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Fahrverbot: Vassilakou blufft eh nur

Vassilakou thematisierte ein Fahrverbot in der Wiener City.
Vassilakou thematisierte ein Fahrverbot in der Wiener City. ©APA/Herbert Neubauer
GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Die grüne Vizebürgermeisterin will weiterhin eine City-Maut. Doch auch da ist zweifelhaft, dass ihr das so wichtig ist.

Wenn du 100 Euro haben möchtest, fordere 200. Dann gibst du deinem Gegenüber das Gefühl, dass er dich eh ganz schön runtergehandelt hat, wenn ihr euch am Ende bei 100 Euro trefft. Vor allem aber: Du hast, was du wolltest. Diese Binsenweisheit kann man bei allem möglichen gebrauchen. Bei Lohnverhandlungen zum Beispiel. Oder auf dem Basar. Oder in der Politik.

Grünen-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou hat diese Woche mit der Forderung aufhorchen lassen, dass im 1. Bezirk ein Fahrverbot für Nicht-Anrainer eingeführt werden solle. Das war jedoch nur ein Bluff: Gleichzeitig teilte sie mit, sie werde „weiterhin nicht locker lassen, für eine City-Maut einzutreten“. Das ist widersprüchlich: Sie kann nur das eine oder das andere wollen. Aber nicht beides auf ein Mal.

Indem Vassilakou so unmissverständlich zugibt, dass sie in Wirklichkeit die City-Maut haben möchte, gibt sie indirekt auch zu verstehen, dass sie es mit dem Fahrverbot nicht ernst meint. Das dient ihr nur dazu, eine Maut schlussendlich zum Kompromiss werden zu lassen, zu dem halt auch sie bereit gewesen ist. Statt mit 200 Euro hätte sie sich quasi mit 100 begnügt. So weit, so durchschaubar.

Es geht jedoch noch weiter: Die Grünen dürfen stolz darauf sein, was Vassilakou da aufführt. Sie macht, was die meisten ihrer Parteikollegen verlernt haben. Sie betreibt Symbolpolitik. Sie macht etwas Kleines zum Thema, was Aufsehen erregt und verdeutlicht, wofür sie steht. Im Klartext: Sie provoziert die Autofahrer-Lobby und zeigt damit auch schon, dass sie auf der Gegenseite steht. Das ist der Versuch, allen, die ganz bewusst kein Auto (mehr) haben, die mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß unterwegs sind, mitzuteilen, wem sie bei der nächsten Gemeinderatswahl ihre Stimme geben könnten.

Diese Zielgruppe ist gerade in Wien ziemlich groß. Der Anteil der Autobesitzer sinkt und sinkt. Und zwar vor allem in den Bezirken innerhalb des Gürtels, in denen die Grünen noch am stärksten sind. In den vergangenen fünf Jahren ist dort sogar die Anzahl der Kraftfahrzeuge gesunken. Am Alsergrund beispielsweise um 1182 auf 13.724, in Mariahilf und Neubau um jeweils mehr als 700 auf rund 10.000 und in der Josefstadt um fast 600 auf 7680. Das ist massiv.

Doch zurück zu City-Fahrverbot bzw. -Maut: So vertretbar solche Maßnahmen in der Sache sind (in italienischen Städten sind sie längst die Regel), so zweifelhaft ist, dass sie oberste Priorität haben. Wie gesagt: Parteipolitisch ist das nachvollziehbar. Vassilakou sollte es jedoch nicht nur darum gehen. Sie ist nicht Vizeparteichefin, sondern -bürgermeisterin aller Wienerinnen und Wiener.

Konkret: Die Innenstadt hat allenfalls ein Parkplatzproblem. Die entscheidenden Verkehrsprobleme spielen sich nicht dort ab, sondern auf der Südosttangente, dem Gürtel, der Nordbrücke, der Westein- und -ausfahrt und auf vielen anderen Straßen darüber hinaus. Würde sich Vassilakou in diesen Fällen nur halb so aufsehenerregend um Lösungen bemühen, wie bei der City, wäre viel gewonnen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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