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Ganz Wien ist inhaftiert

©APA/HANS PUNZ
Gastkommentar von Johannes Huber. Es gibt keinen Grund, Bundesgärten geschlossen zu halten. Außer einen parteipolitischen im Hinblick auf die kommende Gemeinderatswahl.

Die Coronakrise ist für niemanden leicht. Die 1,9 Millionen Frauen, Männer und Kinder, die in Wien leben, werden jedoch schikaniert. Vom Virus selbst sind sie bisher weitestgehend verschont geblieben. Die Freiheitsbeschränkungen, denen sie unterworfen sind, ähneln aber denen, die vorübergehend in Tirol existierten, wo es gemessen an der Bevölkerung vier Mal mehr Infizierte gibt bzw. gegeben hat. Erholung im Grünen oder einfach nur außerhalb der eigenen vier Wände ist nur sehr, sehr eingeschränkt möglich. Gerade bei den frühlingshaften, ja fast schon sommerlichen Verhältnissen draußen ist das eine echte Qual.

Konkret: Vor den Toren der Stadt sind Wienerinnen und Wiener nicht willkommen, um es vorsichtig zu formulieren. „W-Ausflügler Stopp!!!“, heißt es Medienberichten zufolge auf Tafeln im niederösterreichischen Naturpark Föhrenberge: „Bleiben Sie zu Hause in Wien und respektieren Sie auch bitte unseren Lebensraum.“ Klosterneuburg hat dafür gesorgt, dass bei Zweitwohnsitzern in Kritzendorf kein Wasser aus der Leitung kommt. Und Bürgermeister des Ausseerlandes (Salzkammergut) gingen wiederum gegen Wochenendpendler vor, mussten hinterher aber eingestehen, dass das superdumm war. Kein Wunder: Seit Jahren leben sie nicht zuletzt auch vom Geld, das diese Leute bringen – und jetzt sind sie extrem fremdenverkehrsfeindlich.

Schlimm für die Wienerinnen und Wiener ist, dass auch in der Stadt selbst gegen sie vorgegangen wird: Virologen sagen immer, wie wichtig es sei, an die frische Luft zu gehen. Psychologen können nur bekräftigen, dass Tapetenwechsel in Zeiten wie diesen unverzichtbar sind. Politiker stellen jedoch Hürden auf: Rein medizinisch gibt es keinen Grund, dass zum Beispiel alle Museen geschlossen sind. Im Unterschied zu einem Kino oder einem Theater würden sich die Bucherströme bestens begrenzen und regulieren lassen, sodass immer genügend Sicherheitsabstand gewährleistet wäre.

Sachlich überhaupt nicht nachvollziehbar ist die Schließung der Bundesgärten auch noch über die Osterfeiertage. Die Bundesgärten! Schönbrunn, Augarten und Co. bilden zusammen 230 Hektar Grünfläche, die seit Wochen fehlen. Konsequenz: Am Donaukanal, im Prater und auf der Donauinsel herrscht umso größeres Gedränge und damit auch entsprechende Ansteckungsgefahr. Danke!

Diese böswillige Aktion kann eher nur parteipolitisch motiviert sein: ÖVP-geführte Bundes- gegen SPÖ-geführte Stadtregierung. Fakt ist, dass erstere dafür verantwortlich zeichnet, dass die riesigen Parks noch zu sind. Den Unmut der Bevölkerung bekommt jedoch letztere zu spüren. Das merkt man daran, wie sehr sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dagegen wehrt: Er weiß, dass ihm das im Hinblick auf die Gemeinderatswahl im kommenden Herbst schaden könnte. Sprich: Der Wahlkampf ist eröffnet, 1,9 Millionen Frauen, Männer und Kinder sind Opfer davon.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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