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Franz Beckenbauer ist tot

Franz Beckenbauer im Mai 2017 bei einem Spiel des FC Bayern in München.
Franz Beckenbauer im Mai 2017 bei einem Spiel des FC Bayern in München. ©AP
Wo Franz Beckenbauer war, war Licht und Leichtigkeit. Auf dem Rasen umdribbelte der "Kaiser" die Gegner mit Eleganz. Als Teamchef führte er das geeinte Deutschland 1990 zum WM-Titel. Die Ausrichtung der Heim-WM 2006 war sein Meisterwerk in der dritten Karriere als Sport-Strippenzieher. Beckenbauer war die "Lichtgestalt", die prägendste Persönlichkeit im deutschen Fußball. Am Sonntag starb er im Alter von 78 Jahren, wie seine Familie der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Beckenbauers Karriere: Schlaglichter und Schatten
Franz Beckenbauer in Zitaten

"In tiefer Trauer teilen wir mit, dass mein Mann und unser Vater Franz Beckenbauer am gestrigen Sonntag im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen ist", teilte die Familie mit. Beckenbauer lebte seit über zehn Jahren in Salzburg, nachdem er davor in Oberndorf in Tirol (Bezirk Kitzbühel) gewohnt hatte. Beruflich pendelte er weiter nach München.

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Die Weltkarriere begann mit einer Watschn. Die Episode aus Münchner Jugendtagen, als ihn in Giesing der "60er" Gerhard König ohrfeigte und der junge Franz deswegen zu den Bayern ging und nicht zu den "Löwen", erzählte auch der alte Franz noch mit dem ihm eigenen Charme.

Von Bayern nach New York

Beim FC Bayern wurde Beckenbauer zum Europameister, Weltmeister und Weltstar, Ehrenspielführer der Nationalmannschaft und nach 103 Länderspielen auch zum US-Export bei Cosmos New York, wo er mit Brasiliens Legende Pele spielte. Er kehrte nach Deutschland zurück, spielte noch einmal erfolgreich für den Hamburger SV. 1982 wurde er mit dem HSV unter Trainer Ernst Happel zum fünften Mal deutscher Meister. Zwei Jahre später wurde Beckenbauer, als die Not bei der Nationalmannschaft groß war, Teamchef - mit dem WM-Triumph von Rom gegen Diego Maradonas Argentinier sechs Jahre später als Krönung.

Der WM-Skandal

Nach seiner Spielerkarriere folgte die Trainerkarriere und dann die Funktionärskarriere. Inmitten der Skandal-Ära von FIFA-Chef Joseph Blatter etablierte sich Beckenbauer im Kreise der mächtigen Strippenzieher und bewies sich als Meister des Geschäfts - erst als deutscher WM-Beschaffer, dann auch noch als WM-Wahlmann bei den Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022.

Doch mit dem WM-Skandal kamen Jahre später auch dunkle Seiten hervor. Der Mythos Beckenbauer wurde beschädigt. Auf das glanzvolle Lebenswerk fielen nach Anschuldigungen um die WM-Vergabe 2006 mit dubiosen Millionenzahlungen Richtung Katar Schatten, die Beckenbauer sehr zusetzten. Ein Vergehen konnte ihm dabei nie nachgewiesen werden. Beckenbauer selbst wollte nie etwas gewusst haben. Die Geschäfte machte angeblich erst sein Manager Robert Schwan, später dann sein Schattenmann Fedor Radmann.

Das Verfahren gegen Beckenbauer wurde im Sommer 2019 von dem gegen die anderen Beschuldigten abgetrennt. Letztlich verjährte es. Ehemalige deutsche Spitzenpolitiker nahmen Beckenbauer im Skandal um die WM 2006 in Schutz.

Beckenbauer ging auch abseits des Skandals die große Leichtigkeit verloren. Eine große Feier wünschte er sich 2020 für seinen 75. Geburtstag verständlicherweise nicht. Schon zu seinem runden 70. hatte er es ruhiger angehen lassen. Damals war einen Monat zuvor sein Sohn gestorben. Stephan Beckenbauer war eines von insgesamt fünf Kindern. Beckenbauer heiratete dreimal. Bereits vor seinem 65. Geburtstag ließ der Bayern-Ehrenpräsident von seinen Ämtern los, um mehr Zeit für seine kleinsten Kinder zu haben.

Die Bayern-Persönlichkeit

Seine sportliche Familie war immer der FC Bayern. "Du bist der erste und beste Vertreter des FC Bayern. Wo Du warst, was Du auch machtest: Du hattest den ganz großen Erfolg", sagte der damalige Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zum damaligen Jubiläum und gratulierte "der wichtigsten Persönlichkeit des FC Bayern München". Auch andere Weggefährten rühmten Beckenbauer immerzu. "Franz Beckenbauer ist das größte Glück des deutschen Fußballs. Es gab keinen Besseren vor ihm und es wird auch kein Besserer nachkommen", würdigte WM-Gefährte Günter Netzer wiederholt die Verdienste des charismatischen Alleskönners.

Nicht immer mit Leichtigkeit

Zwar wird Beckenbauer gerne mit dem Satz "Geht's raus und spielt's Fußball" zitiert. Wie hart und detailversessen der gelernte Versicherungskaufmann aber arbeitete, wird oft vergessen. "Das Glück kommt nicht zum Fenster hereingeflogen. Du brauchst Fleiß und Durchhaltewillen. Das Glück muss man sich erarbeiten", sagte Beckenbauer gerne. Die Vorwürfe trafen ihn schwer. Das Leben des leichtfüßigen Lebemannes, der einst gerne in jedes Mikrofon plauderte oder eine Jahreshauptversammlung des Rekordmeisters als Alleinunterhalter leiten konnte, war die letzten Jahre schwerer geworden.

Aus gesundheitlichen Gründen reiste Beckenbauer nicht zur WM nach Katar. "Ich hatte auf einem Auge einen sogenannten Augeninfarkt. Rechts sehe ich leider nichts mehr. Damit komme ich klar. Und mit dem Herzen muss ich aufpassen", sagte Beckenbauer damals. An der Trauerfeier seines Freundes Pelé Anfang 2023 in Brasilien nahm er genauso wenig teil wie am Treffen der einstigen WM-Mannschaft von 1990 wenige Monate später.

(APA)

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