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Forscherin zu Wiener Lueger-Denkmal: "Schande"-Graffiti keine Dauerlösung

Das Karl Lueger-Denkmal am Stubenring wurde wiederholt besprüht - das "Schande"-Graffiti funktioniere laut Tanja Schult derzeit gut ©APA
Bereits seit Jahren steht das Denkmal des antisemitischen Bürgermeisters Karl Lueger in Wien im Zentrum einer Kontroverse. Vandalisierung sei hier keine Dauerlösung, wie eine schwedische Kunsthistorikerin analysiert hat.
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2020 sind Diskussionen um den Umgang mit belasteten Denkmälern auch in den USA neu angeheizt worden. "Wir müssen unsere demokratischen Werte vermitteln dürfen", zeigte sich die schwedische Kunsthistorikerin Tanja Schult, die in Wien zum Thema "Demokratische Denkmäler" forscht, gegenüber der APA überzeugt. Auch deshalb müsse beim Lueger-Denkmal "etwas passieren".

Alte klassische Denkmäler werden kontrovers diskutiert

Die Besonderheit des Denkmals in der Kunst sei, so Schult, dass es eine Funktion hat: "Es soll an jemanden oder etwas erinnern. In der heutigen Zeit kann es auch auf etwas in der Zukunft hinweisen, das wir verhindern wollen, wie die Klimakatastrophe." Der Begriff definiere sich in der Kunstwelt gerade neu. "Vertikalität und ein Sockel, auf dem ein weißer Mann steht", stünden nicht mehr im Vordergrund.

Unbekannte besprühten Lueger-Denkmal am Stubenring mit "Schande"

Gerade diese alten, klassischen Denkmäler ambivalenter Figuren werden derzeit jedoch vielerorts kontrovers diskutiert. Befragt zum Lueger-Denkmal sagte Schult: "Im Augenblick funktioniert die Vandalisierung sehr gut. Ich saß oft davor und habe bemerkt, dass sich die Menschen darüber unterhalten."

2020 wurde das Denkmal am ebenfalls nach Lueger benannten Platz am Stubenring von Unbekannten mehrmals mit dem Wort "Schande" besprüht.

Schult: "Keine Dauerlösung" - besser künstlerische Umgestaltung

Allerdings könne das, so Schult, keine Dauerlösung sein. Sie riet zu einer künstlerischen Umgestaltung des Platzes oder der Platzierung des Denkmals in einer Ausstellung, ähnlich dem Berliner Projekt "Enthüllt". "Problematische Denkmäler werden dort ausgestellt, kontextualisiert und erklärt", so die Kunsthistorikerin.

Viel in Wien getan: "Lueger ist in der Stadt sehr präsent"

Fest stehe jedenfalls, dass Lueger, der in Wien um die Jahrhundertwende zahlreiche Großprojekte wie die zweite Hochquellenwasserleitung oder die Kommunalisierung der Straßenbahnen umsetzte, auch im Falle einer Entfernung des Denkmals nicht verschwinden werde: "Lueger ist in der Stadt sehr präsent. Selbst, wenn die Statue nicht hier wäre, würden seine Errungenschaften nicht vergessen werden."

Schult rief dazu auf, den unter anderem mit klassischen Denkmälern von Männern angefüllten öffentlichen Raum zu "entrümpeln", um mit neuen Denkmälern die demokratischen Werte von heute zu vermitteln. Einige belastete Monumente könnten dafür auch gestürzt werden und verschwinden: "In Deutschland erinnert man auch an den Holocaust, ohne Porträts von Nationalsozialisten in den Schulen zu belassen."

Soll es künftig besser keine Denkmäler mehr geben?

Wäre es bei der großen Anzahl kontroverser Monumente vielleicht angebracht, Menschen künftig keine Denkmäler mehr zu errichten? "Ich glaube, das ist etwas Urmenschliches", verneinte Schult und merkte an, dass Denkmäler nicht immer nur Einzelpersonen, sondern auch Bewegungen wie etwa "Fridays for Future" abbilden können. Die Wissenschafterin wünscht sich bei zeitgenössischen Denkmälern außerdem zeitgenössische Formen. Ein interessantes Beispiel sei ein Denkmal für Frauenbewegungs-Vorreiterin Johanna Dohnal - in 23 nach Männern benannten Parks in allen Wiener Gemeindebezirken wurde ihr je eine Birke gewidmet.

Moderne, demokratische Denkmäler, mit denen sie sich derzeit in Wien beschäftigt, werden benutzt, um die Demokratie voranzutreiben. "Man will damit nicht mehr an Siege erinnern, sondern an Verluste und eigene Verbrechen", erklärte sie, "außerdem sollen marginalisierte Gruppen miteinbezogen werden." Ziel sei es, Menschen an der Entstehung und am Wirken des Denkmals teilhaben zu lassen. Als Beispiel nannte Schult Christoph Mayers "Audioweg Gusen", wo Menschen mit Stimmen und Klängen beschallt werden, wodurch das Konzentrationslager inmitten der heutigen Wohngegend vorstellbar wird.

Über den Wert von Denkmälern in Demokratien

Welchen Wert Denkmäler in Demokratien haben, darüber spricht Schult bei einem Vortrag an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften heute, Donnerstag, Nachmittag (21. Oktober) in Wien. In der Hauptstadt bleibt sie zu Forschungszwecken noch länger, auch ein Buch über Kunst im öffentlichen Raum in Wien ist in Planung. Vor Kurzem ist auch das von ihr herausgegebene Buch "Was denkt das Denkmal? Eine Anthologie zur Denkmalkultur" bei Böhlau erschienen.

Informationen zum Vortrag finden Sie unter diesem Link

Tanja Schult, Julia Lange (Hg.): "Was denkt das Denkmal? Eine Anthologie zur Denkmalkultur", Böhlau, 261 Seiten, 23,99 Euro

(APA/Red)

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