heute auf morgen erfolgen. ©REUTERS (Symbolbild)
Laut OMV-Chef Alfred Stern könne der Ausstieg aus Erdgas nicht von heute auf morgen erfolgen, bevor nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt sei.
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OMV-Chef Alfred Stern, der am Dienstag eine Keynote-Rede bei der Wiener Gas-Konferenz halten wird, zeigt Verständnis für die Forderung nach einem raschen Ausstieg aus der Nutzung von Erdgas. "Tatsache ist, dass wir in der Transformation unseres Energiesystems zu langsam sind", sagte Stern am Montag zur APA.

OMV-Chef zeigt Verständnis für die Forderung nach Ausstieg

Proteste von Umweltaktivisten müssten in einer Demokratie möglich sein, "solange sie rechtskonform abgehalten werden, ist es Teil unserer Meinungsvielfalt, die wir in einer Demokratie leben und alle schätzen", sagte Stern im Gespräch mit der APA. "Aber Fortschritt wird durch Kooperation und nicht durch Eskalation erzeugt, und auch nicht durch Emotionen."

"Mittlerweile hat ein Großteil der Menschen erkannt, dass wir gegen den Klimawandel was tun müssen, und dass wir das so schnell wie möglich tun müssen. Aber es muss uns auch ganz klar sein, dass wir ein Energiesystem nicht über Nacht transformieren können und dass es nicht möglich ist, das bestehende Energiesystem einfach abzustellen, bevor wir nicht ein neues, nachhaltigeres Energiesystem aufgestellt haben."

Gas-Konferenz findet in Wien statt

"Diese Transformation braucht die Energieunternehmen, die heute am Markt sind, weil dafür enorme Investitionen notwendig sind", so Stern. "Dabei geht es nicht nur um das Geld, sondern um die praktische Umsetzung von solchen Projekten. Es gibt auf der Welt nicht so viele Firmen, die die Kompetenz und die Ressourcen haben, um das zu tun."

Deshalb habe sich die OMV in ihrer Strategie das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu sein. Das bedeutet, dass sie dann bei ihrer Produktion keine Emissionen mehr erzeugen will und auch bei der Nutzung ihrer Produkte keine Emissionen entstehen sollen.

Die Europäische Gaskonferenz findet bereits seit einigen Jahren in Wien statt. Früher war dort auch die russische Gazprom stark vertreten, das Treffen diente zum Austausch mit den europäischen Geschäftspartnern. Heuer dreht sich die Konferenz hingegen vor allem darum, wie Europa unabhängig vom russischen Gas werden kann, hieß es am Montag etwa im "Ö1-Mittagsjournal". Investoren und Analysten würden sich dort über die Marktsituation austauschen, Gasdeals würden auf der Konferenz jedoch keine geschlagen. Themen sei beispielsweise die Versorgung mit Flüssiggas, aber auch die Entwicklung von grünem Wasserstoff.

Proteste von Klimaaktivisten gegen die Gas-Konferenz in Wien

Gegen die Konferenz hat es am Montag in der Früh in unmittelbarer Nähe des Tagungshotels auf der Ringstraße Proteste von Umweltaktivistinnen und -aktivisten gegeben. Eine der nicht-angemeldeten Kundgebungen wurde von der Polizei unter Einsatz von Pfefferspray aufgelöst, eine weitere konnte ungehindert weiter gehen, und wurde in eine "Marschkundgebung" umgewandelt.

An der Gas-Konferenz nehmen auch Vertreterinnen und Vertreter aus dem Klimaschutz- und dem Finanzministerium auf Fachebene teil. "Der Umbau unseres Energiesystems am Weg zur Klimaneutralität 2040 ist eine wichtige Aufgabe - in diesem Zusammenhang brauchen wir auch eine Veränderung der bestehenden Infrastruktur für Erdgas im Hinblick auf die Produktion, Lagerung und den Transport von erneuerbaren Gasen", heißt es aus dem Klimaschutzministerium. "Diese Themen werden bei der Konferenz behandelt. Zudem wird auch über den gemeinsamen Gaseinkauf der EU gesprochen. Österreich hat dieses Vorgehen immer unterstützt, weil es ein wichtiger Baustein unseres Ausstiegsplans aus russischem Erdgas ist." Regierungsmitglieder seien hingegen nicht auf der Konferenz vertreten.

Stern: Ausstieg aus Öl und Gas kurzfristig nicht möglich

OMV-Chef Alfred Stern sieht Öl und Gas nicht als Wachstumsmarkt in Europa - aber man werde auch in Zukunft noch bei der OMV Benzin und Diesel tanken können und auch Erdgas werde weiter benötigt. "Man kann natürlich von der OMV fordern, aus Öl und Gas heute auszusteigen. Ich kann morgen meine Raffinerie schließen, ich kann alle Bohrlöcher verschließen - dann ist die OMV auch weg", sagte Stern. Allerdings generiere die OMV 1,6 Prozent von Österreichs Bruttosozialprodukt.

Wo die OMV aber bald wieder aussteigen will, das ist die Öl- und Gas-Exploration und -produktion (E&P) in Malaysia und Neuseeland. Hier erkunde man derzeit das Interesse möglicher Käufer, sagte der OMV-Chef am Montag im Gespräch mit der APA. In der Region Asien-Pazifik produziert die OMV 59.000 boe (Fässer Öl-Äquivalent) pro Tag, das sind rund 15 Prozent der OMV-Gesamtproduktion von 392.000 boe pro Tag. Man habe festgestellt, "dass wir gar keine Möglichkeit sehen, das Gas von dort irgendwie in unsere Kernmärkte in Europa zu bringen". Die OMV verfolgt die Strategie, Öl und Gas nicht nur zu fördern und zu verkaufen, sondern auch selbst zu verarbeiten.

