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Falsche Polizisten erbeuteten vier Millionen Euro: Prozess in Wien

Der Prozess wird am 29. Juni fortgesetzt.
Der Prozess wird am 29. Juni fortgesetzt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Wiener Landesgericht fand am Montag der erste Prozess rund um eine abgefeimte Bande statt. Vorwiegend ältere Frauen wurden von den falschen Polizisten um sehr viel Geld gebracht.

Eine abgefeimte Bande hat in Ostösterreich vorwiegend ältere Frauen um insgesamt fast vier Millionen Euro gebracht. Die Opfer wurden offenbar gezielt angerufen, wobei ihnen vorgemacht wurde, sie hätten es mit der Polizei zu tun. In weiterer Folge wurden sie dazu gebracht, den Kriminellen Bargeld und Schmuck zu übergeben. Am Montag hat am Wiener Landesgericht in dieser Sache ein erster Prozess stattgefunden.

180 Fälle bekannt: Jeweils zwischen 1.000 und 300.000 Euro übergeben

Eingangs des Verfahrens schilderte der Staatsanwalt detailliert den Modus Operandi. Demnach erhalten die Opfer seit Oktober 2018 über ein ausländisches Call Center Anrufe, wobei die Betrüger eine spezielle Software benützen, die vortäuscht, die Anrufe würden von einer Wiener bzw. österreichischen Nummer stammen, die der richtigen Nummer der Polizei ähnelt. Den Angerufenen wird dann erklärt, die Polizei habe Kenntnis, dass die Opfer Zielscheibe eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs auf ihr Vermögen sind. Um dieses zu retten, komme demnächst ein Kollege von der Polizei vorbei, der Geld und Wertgegenstände bis zur Abwehr des geplanten Einbruchs oder Raubüberfalls sicherstellen wird.

Bisher sind nicht weniger als 180 Fälle polizeibekannt, bei denen Beträge zwischen 1.000 und 300.000 Euro übergeben wurden. Ermittelt wird gegen die kriminelle Organisation von burgenländischen, niederösterreichischen und WienerPolizeidienststellen. Ein erster "Geldabholer" musste sich nun vor einem Wiener Schöffensenat (Vorsitz: Peter Sampt) verantworten. Der 41-Jährige soll im vergangenen Frühjahr bei einer Pensionistin in Wien-Hietzing angeläutet und mehrere Geldkuverts mit insgesamt 90.000 Euro entgegen genommen haben. Im Juli händigte ihm eine weitere Pensionistin laut Anklage 1.000 Euro aus. Sage und schreibe 270.000 Euro soll er bei mehreren Kontakten im September einer 81 Jahre alten Witwe abgeluchst haben.

Angeklagte versicherte, sich nicht als Polizist vorgestellt zu haben

Der von Verteidiger Roland Friis vertretene Angeklagte war zum zeitlich am längsten zurückliegende Faktum insoweit geständig, als er behauptete, sein langjähriger Nachbar habe ihn nach Hietzing geschickt, um Schulden dessen Chefs einzutreiben, "weil ich besser Deutsch spreche". Er habe vereinbarungsgemäß drei Mal bei der Dame geklingelt. Diese habe ihm geöffnet und ihm sogleich Geld in die Hand gedrückt - allerdings nicht die inkriminierte Summe, sondern 50.000 Euro.

Das Geld habe er dem Chef seines Nachbarn übergeben, der dem Vernehmen nach mittlerweile in der Türkei leben soll. Er selbst habe für seine Dienste 2.000 Euro erhalten, behauptete der 41-Jährige, Vater von vier Kindern, ohne Job und eigenen Angaben zufolge suchtmittelergeben. Die Anklage legt ihm in diesem Zusammenhang auch die Einfuhr von Drogen aus der Slowakei zur Last.

Er habe sich der Dame in Hietzing - aufgrund einer Operation stand diese beim Prozessauftakt als Zeugin nicht zur Verfügung - nicht als Polizist vorgestellt, versicherte der Angeklagte. Er habe das, was ihm sein Nachbar erzählt habe, geglaubt. Erst im Nachhinein wären ihm Zweifel gekommen: "Mein Problem ist, ich frage nie nach, Herr Rat. Ich denke nix Schlechtes. Das ist mein Fehler."

Zu den weiteren beiden ihm angelasteten Betrugsfakten behauptete der 41-Jährige, er habe mit diesen Fällen nichts zu tun. Er sei Opfer einer Verwechslung.

Prozess wird am 29. Juni fortgesetzt

Die um 1.000 Euro Geschädigte hatte den Mann bei einer Gegenüberstellung mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent wieder erkannt. Die 81-jährige Witwe, die 270.000 Euro verloren hatte, schloss im Zeugenstand aus, dass der Angeklagte einer von zwei Männern war, die ihr ihr Vermögen abgeluchst hatten. "Das waren junge Burschen", brachte die 81-Jährige vor. Und indem sie den Angeklagten fixierte, meinte sie: "Den kenn i net, ganz ehrlich."

Die 81-Jährige hatte aufgrund des ihr Angst machenden Anrufs zuerst ihre Münzsammlung aus einem Banksafe geholt. Diese habe sie zwei Männern übergeben, die als vermeintliche Polizisten vor ihr standen. Am darauf folgenden Donnerstag sei sie mit den beiden zu drei, am Freitag zu weiteren Banken gefahren und habe Geld behoben und weitergereicht. Am Ende habe sie ihnen auch noch zu Hause verwahrten Schmuck und Münzen überlassen.

"Das verzeihe ich mir bis heute nicht", gab die Zeugin zu Protokoll. Und weiter: "Selber Schuld, dass man so blöd ist." Der Prozess wird am 29. Juni fortgesetzt.

(APA/Red)

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