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Explosionen und Hunger: Das Leiden der Ukrainer im Kriegsgebiet

Zerstörung in der ukrainischen Stadt Charkiw.
Zerstörung in der ukrainischen Stadt Charkiw. ©AFP PHOTO / Ukraine Emergency Ministry press service / handout
Hunger, Explosionen und Angst plagen die ukrainische Bevölkerung in den Kriegsgebieten am sechsten Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine.
LIVE-Blog zur Ukraine am Dienstag
Unbewaffnete stellen sich russischen Panzern entgegen

Wenn Tatjana Kolesnik aus der ostukrainischen Stadt Charkiw den Kühlschrank öffnet, findet sie dort nicht mehr viel. Ein bisschen Butter, zwei Eier, einen halben Liter Buttermilch. Ein, zwei Kilo Getreide habe sie auch noch und etwas Fleisch im Gefrierfach. "Wir Erwachsenen essen mittlerweile nur noch einmal am Tag", schreibt die Künstlerin der dpa über Facebook. "Unsere Kinder versuchen wir, noch (vor Rationierung) zu verschonen, aber sie jammern auch schon."

Explosionen und Hunger: Das Leiden der Ukrainer im Kriegsgebiet

Am Tag fünf nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine spitzt sich die Versorgungslage zu. Aus mehreren Städten berichten Menschen am Montag, dass es immer schwieriger werde, an Lebensmittel zu kommen. Bilder leerer Supermarktregale kursieren in sozialen Medien. Laut einer Liste der Kiewer Stadtverwaltung von Montag sind auf dem ganzen Gebiet der 2,8-Millionen-Einwohner-Metropole lediglich noch 37 Apotheken geöffnet.

Gefechte und Explosionen in mehreren Städten der Ukraine

Aus mehreren Städten werden erneut schwere Gefechte und Explosionen gemeldet - aus Charkiw Beschuss durch Mehrfachraketen auf Wohngebiete. Das nährt die Befürchtung, dass die russische Seite weiter eskalieren könnte. Ein wenig Hoffnung macht die Nachricht, dass erste Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland aufgenommen worden seien.

Stadtverwaltung Kiews verhängte Montagmorgen Ausgangssperre

Die Stadtverwaltung Kiews erklärt am Montagmorgen, die Menschen, die nun nach rund eineinhalb Tagen Ausgangssperre wieder auf die Straßen dürfen, sollten sich nicht wundern: Panzersperren, neue Befestigungen und andere Verteidigungsstrukturen seien in der Stadt installiert worden. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt werden allerdings dazu aufgerufen, nach Möglichkeit weiter zu Hause zu bleiben.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hielt Videoansprache

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko erklärt in einer weiteren Videoansprache, die Sicherheitskräfte hätten mehrere Sabotagegruppen ausgeschaltet und gefangen genommen. Er warnt mit lauter Stimme auch mögliche Plünderer - diese würden nach dem Kriegsrecht ohne Vorwarnung "neutralisiert". Der ukrainische Generalstab geht davon aus, dass Kiew weiter das Hauptziel des russischen Angriffs ist.

Brennende Infrastuktur und ermunternde Nachrichten

Zwischen den Meldungen über brennende Infrastruktur und andauernde Angriffe im Land versuchen sich die Ukrainer in sozialen Medien trotz der bedrohlichen Lage gegenseitig Mut zuzusprechen und ermunternde Nachrichten zu verbreiten. Der bekannte Sänger der Gruppe Boombox, der selbst in einen Freiwilligenverband zur Verteidigung in Kiew eingetreten war, singt vor der berühmten Sophienkathedrale in Militärhose und mit umgehängter Waffe a cappella ein patriotisches Lied.

Unbewaffente Bewohner stellen sich in Dniprorudne vor Panzer

Zu einem Helden steigt unterdessen der Bürgermeister der Kleinstadt Dniprorudne auf, der mit mehreren unbewaffneten Bewohnern seiner Stadt russische Panzer dazu bringt, kehrt zu machen. Und für viele überraschend tritt Olexander Ussyk, der ukrainische Boxweltmeister im Schwergewicht, ebenso dem Freiwilligenverband zur Gebietsverteidigung bei. Er stammt von der von Moskau annektierten Krim und hatte es vor dem Krieg immer vermieden, Russland zu kritisieren.

Lärm von Gefächten und Einschlägen liegt über Charkiw

Solche Mutmacher bringen aber nur kurze Ablenkung. Tatjana Kolesnik aus Charkiw erzählt, sie höre den ganzen Tag über Gefechte und Einschläge in der Stadt. Immer wieder werde auch der Luftschutzalarm ausgelöst. Dann liefen alle in den Gang, denn ihre alternde Mutter sei zu schwach, es so oft in den Keller und wieder hinauf zu schaffen. Der Sohn huste bereits.

Männer heben Abwehrgräben aus - elf Menschen bei Beschuss getötet

Die Ehemänner von Kolesniks Freundinnen seien draußen und würden Abwehrgräben ausheben. Der Hunger sei noch nicht groß genug, den Vater bei dem sich immer weiter verstärkenden Gefechtsgeräuschen hinauszuschicken, um etwas Essbares zu besorgen. Die Gefahr ist real: Mindestens elf Menschen wurden am Montag in der Stadt durch den Beschuss mit Mehrfachraketenwerfern getötet.

Gespräche an der ukrainisch-belarussischen Grenze

Die Gespräche an der ukrainisch-belarussischen Grenze, sagt Kolesnik, verfolge sie sehr genau. Gerade eben habe sie erfahren, dass ihr Nachbarhaus getroffen worden sei. "Umso mehr warte ich auf Resultate dieser Gespräche."

(APA/Red)

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