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Frischer Wind für Rossinis Märchen ohne Zauberstab

„La Cenerentola“ am Theater am Kornmarkt, Premiere am 12. August, Regie: Amy Lane

Sie trägt keinen gläsernen Schuh, fährt nicht im Kürbis zum Ball und es erscheint auch keine gute Fee – und dennoch zählt Angelina, genannt La Cenerentola, zu den leuchtendsten Heldinnen der Opernliteratur. Sie kehrt in einer Neuinszenierung von Rossinis Meisterwerk zurück auf die Bühne des Theaters am Kornmarkt in Bregenz, das am 12., 13. und 15. August die Premiere feiert.

Kraft der Sanftmut

Die britische Regisseurin Amy Lane, deren Karriere einst als Assistentin von Keith Warner bei Andrea Chénier auf der Bregenzer Seebühne begann, bringt in dieser Produktion einen frischen Blick auf das vermeintlich vertraute Märchen. Bekannt für ihre einfallsreichen, oft psychologisch fein gespannten Lesarten klassischer Werke will sie auch Rossinis Buffo-Oper nicht als bloßes Aschenputtel-Singspiel inszenieren, sondern als kluge, ironisch gebrochene Geschichte über Identität, Würde und die Kraft der Sanftmut.

Rossinis 1817 in Rom uraufgeführte Oper trägt bezeichnenderweise den Untertitel La bontà in trionfo – „Der Triumph der Güte“. Und genau das ist ihr roter Faden. Angelina, von ihren eitlen Stiefschwestern Clorinda und Tisbe gedemütigt und von ihrem geckenhaften Stief-vater Don Magnifico ausgebeutet, bleibt trotz aller Ungerechtigkeit gütig, bescheiden und aufrecht. Kein Wunder, dass Prinz Ramiro – zunächst in Dienerkleidung unterwegs, um den wahren Charakter der Frauen kennenzulernen – sich für sie entscheidet. Statt auf Magie setzt Rossini auf das Spiel mit gesellschaftlichen Masken: Stand, Rolle und Status sind stets in Bewegung. Der Diener Dandini spielt Prinz, der Prinz Diener – und mitten im Maskenspiel glänzt Angelina als moralisches Zentrum einer Welt voller Eitelkeit und Täuschung.

Dass diese Oper bis heute Publikum und Sänger gleichermaßen fordert und begeistert, liegt an Rossinis unnachahmlichem Stil: Virtuose Koloraturen, irrwitzige Ensembles und rhythmisch pulsierende Stretta-Finali lassen kaum einen Moment zur Ruhe kommen. Der junge finnische Dirigent Kaapo Ijas, derzeit einer der spannendsten Namen seines Fachs, übernimmt die musikalische Leitung und dirigiert das Symphonieorchester Vorarlberg durch Rossinis Partitur, die an komödiantischer Präzision und musikalischer Leuchtkraft ihresgleichen sucht.

Mit der chinesischen Mezzosopranistin Jingjing Xu als Angelina steht eine Sängerin auf der Bühne, die nicht nur vokale Brillanz, sondern auch berührende Tiefe in die Rolle einbringt. An ihrer Seite brillieren Aaron Godfrey-Mayes als Prinz Ramiro, Josef Jeongmeen Ahn als gewitzter Dandini und Ferhat Baday als herrlich überzeichneter Don Magnifico. Als Clorinda und Tisbe sorgen Aitana Sanz und Anja Mittermüller für bissigen Glanz und gestisches Feuer, während Lobel Barun als Alidoro, der weise Mentor des Prinzen, eine ruhige, klangvolle Autorität verkörpert.

Opera buffa

Anna Reid zeichnet für Bühne und Kostüme verantwortlich – eine Künstlerin, die bereits mehrfach bewiesen hat, dass klassische Stoffe in klaren, aber detailreichen Bildern zu neuem Leben erwachen können. Wer in Rossinis „Cenerentola“ bloß eine weitere Märchenoper vermutet, irrt. Sie ist ein Stück über Würde und Wandel, über das Sich Bewähren im Verborgenen und das Triumphieren ohne Rache. In dieser Oper wird kein Zauberstab geschwungen – und doch verzaubert sie mit Witz, Geist, musikalischer Brillanz und einer leisen, aber umso nachdrücklicheren Humanität.

Ein Fest für Liebhaber der Opera buffa und für alle, die sich von einer guten Geschichte mit Herz und Hirn berühren lassen möchten. Die Oper wird am Montag, dem 12. August, am Dienstag, dem 13. August, und am Donnerstag, dem 15. August, im Theater am Kornmarkt aufgeführt.

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