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"Evo"-Wienbesuch: Bolivien nach neuem Muster

Ende Jänner hat Evo Morales ein Etappenziel erreicht: Rund 60 Prozent stimmten für eine neue Verfassung, mit der Morales Bolivien umgestalten und die "Indigenas" aus dem Abseits holen will. Der bolivianische Präsident war zu Gast in Wien.

Der diskriminierten Indio-Mehrheit – sie macht rund 70 Prozent der Bevölkerung aus – werden nun mehr Rechte und dem Staat größere Kontrolle über die Wirtschaft zugestanden.

Damit sollen die Indios auch bei der Umverteilung des Wohlstands künftig besser abschneiden. Bisher waren sie weitgehend aus dem soziokulturellen wie politischen und wirtschaftlichen Leben ausgegrenzt. Widerstand gegen Morales üben die wohlhabenderen, von der konservativen Opposition beherrschten Provinzen im Osten und Süden des Landes, Santa Cruz, Tarija, Beni und Pando waren mehrheitlich gegen die Verfassung.

Der bald 50-Jährige bot Verhandlungen an. Das klang etwas entspannter als die Rhetorik im September 2008: Damals stand der Anden-Staat am Rande eines Bürgerkriegs. In den vier Provinzen war eine Rebellion ausgebrochen, die in massiven Autonomieforderungen gipfelte. Seine Gegner brandmarkten die Pläne von Morales als “Kommunismus”, Zusammenstöße kosteten rund 20 Anhängern des Präsidenten das Leben. Letztlich gab es – nicht zuletzt durch Vermittlung der Kirche – eine Einigung auf besagtes Verfassungsreferendum.

Evo Morales: Auch Gegenwind 

Die Zustimmung zu Morales und seinem “Movimiento al Socialismo-Instrumento Politico por la soberania de los pueblos” (“Bewegung zum Sozialismus-Politisches Instrument für die Souveränität der Völker”/MAS-IPSP) war aber etwas geringer als erwartet. Der Widerstand im östlichen und südlichen Tiefland, wo das BIP pro Kopf das Dreifache der westlichen Anden-Gebieten mit überwiegender Indio-Bevölkerung ausmacht, wird nicht verschwinden, die Autonomieforderungen könnten rasch wieder zu (taktischen) Abspaltungsdrohungen mutieren.

Mit seinem sozialistischen Gesellschaftsmodell prallt der frühere Anführer der Koka-Bauern seit Anfang 2006 mit den Exponenten des Neoliberalismus in Santa Cruz zusammen. Dort wird ihm vorgeworfen, auf dem Rücken der Wirtschaftselite Politik für die eigene Klientel zu machen, die überproportional privilegisiert werde. Morales habe nur die Indios des Hochlands im Auge, während sich die Ressourcen des Landes – fruchtbarer Boden und Gas – unten befinden, von wo dem Staat auch die meisten Steuern zufließen.

Kritik war zuletzt aber auch aus den eigenen Reihen gekommen. Manchen Indigenen gingen die Reformansätze wiederum nicht schnell und weit genug. Im Alltag habe sich in drei Jahren Morales noch nichts Wesentliches verändert.

Partner Chavez 

Morales gilt auch als Partner des linkspopulistischen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez. Mit ihm ist er ideologisch verbunden, zudem setzt sich auch Chavez für die Ureinwohner ein. Das genuine Engagement für die Indigenas macht Morales aber zu einem eher einzigartigen Phänomen im heute als linkslastig geltenden Lateinamerika.

Morales bei der UNO in Wien 

In Wien stellte Morales am Mittwoch bei einer Konferenz in der Wiener UNO-City seine Strategie im Kampf gegen den Drogenhandel vor. Sein Auftritt hatte das eigenwillige Motto “Ja zum Kokablatt! Nein zu Kokain!” (“Coca si! Cocaina no!”) – getreu seiner Devise, dass das Kauen des Blattes mit Drogenkonsum nichts zu tun habe. “Das Kokablatt selbst ist keine Droge.” Sowohl vor der UNO als auch vor der Presse hielt er eine flammende Verteidigungsrede für das Kokablatt und forderte eine Neubewertung der Tradition des Kokablatt-Kauens. Zugleich zeigte sich Morales aber auch einem kontrollierten Koka-Anbau und einer strengen Bekämpfung des Kokains verpflichtet.

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