"Wieso sind Sie hier?", fragt ein Insasse den frisch angekommenen Gefängnislehrer Hannes Fuchs in Arman T. Riahis neuem Film "Fuchs im Bau". Das Geheimnis, warum es einen nicht abgewirtschafteten Enddreißiger ausgerechnet in den Häfn zum Unterrichten zieht, gibt dieses als kluges Kammerspiel angelegte und mit tollem Cast ausgestattete Drama erst gegen Ende. Nach seiner Rolle als Eröffnungsfilm der heurigen Diagonale ist das Werk nun ab Freitag regulär im Kino zu sehen.
Fuchs im Bau - Kurzinhalt zum Film
Hauptschauplatz ist eine große Haftanstalt in Wien. Dort trifft der nicht gerade souveräne Anfänger Fuchs (Aleksandar Petrovic) auf die routinierte Knastpädagogin Elisabeth Berger, einem philanthropischen Sturschädel mit Alt-68er-Einschlag (Maria Hofstätter). Ihre eigenwilligen Unterrichtsmethoden, die Kreativität und Herzensbildung in den Vordergrund stellen, sind der Anstaltsleitung - allen voran dem obersten Wachebeamten der Jugendabteilung Ernst Weber (Andreas Lust) - schon länger ein Dorn im Auge. Also wird ihr Fuchs in einem ersten Schritt als Assistent zur Seite gestellt, damit er sie alsbald ablöse und wieder mehr Ordnung und Disziplin in die Gefängnisschule bringe.
Die Ausleuchtung dieser beiden vermeintlichen Gegenspieler, die mehr gemeinsam haben als vermutet und am Ende zu einem solidarischen Zweigespann zusammenwachsen, ist aber nur eine der reizvollen Facetten dieses Films. Denn der will mehr: Eine der jungen Insassinnen, die schweigsame 16-jährige Samira (Luna Jordan), schlägt ausgerechnet an dem Tag, an dem Fuchs erstmals für kurze Zeit allein die Klasse beaufsichtigt, einen Mitschüler blutig, nachdem er sie körperlich bedrängt hat. Sie, die einsitzt, weil sie ihren Vater ins Koma geprügelt hat, kommt in Isolationshaft und beginnt, sich selbst zu verletzen.
Gerade diese schwierige Persönlichkeit hat es Fuchs angetan. Er will das Mädchen, das sich - wie sich immer mehr herausstellt - in ihrem eigenen Körper fremd fühlt und deshalb von ihrer Familie gepeinigt wird, unbedingt retten. Und in Rückblenden wird klar, welchen tragischen Verlust Fuchs, vormals Drummer in einer Rockband, mit seinem Bußgang in die Haftanstalt eigentlich wettzumachen versucht.
Fuchs im Bau - Die Kritik
Erstaunlich ist, wie gut es Riahi gelingt, den Mikrokosmos Gefängnisschule atmosphärisch zu vermitteln. Dazu tragen das geschätzte Dutzend an wunderbaren multiethnischen Laiendarstellern - teils mit realem Haftbackground - bei, das der Regisseur und sein Team in einem einjährigen Castingprozess zusammengestellt haben. Das sorgt für "Street Credibility" und einen unverkrampft-humorigen Grundton. Authentisch wirkt der Häfn-Alltag insofern, als er auf Erfahrungen des inzwischen pensionierten Sonderpädagogen der Justizanstalt Josefstadt, Wolfgang Riebniger, inspiriert ist. Ihn hatte Riahi bei Recherchen für seine erste Doku "Schwarzkopf" (2011) über den Rapper Nazar kennengelernt, Bergers Charakter ist ihm nachempfunden.
Nach der bissigen Erfolgskomödie "Die Migrantigen" (2017) zeigt der im Iran geborene und in Wien aufgewachsene Riahi mit seinem neuen, bereits mit dem Max-Ophüls-Preis prämierten Werk, dass er auch im ernsten Fach bestens aufgehoben ist. "Fuchs im Bau" ist ein stimmiges Drama, das trotz aller Härte das skurrile Vergnügen nicht hintanhält - etwa wenn Berger und Fuchs eine extra dafür aus der Mauer gestemmte Tür herankarren, um die Teenager einmal symbolisch in die Freiheit treten zu lassen.
Es ist aber gerade in einer Zeit, in der hierzulande rege über den Strafvollzug diskutiert wird, ein unpathetisches Plädoyer für einen von Respekt und Herzenswärme geprägten Umgang mit seelisch verwundeten Jugendlichen. "Wir korrigieren, was in der Gesellschaft falsch gelaufen ist", beschreibt der Justizbeamte Weber einmal seinen Law-and-Order-Kurs. Zumindest in Riahis Bau setzt er sich damit am Ende nicht durch.
(APA/Red)