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Gabalier-Tourauftakt in Innsbruck: Gipfelmuskelspiele

©APA
Das Phänomen, es kann vor (Erfolgs-)Kraft kaum noch laufen: Am Karrieregipfel beging Andreas Gabalier, kommerziell erfolgreichster heimischer Populärkünstler, Donnerstagabend den Auftakt des Österreichteils seiner Hallentour in der mit 10.000 Menschen rappelvollen Innsbrucker Olympiahalle. Eine routinierte Machtdemonstration inmitten einer sich am Ereignis wärmenden bedingungslosen Gefolgschaft.
Andreas Gabalier in Innsbruck
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Eineinhalb Minuten lang liegt er am Boden auf der Rampe, die hinausragt in die jubelnde Menge, überraschenderweise nicht in der Überzahl in Tracht. Er zeigt kaum Regungen, schaut hinauf auf das mit zahlreichen Scheinwerfern versehene Hallendach. Dann hält er sich die Hände vors Gesicht, schüttelt ein wenig den Kopf und beginnt sich langsam aufzurappeln. Dann steht er da, sichtlich muskelbepackt, verschwitzt, in seiner “Arbeitsuniform” mit Lederhose und ärmellosen Gilet und raunt: “Wahnsinn”.

“Ich singe um mein Leben”

Man schreibt 22.00 Uhr, zwei Stunden nach Konzertbeginn. Andreas Gabalier hatte gerade seinen Partykracher “Hulapalu” zum Besten gegeben, war wie ein Irrwisch über die Bühne gefegt – und hatte seine “Jünger” in Ekstase versetzt. “Ich singe um mein Leben. Diese Tour ist die größte Herausforderung. Danke, dass ihr mit mir ein Lebenshighlight nach dem anderen durchwandert”, sagt er dann noch, als er wieder Boden unter den Füßen hat. Der Mann der großen Pose und des großen, auch verbal zur Schau gestellten Pathos.

Nur zwei der vielen Mosaiksteine dieses, umstrittenen, Gesamtkunstwerks. Die Musik ist darunter zwar beileibe nicht der einzig entscheidende, doch immer noch der größte und wichtigste. Zweieinhalb Stunden lang konzertiert der 34-jährige Steirer in Innsbruck, ohne Pause. Mit körperlichem Brachialeinsatz, meist sicherer, markant rauchiger Stimme, spielt Akustikgitarre und Ziehharmonika (das Klavier findet diesmal keinen Platz) und stützt sich dabei auf eine hervorragende Band aus Dirndlkleid-Backgroundsängerinnen und beachtlichen Rockgitarristen mit ebensolchen Soli. Selbst Puristen-Kritiker mit gerümpfter Nase müssen – rein musikalisch betrachtet – zugestehen: Das ist nicht Nichts.

Das Gabalier’sche Erfolgsgeheimnis lüften diese Erkenntnisse zweifelsohne nicht. Es liegt schon eher an dem in dieser Form mit einem Alleinstellungsmerkmal behafteten Produkt, das auch in Innsbruck einmal mehr präsentiert wurde: Dieses Gemisch aus manchmal ins Schlagereske hinübergleitendem Heimatpop gepaart mit Rockelementen und volkstümlichen Drüberstreuungen.

Zeitmaschine

Beim Programm macht Gabalier erwartungsgemäß keine Gefangenen, vermeidet allzu Experimentelles. Dargeboten werden zu rund 40 Prozent Nummern seines im Sommer erschienenen und im gesamten deutschsprachigen Raum die Charts gestürmt habenden Albums “Vergiss mein nicht” – wie etwa das rockige “Verdammt lang her” gleich zu Beginn. Dabei taucht der “Volks-Rock’n’Roller” aus einer Art auf die Bühne projizierten Zeitmaschine auf. Die restlichen 60 Prozent verteilen sich auf All-Time-Hits aus einer atemberaubenden, bereits zehn Jahre dauernden Karriere. Längen entstehen erstaunlicherweise nicht, am eindrücklichsten wirkt Gabalier noch immer bei seinen Herz-Schmerz-Lagerfeuer-Balladen wie “So liab hob i di”, dem vieles in den Schatten stellenden, ein Lichtermeer erzeugenden “Amoi segn’ ma uns wieder” oder auch dem neuen “Hinterm Horizont” – in Erinnerung an seine verstorbene Oma.

Das eigentliche Erfolgsgeheimnis ist aber der Protagonist Gabalier selbst. Der Bühnen-Emotionsarbeiter, die Rampensau, der Mann mit den vielen Gesichtern. Die Menschen, die zu ihm strömen, wollen einem Ereignis beiwohnen – und Gabalier liefert ihnen eine kunterbunte Angebotspalette. Gibt den Machobuben, dem man vieles verzeiht (“Der politisch unkorrekte Lausbua in der Lederhosen singt die Bundeshymne so wie es sich gehört”), den guten Onkel für die anwesende Kinderschar, den einzelgängerischen Mahner in der Wüste. Seine Paraderolle ist die des volksnahen Volkshelden – einer, der ganz oben ist, aber trotzdem “bei euch”.

Gabalier berauscht sich teilweise am eigenen Erfolg, flicht wieder und wieder Hinweise auf ausverkaufte Arenen und Stadien im gesamten deutschsprachigen Raum ein – und schafft es doch, Nähe und Bodenhaftung zu vermitteln. Ein Menschenfischer der Mainstreamunterhaltung. Generationenübergreifende Anteilnahme ist die Folge, so auch in Innsbruck.

Der noch bis 15. Dezember laufenden Hallentour folgt eine ausgiebige Stadiontour im kommenden Sommer. “Bereits jetzt zu 85 Prozent ausverkauft”, wie PR-Fachmann Gabalier stolz anmerkte. Mit dem Highlight im Ernst-Happel-Stadion im August 2019. Sein Platz am Gipfel dürfte noch längere Zeit nicht frei werden.

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