Finger schrumpeln immer gleich – was das jetzt bedeutet

Manchmal braucht es ein Kind, um eine Frage zu stellen, die noch niemand zuvor bedacht hat. So war es auch bei dieser Studie: Der Anstoß kam aus der Rubrik Curious Kids der Plattform The Conversation. Dort erklärte der US-Forscher Guy K. German, warum unsere Finger im Wasser schrumpeln. Doch ein Schüler wollte wissen: "Bilden sich die Falten eigentlich immer auf dieselbe Weise?" – und German musste zugeben: "Ich hatte nicht die leiseste Ahnung!"
Diese einfache, aber kluge Frage wurde zum Ausgangspunkt für eine neue wissenschaftliche Untersuchung – mit überraschendem Ergebnis.
Schrumpelfinger zeigen immer dasselbe Muster
Guy German, Professor an der Binghamton University in New York, forscht am Biological Soft Matter Mechanics Laboratory. Gemeinsam mit Nachwuchsforscherin Rachel Laytin (Abschlussjahrgang 2023, M.Sc. 2024) ließ er Versuchspersonen ihre Finger 30 Minuten lang in ein Wasserbad tauchen – und wiederholte das Experiment 24 Stunden später unter denselben Bedingungen. Die Falten wurden zuvor und danach hochauflösend fotografiert und systematisch kartiert.
Das Ergebnis: Die Falten bildeten sich bei jeder Versuchsperson exakt gleich aus, sowohl in Form als auch in Lage und Richtung. "Die Blutgefäße unter der Haut verändern ihre Position kaum – also wiederholen sich auch die Faltenmuster", erklärt German.
Veröffentlicht wurden die Ergebnisse im Fachjournal Journal of the Mechanical Behavior of Biomedical Materials.
Osmose ist nicht die Ursache – sondern das Nervensystem
Lange ging man davon aus, dass Schrumpelfinger durch das Aufquellen der Hautzellen (Osmose) entstehen. Doch das stimmt nur zum Teil. Schon in einer früheren Studie zeigte German, dass die Falten aktiv durch das Nervensystem ausgelöst werden: Sobald die Finger längere Zeit im Wasser sind, ziehen sich die kleinen Blutgefäße zusammen – dadurch entstehen die charakteristischen Falten.
Einen eindrucksvollen Beweis dafür lieferte ein Student mit einer Schädigung des Nervus medianus. Als er sich selbst testen ließ, zeigte sich: Seine Finger bildeten keine Falten, obwohl er genauso lange im Wasser war wie alle anderen.
Der Wasserfingerabdruck: Biometrie aus der Badewanne?
Das Team spricht inzwischen vom sogenannten Wasserfingerabdruck – einem potenziell einzigartigen Faltenmuster, das sich nach jedem Wasserbad wiederholt. Ob dieses Muster so individuell ist wie ein klassischer Fingerabdruck, wird derzeit in Folgeprojekten untersucht. Erste Hinweise sprechen dafür.
Gerade in der Forensik könnte diese Entdeckung enorme Bedeutung haben:
- Fingerabdruckanalyse an Tatorten mit Feuchtigkeit
- Identifikation von Leichen nach Wasserkontakt
- Ergänzung zu klassischen biometrischen Verfahren
German weiß aus erster Hand, wie wichtig das sein kann: Sein Vater arbeitete früher als Polizist im Vereinigten Königreich – und stand immer wieder vor dem Problem unbrauchbarer Fingerabdrücke bei Wasserleichen.
Nächster Schritt: Venen sichtbar machen – ohne Schnitt
Doch German will noch weitergehen: In einer geplanten Folgestudie soll geprüft werden, ob sich aus den Faltenstrukturen auch die darunterliegenden Blutgefäße nicht invasiv kartieren lassen. Ein entsprechendes Venen-Visualisierungsgerät sei bereits bestellt.
Fingerabdrücke entstehen schon im Mutterleib – ähnlich wie die Streifen von Zebras oder die Punkte auf Geparden. Verantwortlich ist das Zusammenspiel zweier Proteine, die sich gegenseitig hemmen und aktivieren. So entstehen die einmaligen Wirbel- und Schlaufenformen.
Forschergeist und kindliche Neugier
Für Guy K. German war es eine unerwartete Reise – ausgelöst durch eine einfache Schülerfrage. "Ich fühle mich wie ein Kind im Süßigkeitenladen", sagt er. "Es gibt noch so viel, das wir über die Haut nicht wissen." Und weiter: "Biometrie und Fingerabdrücke sind in meinem Kopf eingebrannt. Ich denke ständig über solche Dinge nach – weil sie einfach faszinierend sind."
(red.)