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Forschungsschub bei Gehirntumoren

Im Vergleich zu Dickdarm- oder Brustkrebs seltene, aber höchst gefährliche Tumore: Glioblastome des Gehirns von Erwachsenen. Nach Jahren des Stillstands in Forschung und Therapie gibt es jetzt einen echten Schub.

Erstmals existiert mit der Kombination von Strahlenbehandlung und einem neuen Chemotherapeutikum nach der Operation die Möglichkeit, die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung und auch die durchschnittliche Überlebenszeit zu verlängern, erklärten am Donnerstag österreichische Fachleute bei einer Pressekonferenz in Wien. Derzeit findet in der Hofburg der Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Neuroonkologie (EANO) statt.

„Die wichtigste Gruppe der primären Hirntumoren im Erwachsenenalter sind Astrozytome. Sie entstehen aus den ’Gliazellen’, die das Stützgewebe des Gehirns bilden. Ihre bösartigste Unterform ist das Glioblastom“, sagte Univ.-Prof. Dr. Franz Payer von der Universitätsklinik für Neurologie in Graz.

Die Häufigkeit dieser „Biester“, so der Innsbrucker Neurochirurg Univ.-Prof. Dr. Herwig Kostron, liegt bei zwei bis drei neuen Fällen pro Jahr und 100.000 Einwohner. In Europa sind das pro Jahr rund 20.000 Neuerkrankungen, in Österreich etwa 350. Auch bei Operation und nachfolgender Strahlentherapie betrug in den vergangenen Jahren die durchschnittliche Überlebenszeit nur rund ein Jahr.

Doch gerade in jüngster Zeit zeigen sich Anzeichen dafür, dass man mit neuen und zusätzlich verabreichten Chemotherapeutika die Chancen der Patienten deutlich verbessern kann. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Vorstand der neurologischen Abteilung am Wiener Kaiser Franz Josef-Spital, der den Kongress mit rund 900 Teilnehmern präsidiert: „Da gibt es jetzt eine ganze Reihe von Substanzen.“

Die wichtigste Neuentwicklung wurde von europäischen und kanadischen Wissenschaftern in den vergangenen Jahren mit einer Studie mit der Substanz Temozolomid in die Wege geleitet. Dieses „Alkylans“ schädigt im Gehirn sich teilende Zellen – das sind eben die Tumorzellen. Das Medikament kann einfach geschluckt werden und hat kaum Nebenwirkungen. Onkologin Univ.-Prof. Dr. Christine Marosi (Universitätsklinik für Innere Medizin I am Wiener AKH): „Das Arzneimittel wird zunächst jeweils eine Stunde vor der Bestrahlung eingenommen, die über einen Zeitraum von sechs Wochen erfolgt.“ Danach erfolgen regelmäßige weitere sechs Therapiezyklen mit dem Chemotherapeutikum allein.

Die Substanz hemmt alle Tumorzellen, bei denen ein bestimmtes Reparaturmedizin durch Methylierung inaktiviert ist. Christine Marosi: „Etwa 40 Prozent der Patienten sprechen darauf an.“ Die Zwei-Jahres-Überlebensrate kann bei den Kranken damit immerhin von zehn auf 26 Prozent erhöht werden. Doch Temozolomid ist erst der Beginn: Auch die modernsten Arzneimittel der „zielgerichteten Krebstherapie“ wie Tyrosin-Kinase-Hemmer und Antikörper werden zusätzlich zur Operation und zur Strahlentherapie derzeit erprobt.

Vielleicht steht Patienten und Ärzten hier eine Entwicklung ins Haus, die sich beim so genannten Medullablastom von Kindern bereits vor Jahren abgespielt hat. Neurochirurg Kostron: „Dort betrug die Mortalitätsrate ehemals 80 Prozent. Heute können wir 80 Prozent der Kinder heilen.“

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