Stern würde gerne aus Beteiligung am Gasfeld Juschno-Russkoje aussteigen

Aussteigen würde Stern gerne auch aus der Beteiligung am russischen Gasfeld Juschno-Russkoje, die man bereits fast zur Gänze abgeschrieben hat. "Aber um etwas verkaufen zu können, müssen Sie einmal jemanden finden, der das auch kaufen will und es auch kaufen darf." Dafür brauche man in Russland auch die entsprechenden Genehmigungen. "Das ist zur Zeit aufgrund der Rechtslage extrem schwierig." Forderungen nach einem sofortigen Rückzug aus Russland zeugen für Stern von einem "sehr vereinfachten Rechtsverständnis. Ich könnte als OMV-Chef beispielsweise diese Verträge zerreißen hier in Wien, das ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir nach wie vor dort beteiligt sind."

Dass die OMV aufgrund der bestehenden Lieferverträge nach wie vor Erdgas aus Russland bezieht, sei "sanktions- und gesetzeskonform", betonte Stern. "Tatsache ist, dass Gas bisher nicht unter Sanktionen steht. Wir haben nicht den Luxus, Gas aus legitimen Lieferquellen abzulehnen - insbesondere auch, wenn wir Verträge haben, die uns zur Abnahme verpflichten." Anders sehe es bei Erdöl aus: Man habe bereits vor dem Eintreten der Sanktionen russisches Öl aus den OMV-Raffinerien entfernt und importiere auch keine russischen Ölprodukte wie Diesel.

OMV-Chef: Kein Verständnins für Forderung nach Offenlegung der Lieferverträge

Kein Verständnis hat der OMV-Chef für die wiederholte Forderung nach einer Offenlegung der Lieferverträge mit dem russischen Gazprom-Konzern. "Bei den Gasverträgen handelt es sich um privatrechtliche Verträge, die - wie bei solchen Verträgen auch üblich - eine Vertraulichkeitsklausel enthalten. Das heißt, wenn wir als OMV einseitig solche Verträge offenlegen, dann werden wir vertragsbrüchig." Der OMV-Aufsichtsrat sei über den Inhalt der Verträge informiert, aber ebenso wie der Vorstand zur Vertraulichkeit verpflichtet. Der österreichische Staat sei zwar mit 31,5 Prozent an der OMV beteiligt, nach dem Aktiengesetz müsse man aber alle Eigentümer gleich behandeln und daher könne man keine Ausnahmen machen und nur einen Teil der Eigentümer über den Inhalt der Verträge informieren.

Zusätzliches Gas könnte künftig aus dem Schwarzen Meer kommen, wo wie berichtet bis zum Sommer die Investitionsentscheidung über das "Neptun"-Projekt fallen soll. "So, wie es zur Zeit aussieht, ist dieses Neptun-Gasfeld groß genug, dass Rumänien zusätzlich mit den anderen Förderquellen möglicherweise einen Überschuss an Gas hat und es auch exportieren könnte." Dieses Gas könnte z.B. über die Slowakei nach Österreich befördert werden. Das gesamte Investitionsvolumen wird mit rund 4 Mrd. Euro beziffert, die OMV ist an dem Projekt über ihre Tochter OMV Petrom zu 50 Prozent beteiligt.

OMV setzt längerfristig auf erneuerbare Energien

Längerfristig setzt die OMV aber auf erneuerbare Energien, weil der Bereich besonders stark wächst. "Wir wollen uns in Richtung nachhaltige Kraftstoffe, Chemie und Materialien entwickeln. Wir werden aber als integriertes Unternehmen weiterhin in drei Bereichen tätig sein: Energie, Fuels & Feedstock und Chemicals & Materials". Mit der Wien Energie habe man ein Geothermie-Joint-Venture für die Fernwärme in Wien. Letztes Jahr habe man in Rumänien gemeinsam mit dem staatlichen Stromversorger Oltenia ein großes Photovoltaik-Projekt mit 450 Megawatt Leistung bekannt gegeben.

Grundsätzlich sei er "ein großer Freund von Technologie-Offenheit", sagte Stern. "Wir müssen alles einsetzen, was wir können." Die OMV selbst setze aber auf den schwer zu elektrifizierenden Bereich. "Ich glaube, es würde keinen Sinn machen, wenn sich alle Bauern einen elektrischen Traktor anschaffen würden." Dort könnte man mit nachhaltigen Kraftstoffen wie E-Fuels arbeiten. Auch das Interesse der Airlines wie etwa der AUA sei in dem Bereich groß. Im Privatverkehr spreche die Effizienz aber sehr für Elektrofahrzeuge.

Das Niveau der Gaspreise wird dauerhaft hoch bleiben, meint der OMV-Chef, da die Kosten für LNG höher seien als bei Pipeline-Gas. Die Nachfrage aus Asien sei im vergangenen Jahr relativ gering gewesen, weil China im Lockdown gewesen sei, "aber wenn diese Nachfrage zurückkommt, wird das natürlich dazu führen, dass die Marktpreise im globalen Wettbewerb nach oben gehen werden". Zuletzt seien die Gaspreise zwar wieder zurückgegangen, "aber mit 40 Euro pro Megawattstunde sind wir noch immer auf dem doppelten Niveau wie vor dem Ukraine-Krieg".

(APA/Red)

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