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Feuerwerk magischer Momente bei "Au revoir parapluie"

James Thierree und seine Maikäfertruppe brauchen keine sprühenden Effekte oder Taschenspielertricks - Einzusetzen wissen sie sie trotzdem. Von Maria Handler.

Manchmal muss es gar nicht so abgründig sein. Manchmal verwandeln sich billige Effekte ungeahnt in magische Momente. Manchmal kann Zirkus traurig sein und gleichzeitig zum Lachen bringen. Wie gestern, Dienstag, bei den Wiener Festwochen, als James Thierree mit seiner “Compagnie du Hanneton” dem Regenschirm Lebewohl sagte. “Au revoir parapluie” heißt das jüngste Abenteuer der französischen “Maikäfertruppe”, das als fragiles Gewebe zwischen Tanztheater, Zirkusakrobatik und Ganzkörperkabarett herumturnt. In der großen Halle E des Museumsquartiers ließen sich die Theaterbesucher – nicht zuletzt der königlich amüsierte Festwochen-Intendant Luc Bondy – jedenfalls ganz schnell in ein begeistertes Zirkuspublikum verwandeln.

Musik und Bühne machen es leicht. Ein dickes Bündel von Schiffstauen wirbelt durch die Luft – im Laufe des Abends wird es noch als Vorhang, als Bett, als Haus dienen, Satchie Noro und Kaori Ito werden darin unangestrengt in luftige Höhen und genauso schnell oder langsam wieder hinunterspazieren. Stahlhaken hängen von der Decke, Thierree und Noro werden an ihnen schwingen, sich wie Trapezkünstler durch die Lüfte schwingen, versuchen sich zu erreichen, einander wieder und wieder entrissen werden. Der Boden gibt nach, entpuppt sich Schicht für Schicht als Versteck für seltsame Wesen, als abnehmbares Potenzial für andere Welten.

Einer traumähnlichen Logik folgend entspinnt sich eine kuriose Familiengeschichte, in der flüchtiges, idyllisches Glück immer wieder von gemeinen Hinterhalten unterbrochen wird. Da verwandelt eine singende, hexenhafte Verkleidungskünstlerin Mutter und Tochter in Sträucher, um dann mit der Sense anzurücken, oder ihr tollpatschiges Helferlein fordert den Vater zum kunstfertigen Duell mit Grashalmen. Meist sind es nur Sketches, lose miteinander verbunden, in denen der Clown und der Magier in Thierree abwechselnd zum Zug kommen. Beide brauchen keine sprühenden Effekte und keine Taschenspielertricks. Mit wenigen Gesten bringt er das pochende Herz, das ihm in die Hose gerutscht war, wieder in Position, fängt die Musik in seinen Händen, um sie zu kauen und zu schlucken und wieder auszuhusten. Mit glühendem Blick gibt er das sehnsuchtsvolle Spiel der Geige als seine eigene Stimme aus.

Seinen Großvater Charlie Chaplin könnte Thierree nicht verleugnen. Denn auch die Magie seiner seltsam belebten Welt speist sich nicht aus Zaubertricks, sondern aus der Kraft seiner Vorstellung. Überdeutlich wird das, wenn der clowneske Bösewicht das Publikum mit einer klassisch-billigen Magiernummer unterhält – ohne dass dabei irgendetwas passiert. Da wird ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert, aber da ist gar keines, da fächert er triumphierend seine Kartentricks auf – ohne Karten. Da fällt er von der Bühne, schwingt sich im letzten Moment wieder darauf und hört peinlich berührt seinem eigenen Schrei und Aufprall zu.

Sie sind eine ungewöhnliche Truppe, Thierree, Jakobsson, die Luftartistin Noro, die wendige kleine Tänzerin Kaori Ito und die sirenenhafte Maria Sendow und sie erschaffen gemeinsam ein ungewöhnliches Universum. Indem Naturkräfte zwar gelten, aber in schönster Manier in die Ecke getrieben werden. Indem aus dem Widerstand gegen die Schwerkraft spielend ein Tanz entsteht. Und ein Feuerwerk magischer Momente wohl auch in den Hartgesottensten kindliches Staunen erweckt.

Spielzeiten und weitere Infos im Vienna Online Programm.

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