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Europawahl: Gute Chancen für Rechtspopulisten

Europawahl: Rechtspopulisten im Aufwind.
Europawahl: Rechtspopulisten im Aufwind. ©APA
Rechte Parteien setzen in vielen EU-Staaten auf den Frust über die Brüsseler Krisenpolitik - und hoffen darauf, möglichst viele Abgeordnete ins neue Europaparlament zu entsenden.

Brüssel. Bei der Europawahl Ende Mai könnten in vielen der 28 EU-Mitgliedstaaten Rechtspopulisten erstarken. Im folgenden ein Überblick über die Wahlchancen rechtslastiger Parteien.

Rechtspopulisten bei Europwahl 2014

FRANKREICH: Mit einer Distanzierung von klar rechtsradikalem Gedankengut hat Marine Le Pen die Front National zu einer für viele Franzosen wählbaren Partei gemacht. Offene Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus sind unter der Führung der 45-Jährigen inzwischen tabu, stattdessen wird populistisch auf Themen wie Rente mit 60, mehr Sicherheit sowie eine Abgrenzung von EU und NATO gesetzt. Bei der Europawahl könnte die FN laut Umfragen zweitstärkste oder sogar stärkste französische Partei werden. Meinungsforschern zufolge profitiert sie vor allem von der Unbeliebtheit der linken Regierung unter Staatschef François Hollande sowie den Affären und Streitereien in der konservativen UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Die schlechten Umfragewerte der Regierung werden vor allem auf die Arbeitslosigkeit zurückgeführt, die etwa doppelt so hoch ist wie in Deutschland.

NIEDERLANDE: Die “Partei für die Freiheit” (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders könnte nach ersten Umfragen mit 16,6 Prozent der Stimmen und fünf Sitzen als stärkste Kraft aus der Europawahl hervorgehen. Wilders fährt einen harten Abgrenzungskurs gegen Europa. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der französischen Front National, Marine Le Pen, will er ein neues Rechtsbündnis im EU-Parlament schmieden. Er kritisiert den freien Zuzug von Arbeitnehmern vor allem aus Osteuropa und macht sich stark für einen EU-Austritt der Niederlande sowie die “Befreiung vom Diktat Brüssels”. Im niederländischen Parlament ist die Wilders-Partei fünftstärkste Fraktion, gleichauf mit den Linksliberalen.

GRIECHENLAND: Die rechtsextremistische und rassistische griechische Partei Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi) ist in allen Umfragen für die Europawahl viertstärkste Kraft. Sie könnte etwa sechs bis neun Prozent bekommen und damit einen oder zwei Abgeordnete der 21 Mandatsträger Griechenlands stellen. Zahlreichen Parteifunktionären wirft die griechische Justiz vor, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben. Der Parteichef und fünf weitere Abgeordnete sind bereits inhaftiert. Die Partei profitiert vom Frust vieler Bürger, die die etablierten Politiker und Parteien wegen der schweren Finanzkrise abstrafen wollen. Eine Hauptforderung ist, alle Ausländer – vor allem Asiaten und Afrikaner – aus Nicht-EU-Staaten aus Griechenland auszuweisen. Zudem verlangt die Partei den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Mitglieder zeigen öfter den Hitlergruß.

In GROßBRITANNIEN könnte die Europawahl zu einem Triumph der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) um ihren Parteichef Nigel Farage werden. Umfragen sehen die Euroskeptiker derzeit bei knapp unter 30 Prozent, vor Labour und den regierenden Torys von Premierminister David Cameron. Farage gewann kürzlich zwei Fernsehduelle gegen den Liberaldemokraten Nick Clegg und sieht sich als Anführer einer “Armee des Volkes”. Die Partei steht vor allem für den Austritt Großbritanniens aus der EU und für deutliche Einschnitte bei der Zuwanderung. So sollen Einwanderer in den ersten fünf Jahren keinen Zugriff auf Sozialleistungen und ihre Kinder kein Recht auf freie Bildung haben. Kaum Chancen werden dagegen der noch weiter rechts stehenden British National Party (BNP) eingeräumt, obwohl sie 2009 immerhin auf sechs Prozent gekommen war.

FPÖ will “Denkzettel”-Wahl

ÖSTERREICH: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) will den Urnengang zu einer “Denkzettel”-Wahl für die rot-schwarze Regierung in Wien machen, deren Popularität einem Tiefpunkt entgegenstrebt. Verschiedene Umfragen sehen die FPÖ mit rund 25 Prozent auf Platz eins vor SPÖ und ÖVP. Sie könnte aus der Europawahl als große Wahlgewinnerin hervorgehen, wenn sie alle Protest-Wähler auch weit jenseits des fremdenfeindlichen Lagers gewinnt. Daher gelten jüngste Äußerungen ihres Spitzenkandidaten Andreas Mölzer über die EU als “Negerkonglomerat” als Gefahr für den Wahlerfolg. Bisher hat sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hinter Mölzer gestellt, aber Konsequenzen zuletzt nicht mehr ausgeschlossen.

In ITALIEN hat sich die Lega Nord “regionalen Nationalismus”, Föderalismus und Autonomie auf die Fahnen geschrieben. Sie zählt zu den klassischen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Zeitweise durch Silvio Berlusconi in eine Mitte-Rechts-Koalition eingebunden, driftet die im Jahr 1989 gegründete “Lega Nord für die Unabhängigkeit Padaniens” inzwischen wieder allein durch die Parteienlandschaft – immer in Konfrontation zum armen Süden und zur Hauptstadt Rom. Bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 halbierte sich ihr Stimmenanteil gegenüber 2008. Bei den Europawahlen 2009 hatte die inzwischen von Roberto Maroni geleitete Partei noch ihr bestes europäisches Ergebnis erzielen können: 10,2 Prozent und damit neun Mandate. Populismus ist in Italien heute gewichtiger in anderen Gruppierungen vertreten, die nicht zu den Rechtsextremisten zu zählen sind – beispielsweise in Beppe Grillos “Fünf-Sterne-Bewegung”.

