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Gar keine Kindergärten in Gottes Namen

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber: Integrationsminister Kurz hat eine wichtige Debatte eröffnet. Jetzt muss untersucht werden, ob bei islamischen Kindergärten tatsächlich ein Versagen vorliegt. Reformen wären dann überfällig.

Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) gibt nicht nur den Empörten, er ist es auch: Bei den islamischen Kindergärten gebe es in der Bundeshauptstadt seit Jahren eine massive Fehlentwicklung, sagt er: Tausende Buben und Mädchen werden demnach abgeschottet, Parallelgesellschaften herangezogen. Sozialdemokraten, wie die zuständigen Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger, sind ebenfalls empört: Sie vermuten allerdings, dass Kurz nur politisches Kleingeld wechseln möchte. Was ein ähnlich starker Vorwurf ist, wie jener, den er betreffend der Zustände in den Kindergärten erhebt. Beides müsste Folgen haben.

Gehen wir davon aus, dass die Darstellung zutreffend ist, die Kurz mithilfe des Islamwissenschaftlers Ednan Aslan skizziert hat: Dann ist es so, dass kleine Fundamentalisten ausgebildet werden, die all jene meiden, die ein Bier trinken oder ein Schweineschnitzel essen. Und die Frauen und Männer, die in unehelichen Beziehungen leben, nicht einmal respektieren. Kindergärten, in denen all das vermittelt wird, wären ohne jeden Zweifel indiskutabel – und müssten unverzüglich zugesperrt werden.

Zunächst aber stellt sich die Frage: Wie konnte es überhaupt zu solchen Verhältnissen kommen? Über diese Antwort dürfte man sich nicht hinwegschwindeln, indem man, wie nun vereinbart, nur eine weitere Studie erstellen lässt. Zumal es hier vor allem auch um die politische Verantwortung einer oder mehrerer Stadträtinnen und möglicherweise Bundesregierungsmitglieder geht. Haben sie weggeschaut? Oder sind die Geschichten so, wie sie jetzt vorliegen, nicht korrekt? Das zu klären müsste auch im Interesse von Sebastian Kurz sein. Schließlich ginge es hier um ein grundsätzliches Problem, das gelöst werden müsste.

Allfällige Auswüchse wären ja bezeichnend für das gesamte Bildungssystem, in dem es keine ordentliche Trennung zwischen Kirche und Staat gibt. So werden Religionslehrer von allen Steuerzahlern finanziert. Was sie unterrichten, ist aber schon nicht mehr Sache der Allgemeinheit; das bestimmen die Religionsgemeinschaften.

In einer Grundrechtsdemokratie geht das zu weit: Hier hat der Staat dafür zu sorgen, dass Buben und Mädchen nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, sondern auch gewisse Werte und aufgeklärtes Denken. Kirchen können das ergänzen; ihnen darf das aber nicht von allem Anfang an überlassen werden. Widerwärtige Ansichten zu Nächstenliebe und Sexualität, die reaktionäre Vertreter nicht nur der muslimischen, sondern auch der katholischen Szene predigen, sollten als Begründung dafür ausreichen.

Jedenfalls wird Kurz nicht nur Gesetzesänderungen vornehmen können, die sich auf muslimische Kindergärten beschränken. Was, nebenbei bemerkt, vielleicht auch der Grund dafür ist, dass sich Kardinal Schönborn und Co. bisher so zurückgehalten haben: Sie wissen, dass sie letzten Endes auch davon betroffen sein werden.

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