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Fische im Weltall - Buntbarsche bekommen zweite Chance

©APA
Wie eine kleine Waschtrommel sieht der Kasten aus: dünne Leitungen führen in eine Rolle, die etwa drei Liter Wasser fasst. Der Inhalt dieses Apparats hat aber nichts mit Schmutzwäsche zu tun. Zoologen der Universität Hohenheim in Stuttgart schicken darin Fische ins All.

Zum zweiten Mal schon sollen Buntbarsche Erkenntnisse über den Gleichgewichtssinn des Menschen bringen. Beim ersten Versuch vor vier Jahren waren die Tiere allerdings zusammen mit der Weltraumfähre Columbia beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglüht.

„Zusammen mit Kollegen der Uni Erlangen, die das Wachstum von Algen testen, bekommen wir jetzt eine zweite Chance“, erzählt der Forscher Ralf Anken. Am 14. September soll vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan aus die Mission der Wassertiere an Bord einer Sojusrakete starten. Im sogenannten Omegahab, einem speziellen Weltraumaquarium, schwimmen die Fische in der einen, die Pflanzen in einer anderen Kammer des Versuchsaufbaus. „Die eigentlich aus Ostafrika stammenden Fische sind recht aggressiv und würden die Algen sonst auffressen“, erklärt der 43-Jährige. Der von den Algen produzierte Sauerstoff wird dann zu den 30 Tieren, die an dem Versuch teilnehmen, übergeleitet.

Zu Beginn der Reise sind die Fische noch Larven. „Das ist praktisch, denn Buntbarschlarven haben einen Dottersack unter ihrem Kinn, wie eine Art Marschrucksack“, erläutert Reinhard Hilbig, der zusammen mit Anken für das Projekt verantwortlich ist. Dieser Dottersack versorgt die Tiere in der ersten Woche der zwölftägigen Mission mit Nahrung, erst danach wird zugefüttert. „Das spart sogar noch Gewicht“, erzählt der 62-jährige Zoologe weiter, schließlich befänden sich an Bord der unbemannten Raummission insgesamt rund 40 Forschungsprojekte – und jedes dürfe ein bestimmtes Maximalgewicht nicht übersteigen. Der gesamte Versuchsaufbau der Hohenheimer und Erlanger Forscher wiege lediglich 18 Kilogramm.

Die Idee, dass ausgerechnet Fische im Weltraum das Wissen um den menschlichen Gleichgewichtssinn auf der Erde vergrößern könnten, scheint zunächst seltsam. „Aber die Tiere bieten sich an, weil die Gleichgewichtsorgane bei Fischen fast genau die gleiche Masse haben wie beim Menschen“, sagt Hilbig. Kleine Schweresteinchen aus Kalk, sogenannte Otolithen, liegen wie beim Menschen im Innenohr und sorgen für Orientierung im dreidimensionalen Raum. „Beim Menschen ist das aber eher eine pattexartige Fläche“, vergleicht Hilbig. Probleme entstehen, wenn die Gleichgewichtssensoren links andere Informationen an das Gehirn schicken als die rechts, zum Beispiel weil das Schweresteinchen größer ist.

„Das passiert zum Beispiel auf hoher See. Das Gehirn kann die Beschleunigung und das Schwanken nicht mehr vernünftig interpretieren und es entsteht ein intersensorischer Konflikt. Der Körper denkt, dass er vergiftet wurde und gibt das Signal: Ich bin seekrank, raus mit dem Fremdkörper und man übergibt sich“, vereinfacht der 43- jährige Anken einen Wirkungskreislauf. Da auch Fische seekrank werden können, soll nun geprüft werden, welchen Fischen es nach dem Weltraumausflug schlecht geht und ob es einen Zusammenhang mit der Beschaffenheit ihrer Schweresteinchen gibt.

Im All wollen die Wissenschafter überprüfen, ob ohne Schwerkraft die Mineralisation der Otolithen weiterhin funktioniert oder sogar schneller abläuft. Nach der Rückkehr werden die Tiere seziert und die Größe der Schweresteinchen mit denen einer zweiten Fischgruppe, die nicht zum Weltraumausflug aufbricht, verglichen. Zwar müssen die Tiere dafür natürlich auch getötet werden, aber weil die Weltraum-Buntbarsche nur wenige Zentimeter groß werden, besteht zumindest keine Gefahr, dass sie Opfer einer privaten Leidenschaft der Wissenschafter werden. Beide bezeichnen sich als ausgewiesene Hobbyköche – und tischen ihren Besuchern besonders gerne Fisch auf.

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