In FINNLAND stehen die rechtspopulistischen “Wahren Finnen” gut da. Sie sind drittstärkste Kraft im Parlament. Und ein Abgeordneter der Partei von Timo Soini sitzt schon im Europaparlament: der 36-jährige Sampo Terho. Bei einer Umfrage des finnischen Rundfunks zur Europawahl wurden sie Ende 2013 nach Konservativen und Zentrumspartei drittstärkste Partei. Die “Wahren Finnen” haben sich von einer kleinen Protestpartei zu einer wichtigen Kraft entwickelt, obwohl sie regelmäßig wegen rassistischer oder sexistischer Äußerungen am Pranger der Medien stehen. Die Partei ist unter anderem strikt gegen Hilfszahlungen an überschuldete EU-Länder.

In DÄNEMARK gilt die rechtspopulistische Volkspartei (Dansk Folkeparti – DF) als Architektin der rigiden Ausländerpolitik und hat in den vergangenen Jahren noch einmal stark an Unterstützung gewonnen. Bei Meinungsumfragen war die DF zuletzt sogar die Partei mit dem zweitgrößten Zuspruch. Vor allem gegen die Einwanderung von Muslimen fährt sie eine harte Linie. Bei der Europawahl 2009 errang die DF bereits zwei Mandate – und hat auch diesmal gute Chancen, wieder in das Parlament einzuziehen.

In SCHWEDEN wurden die Schwedendemokraten bis vor einigen Jahren dem rechtsextremistischen Lager zugerechnet, sie selbst nennen sich nationalistisch. Noch sitzen die “Sverigedemokraterna” nicht im Europaparlament, doch stecken sie viel Geld in ihren Wahlkampf. Parteivorsitzender ist seit 2005 Jimmie Åkesson. Zwei bis drei Mandate erhofft er sich. Die Schwedendemokraten wollen den “Erweiterungseifer” der EU dämpfen und Grenzkontrollen wieder einführen.

DEUTSCHLAND: Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gilt als bedeutendste rechtsextreme Kraft in der Bundesrepublik. Ausländerhass und Antisemitismus sind laut Bundesamt für Verfassungsschutz in der Partei tief verwurzelt. Der Bundesrat hat im Dezember einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Derzeit ist die NPD in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Bei der Bundestagswahl 2013 erreichte sie nur 1,3 Prozent. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Klausel bei der Europawahl gekippt hat, hofft die NPD auf ihren ersten Einzug ins Straßburger Parlament.

In der SLOWAKEI hetzt die minderheitenfeindliche Nationalpartei SNS gegen slowakische Ungarn und Roma – Ausländer gibt es in der Slowakei kaum. Aber auch Homophobie ist der Partei nicht fremd. Derzeit ist die SNS mit einem Abgeordneten (Jaroslav Paska) im Europaparlament vertreten. Aus dem slowakischen Parlament flog sie hingegen 2012 hochkantig hinaus, nachdem ihre Minister bei einer früheren Regierungsbeteiligung mehr durch Korruptionsverdacht als konstruktive Arbeit auffielen. In nationalen Umfragen bewegt sich die SNS seit mehreren Monaten an der für einen Parlamentseinzug in der Slowakei gültigen Fünfprozenthürde.

In LETTLAND ist die Nationale Allianz derzeit mit 13 Abgeordneten im Parlament vertreten und gehört seit 2011 der Regierung an. Im EU-Parlament hat die Partei derzeit einen Abgeordneten, der der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten angehört. Anfang März kam sie in einer Umfrage auf den vierten Platz in der Wählergunst. Die Partei beteiligt sich traditionell am umstrittenen Gedenkmarsch der lettischen SS-Veteranen in Riga.

In LITAUEN tritt die rechtspopulistische Partei “Partei für Ordnung und Gerechtigkeit” an. Gründer und Vorsitzender ist der 2004 wegen Amtsmissbrauchs abgesetzte Ex-Präsident Rolandas Paksas. Er selbst darf deshalb kein öffentliches Amt in Litauen mehr bekleiden, sitzt aber seit 2009 im EU-Parlament. Dort gehört er als einer von zwei gewählten EU-Abgeordneten der Partei der Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie an.

Die 2003 in UNGARN gegründete Partei Jobbik (Die Besseren) zog 2009 mit 14,7 Prozent ins Europaparlament ein. Seit 2010 sitzt Jobbik auch als drittstärkste Kraft im Budapester Parlament. Hass-Rhetorik gegen Minderheiten hatte den Aufstieg beschleunigt. So diffamierte etwa der frühere Jobbik-Vize Csanad Szegedi Sozialhilfe für Roma als “staatlich subventionierte Zigeuner-Züchtung”. Jobbik-Propaganda – auch in Straßburg – richtet sich zudem gegen Juden und Homosexuelle. Tendenziell legt sie in der Wählergunst immer noch zu. Bei der Parlamentswahl am letzten Sonntag gab ihr bereits jeder fünfte Wähler seine Stimme. Bei der Europawahl, bei der die Beteiligung grundsätzlich niedriger ist, dürfte sie noch besser abschneiden.

(APA/Red)

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