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EU/Türkei: "Unfair", aber nicht das Ende

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Einschränkung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara als unfair kritisiert.

Der Beschluss der EU-Außenminister vom Montag, acht der 35 Verhandlungskapitel unter Verschluss zu halten, sei „eine Ungerechtigkeit gegenüber der Türkei“, sagte Erdogan am Dienstag vor Abgeordneten seiner Regierungspartei AKP. Zugleich kündigte er ein Festhalten an den Beitrittsverhandlungen an: „Wir müssen unsere Reformen mit unverminderter Entschlossenheit fortsetzen.“ Er bedauere, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei nunmehr einer „ernsten Prüfung“ ausgesetzt seien, sagte Erdogan. Die EU-Entscheidung stehe auch „nicht im Einklang mit der Dimension“, die die gegenseitigen Beziehungen erreicht hätten. Die Forderung der EU nach einer Anerkennung Zyperns sei eine „Ungerechtigkeit“. Ankara wolle eine „gerechte, dauerhafte und umfassende Lösung“ des Konflikts um die seit 1974 geteilte Insel, doch werde die EU „nie der Ort“ dafür sein. Vielmehr müsse die UNO eingreifen. Die EU-Außenminister reagierten mit ihrem Beschluss auf die Weigerung der Türkei, ihre See- und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge aus dem EU-Staat Zypern zu öffnen. Die Chefdiplomaten kamen Ankara jedoch entgegen, indem sie eine Aufhebung der Handelsbeschränkungen gegen den isolierten türkischen Nordteil Zyperns in Aussicht stellten. Es bestehe “Übereinstimmung“, dies bereits bei einem der nächsten Außenministertreffen zu beschließen, sagte der finnische Ressortchef und amtierende EU-Ratspräsident Erkki Tuomioja am Montagabend.

Bisher hatte die Regierung des griechischen Südteils von Zypern, die völkerrechtlich die einzig anerkannte Vertretung der Insel darstellt, Erleichterungen für den türkischen Norden stets blockiert. Zypern bekannte sich nach Angaben des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier außerdem „zur Notwendigkeit der politischen Lösung des Zypernkonflikts, und zwar unter dem Dach der Vereinten Nationen“. Ein erster UNO-Plan zur Wiedervereinigung der geteilten Insel war kurz vor dem EU-Beitritt Zyperns 2004 von den griechischen Zyprioten abgelehnt worden. Zufrieden zeigten sich am Dienstag vor allem die „Hardliner“ in der Türkei-Frage. „Wichtig ist, dass es eine einheitliche und deutliche Botschaft an Ankara seitens der 25 (EU-Staaten) gibt“, sagte die griechische Außenministerin Dora Bakoyannis im Athener Fernsehen. Ihr zypriotischer Amtskollege Giorgos Lillikas sagte: „Es gibt das, was wir wollten: Jährliche Kontrollen des Werdegangs der türkischen Anpassung.“ Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hob hervor, dass die Staats- und Regierungschefs künftig regelmäßig mit dem Thema Türkei-Verhandlungen befasst werden. „Ich bin sehr zufrieden“, sagte sie in Berlin. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) wertete den Beschluss der Minister als Beleg dafür, dass es bei dieser Erweiterung keine Automatik gebe. „Wir glauben, dass etwas anderes herauskommen wird als die Vollmitgliedschaft“, sagte er vor Journalisten in Wien.

Während Außenministerin Ursula Plassnik (V) am Dienstag vor dem Hauptausschuss des Nationalrates von einem „de facto Verhandlungsstopp“ sprach, relativierte ein hoher Kommissionsbeamter die Tragweite des Beschlusses. Es blieben „genügend Verhandlungskapitel übrig, um die Verhandlungen voranzutreiben“, sagte der frühere EU-Chefverhandler mit Zypern, Leopold Maurer, im Ö1-Mittagsjournal. Die 26 restlichen Kapitel – eines von 35 ist bereits abgeschlossen – seien eine „riesige Verhandlungsmasse“. Die Ministerentscheidung sehe nur „nach außen“ wie eine sehr harte Maßnahme aus, tatsächlich sei sie ein „guter Kompromiss“, bei dem „niemand etwas verloren hat“.

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