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Festwochen: Unermüdeter Jubel für achtstündige "Les Ephemeres"

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Fast wähnt man sich im Zirkus: Enge Holzsitzreihen auf steilen Tribünen, die, einander gegenüberliegend, eine elliptische Manege bilden.

Artisten auf fahrbaren Bühnen ziehen durch den mit bunten Planen abgeschirmten Raum mitten in den Rinderhallen von St. Marx. Rundherum zeugen Holzkisten mit der Aufschrift “Theatre du Soleil” von der Wanderschaft, die Ariane Mnouchkines Pariser Ausnahmetheatertruppe nach zwölf Jahren wieder zu den Wiener Festwochen geführt hat. Die Premiere von “Les Ephemeres” sorgte gestern, Samstag, schon vor der offiziellen Festwochen-Eröffnung für unermüdeten Jubel nach einem achtstündigen Theatermarathon.

“Ich bin so stolz, wieder hier in Wien zu sein”, begrüßte Mnouchkine das Publikum herzlich und gab selbst die wichtigsten praktischen Anweisungen für den Nachmittag und Abend, den man miteinander verbringen würde. Von Distanz zwischen Mitwirkenden und Zusehern scheint man im Theatre du Soleil überhaupt wenig zu halten. In den Pausen servieren die Darsteller Kekse und Wasser, kehren die Brösel von der Spielfläche, teilen Decken aus und lassen sich beim Schminken und Verkleiden zusehen. Für die bis zu sieben verschiedenen Rollen, in die etwa die wunderbare Juliana Carneiro da Cunha in den 29 dargebrachten Szenen schlüpft.

Denn zwischen den engen Sitzen schaffen die roll- und drehbaren Miniaturbühnen Platz für epische Breite. Familiengeschichten durch ein ganzes Jahrhundert, flüchtige – ephemere – Alltagsmomente, skurrile und tragische, herzerwärmende und erschütternde kleine Sketches ziehen vorüber. In einem Tempo, mit einer Detailliebe und zu einer Musik (Jean-Jacques Lemetre an unzähligen Instrumenten), die das Gefühl vermitteln, man bekomme einen – oder gleich mehrere – dieser liebevollen französischen Filme live vorgespielt.

Selbst in den Pausen noch gelingt es dem “Sonnentheater” ein kleines, fröhliches Frankreich mitten nach St. Marx zu pflanzen. Da geht die Musik einfach weiter, da wird geschnattert und sich – auch von Seiten des Publikums oft auf Französisch – ausgetauscht, der Theaterbesuch nicht zum individuellen, sondern zum kollektiven Erlebnis, das acht Stunden ebenso rasch entfliehen lässt, wie das ganze “Leben im 20. Jahrhundert”. Wer sich trotzdem lieber kleinere Dosierungen dieses Lebens verordnet, kann sich am kommendem Dienstag (6. Mai) und Mittwoch (7. Mai) die beiden “Sammlungen” von Miniaturen zu je drei Stunden an zwei Abenden ansehen. Auch dann sollten alle Besucher zumindest gründlich auf die Wiener Festwochen eingestimmt sein.

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