Im Vorfeld des Besuch schlug der Präsident des außenpolitischen Ausschusses des serbischen Parlamentes, Dragoljub Micunovic, aber versöhnliche Töne an: “Es ist nicht normal, dass zwei benachbarte Länder, von deren Beziehungen die Stabilität der Region abhängt, fast 15 Jahre lang schlechte Beziehungen unterhalten”.
Diese Aussage von Micunovic vom Wochenende könnte eine neue Etappe in den serbisch-kroatischen Beziehungen einleiten. Denn gerade Micunovic hatte in der vergangenen Woche den Weg für den Besuch des kroatischen Premiers Ivo Sanader am Freitag in Belgrad gebahnt.
Vor dem Besuch des kroatischen Premiers ließ sein serbischer Amtskollege Mirko Cvetkovic am Donnerstag wissen, worauf Belgrad den Hauptakzent setzen will. Serbien werde Kroatien auffordern, seine Genozidklage beim Internationalen Gerichtshof (IGH) zurückzuziehen. Im Gegenzug sei Belgrad bereit, auf seine Gegenklage zu verzichten, erklärte der Premier gegenüber der Tageszeitung “Vecernje novosti”.
“Kroatien und Serbien sind wichtige Westbalkanstaaten. Von unserer Zusammenarbeit hängt im großen Maß die Geschwindigkeit ab, mit welcher die gesamte Region der Europäischen Union beitreten wird”, hob Cvetkovic hervor.
Im November waren die Beziehungen der beiden Länder weiter abgekühlt, als der Internationale Gerichtshof (IGH) eine Klage Kroatiens gegen Serbien wegen Völkermords annahm. Daraufhin folgte auch ein Wortduell des serbischen Außenministers Vuk Jeremic mit dem kroatischen Präsidenten Stjepan Mesic. Der Chefdiplomat Serbiens beschuldigte Zagreb, für die schlechten bilateralen Beziehungen verantwortlich zu sein.
Der kroatische Premier kommt keineswegs mit leeren Händen nach Belgrad. Die kroatische Seite will Hunderte von EU-Dokumenten anbieten, die auf dem EU-Eingliederungsweg bereits übersetzt wurden. Dieses “Eine-Million-Euro-Geschenk” soll den Ankündigungen nach auch von den Zusicherungen begleitet werden, dass sich Zagreb Serbien gegenüber keineswegs wie Slowenien gegenüber Kroatien verhalten werde. Die EU-Ambitionen Belgrads würden nicht blockieren werden.
Kroatien wolle bei einer möglichst schnellen EU-Eingliederung Serbiens behilflich sein, stellte Micunovic fest. Gerüchte, wonach Zagreb angesichts des Streites mit Slowenien nun in Belgrad Punkte sammeln will, kommentierte er freilich nicht.
Bei dem bisher dritten Besuch Sanaders in Belgrad – zwei frühere erfolgten 2004 und 2006 – will Serbien nebst der IGH-Klage auch eine Reihe bilateraler Fragen ansprechen. Es geht vor allem um die Rückkehr von 1995 aus Kroatien geflüchteten Serben, ferner Eigentumsfragen, aber auch um die Aufklärung vom Schicksal der Vermissten, deren Zahl knapp 14 Jahre nach dem Krieg an beiden Seiten auf rund 2.300 geschätzt wird, sowie die Minderheitenrechte.
Rund 100.000 von etwa 250.000 Serben, die im August 1995 aus der Krajina Richtung Serbien geflüchtet waren, sind nach Angaben internationalen Organisationen bis dato zurückgekehrt. Die Rückkehr der Flüchtlinge wird nach Ansicht serbischer Behörden auch durch die von kroatischen Behörden ausgestellten Haftbefehle für mutmaßliche Kriegsverbrecher gebremst. Ihre Zahl wird auf etwa 900 geschätzt. Die Klagen werden geheim gehalten. Ihre Veröffentlichung könnte nach Ansicht Belgrads den Rückkehrprozess beschleunigen. “Viele Menschen würden dadurch vom Druck befreit werden”, stellte Premier Cvetkovic fest.
Ebenso wie mit Slowenien hat Kroatien auch mit Serbien noch eine offene Grenzfrage. Es geht um die Grenzlinie bei der Vojvodina-Kleinstadt Apatin. Belgrad setzt sich für eine Festlegung in der Mitte der Donau ein, die in dieser Gegend allerdings etwas unregelmäßig verläuft. Zagreb würde dagegen die Katastergrenzen befürworten. Das widerspricht allerdings einem Prinzip, für das sich Zagreb im Streit mit Slowenien einsetzt.
Für Zagreb steht laut Regierungssprechers Zlatko Mehun die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund. Kroatien ist demnach an der Errichtung einer Gas-Pipeline und eines Gasspeichers in der Vojvodina interessiert. Zudem soll auch eine regionale Energiestrategie entwickelt werden.
Noch heuer soll es auch zu gegenseitigen Präsidentenbesuche kommen. Serbiens Boris Tadic wird im Mai in Zagreb erwartet, sein kroatischer Amtskollege Mesic danach in Belgrad. Bei seinem ersten Besuch in Zagreb hatte sich Tadic 2007 bei kroatischen Kriegsopfern entschuldigt. In seinem Land musste er sich daraufhin mit Kritik auseinandersetzen. Vor allem Nationalisten verweisen immer wieder darauf, dass sich bei serbischen Kriegsopfern noch niemand entschuldigt habe.