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FPÖ hat große Pause

©APA/ERWIN SCHERIAU
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Freiheitlichen verbauen sich selbst den Weg zurück auf die Regierungsbank. Und auch in der Opposition sind die Aussichten alles andere als rosig für sie.

Wenn die FPÖ meint, das Ärgste überstanden zu haben, dann kommt es garantiert noch schlimmer für sie. Beispiel: Ibiza-Video. Zunächst hatte sie geglaubt, die Sache mit der Heinz-Christian-Strache-Ablöse abhandeln und die türkis-blaue Koalition ohne weitere Umschweife fortsetzen zu können. Dann meinte sie, dass ihr das halt erst nach der vorgezogenen Nationalratswahl Ende September möglich sein werde. Bei dieser Wahl verlor sie jedoch so viel, dass Bundesobmann Norbert Hofer sagen musste, dass das eher kein Regierungsauftrag sei. Also machte er sich auf den Weg in die Opposition – in der Hoffnung wohl, von Sebastian Kurz irgendwann zurückgerufen zu werden.

Doch jetzt scheint wirklich alles verloren zu sein: Nach der jüngsten Liederbuchaffäre, in der ein freiheitlicher Burschenschafter eine Rolle spielt, befand Sebastian Kurz, dass er die „zutiefst antisemitischen“ Texte „extrem widerlich“ finde. „Widerlich“ ist ein Schlüsselwort: Damit hatte Kurz schon im Frühjahr zum Ausdruck gebracht, dass er genug hat von den zahllosen Einzelfällen bei der FPÖ; ja, das war der Anfang vom türkis-blauen Ende, die Ibiza-Affäre hat es nur besiegelt.

Soll heißen: Darauf, dass Sebastian Kurz in absehbarer Zeit die Freiheitlichen von ihrem Weg in die Opposition zurückruft, um sie in die Regierung zu bitten, sollte man nicht mehr viel setzen. Die Wahrscheinlichkeit schwindet, wie es der erste Herbstschnee im Hochgebirge aufgrund der zu hohen Temperaturen gerade eben getan hat.

Die FPÖ hat Pause. Und zwar große Pause. Zumal sehr viel dafür spricht, dass überhaupt alles anders kommt als erwartet. Ursprünglich hat man ja davon ausgehen können, dass fast noch besser als eine Regierungsbeteiligung für die Partei wäre, Opposition gegen Türkis-Grün betreiben zu können. Damit hätte sie diesen Überlegungen zufolge nicht nur die Wähler, die sie gerade verloren hat, fix zurückgewonnen, sondern viele andere noch dazu, die Mitte-Links-Politik ablehnen und einen restriktiven Ausländerkurs haben wollen.

Mittlerweile stellt sich jedoch heraus, dass Flucht und Migration nicht mehr die allesentscheidenden Themen sind. Eher sind es die Klimakrise und die Wirtschaftsflaute. Und da ist es so, dass das eine den Grünen und das andere der ÖVP nützt, keines von beidem aber der FPÖ. Im Übrigen ist nicht gesagt, dass Türkis-Grün links sein muss. Im Westen der Republik gibt’s bei einer solchen Konstellation auf Länderebene eher unauffällige Mitte-Politik.

Doch das führt jetzt zu weit. Auf absehbare Zeit wird die FPÖ ohnehin nur mit sich selbst beschäftigt sein: Formal ist Hofer der Chef, Obmann der Herzen ist jedoch Herbert Kickl, wie dessen Vorzugsstimmen-Triumph bei der Nationalratswahl unterstrichen hat. Bei der Landtagswahl in der Steiermark droht der Partei in drei Wochen die nächste Schlappe. Ganz zu schweigen von der Wiener Gemeinderatswahl 2020; dafür ist nicht einmal ein schlagkräftiger Kandidat in Sicht. Und im Übrigen ist da ja noch Heinz-Christian Strache; zumindest als Gegner wird er seinen ehemaligen Freunden Kickl und Hofer wohl noch länger lästig sein.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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