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Fehlende Angst bei Kindern als Warnsignal

Kinder, die vor nichts Angst haben, können sich kaum in andere einfühlen, sind aggressiver und neigen zu antisozialem Verhalten.

Zu diesem Schluss kommen Forscher der Universität Haifa. “Furchtlosigkeit bei Kindern ist kein Erziehungsideal, sondern ein Warnzeichen. Das gilt besonders, wenn sie gleichzeitig gefühlsarm oder gleichgültig gegenüber anderen Menschen sind”, bestätigt auch die Entwicklungspsychologin Daniela Hosser von der TU Braunschweig im pressetext-Interview.

Weniger Mitgefühl

Die israelischen Forscher untersuchten dazu 80 drei- und vierjährige Kinder zu Hause, im Kindergarten und im Versuchslabor. Zweimal – mit einem Jahr Abstand – wurden die Kleinen auf Furchtlosigkeit und sozial-emotionale Eigenschaften getestet. Zudem berücksichtigte man die soziale Schicht, die Geburtenfolge, das Verhalten und Befinden der Eltern und deren Beziehung zum Kind. Je weniger leicht die Kinder Angst verspürten, desto weniger Empathie zeigten sie gegenüber Gleichaltrigen. Als Kriterium dafür ermittelten die Forscher, wie gut die Kinder Gesichtsausdrücke Gefühlen zuzuordnen konnten.

Doch auch weitere problematische Verhaltensweisen zeigten sich bei den Furchtlosen. Sie nutzten Freunde öfters aus, erkannten deren Nöte kaum oder halfen ihnen nur wenig, waren emotional eher oberflächlich und entwickelten kaum Schuldgefühle, nachdem sie etwas angestellt hatten. Trotz dieser Tendenzen waren diese Kinder jedoch zugleich meist auffallend freundlich, knüpften leicht Kontakte zu Gleichaltrigen und lächelten oft. “Es scheint, als ob angstloses Verhalten sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringt”, berichtet die Studienleiterin Inbal Kivenson-Baron.

Problem im Gefühlszentrum

Laut den Forschern ist die fehlende Angst zumindest bei Kindern eher genetisch und neurologisch bestimmt als durch Erziehung oder das Verhalten der Eltern. Mangel an Empathie sei allerdings nicht Folge von Furchtlosigkeit, sondern eher ein weiteres Symptom derselben Ursache, erklärt Daniela Hosser. “Beides geht zurück auf ein Problem im Gefühlszentrum im Gehirn, der Amygdala”, so die Expertin. Die Forschung zu diesem Phänomen steht allerdings noch ganz am Anfang.

Sehr furchtlose Kinder haben es laut Hosser schwieriger, ein Gewissen zu entwickeln. “Sie erregen sich grundsätzlich weniger und haben kaum starke Gefühle. Deshalb beeindruckt sie kaum, wenn man sie diszipliniert. Lernen aus Strafe funktioniert bei ihnen nicht.” Weitere Eigenschaften seien extreme Neugier, Erlebnishunger und Wagemut. In der Erziehung sei es besonders wichtig, sie positiv zu behandeln. “Damit sich Empathiedefizite nicht verstärken, brauchen diese Kinder eine warme, soziale Unterstützung, positive Verstärkung und Belohnung. Härte und Körperstrafen stumpfen sie nur weiter ab.”

 

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