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"Europäische Islamisten und Neonazis am Krieg beteiligt"

Die Unabhängigkeit des Kosovo wird von vielen Serben nach wir vor nicht anerkannt.
Die Unabhängigkeit des Kosovo wird von vielen Serben nach wir vor nicht anerkannt. ©Reuters
30 Jahre Jugoslawienkrieg: Im dritten und abschließenden Teil der VOL.AT-Serie beleuchtet der Bregenzer Historiker und Slawist Mag. Elmar Hasovic die Auswirkungen der Konflikte auf Österreich.
30 Jahre Jugoslawienkrieg: Teil 1
30 Jahre Jugoslawienkrieg: Teil 2
"Aktion Montafon" an der Grenze Jugoslawiens

VOL.AT: Welche Auswirkungen haben die Jugoslawienkriege auf die österreichische Gesellschaft? Und wie stehen sich Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien heute gegenüber, auch hierzulande?

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Mag. Elmar Hasovic: Falls Sie damit auf eine mögliche Übertragung der Konflikte auf österreichisches Staatsterritorium anspielen, dann würde ich sagen, dass diese Gefahr nicht besteht, weil die meisten hier lebenden Ex-Jugoslawen ziemlich indifferent sind, wenn es um die in der ehemaligen Heimat ausgetragenen politischen Konflikte geht. Das war während des Krieges nicht immer der Fall. Es kommt allerdings hin und wieder zu kleineren Vorfällen, je nachdem wie man das sehen möchte. So wurde kürzlich ein aus Bosnien stammender, dem österreichischen Bundesheer von der IGGÖ zur Verfügung gestellter, Imam seitens der Verteidigungsministerin Tanner entlassen. Der Imam hatte auf seiner Facebookseite Bilder von zwei ehemaligen Offizieren der Bosnischen Armee "ARBiH" aus dem Krieg gepostet – die dort als Helden verehrt werden. Das wurde seitens eines selbsternannten "Islamistenjägers" in einen islamistischen Kontext gebracht und gemeldet. Auch wenn es sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dass der Imam nichts mit Islamismus zu tun hat, blieb die Entlassung aufrecht. Argumentiert wurde das mit der besonders sensiblen Rolle, welche das Bundesheer im Rahmen der EUFOR in Bosnien ausübt.

Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärungen der Nachfolgestaaten.

Als positiv für Österreich hat sich die Integration der ehemaligen Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien erwiesen. Die meisten gelten als gut in die Arbeitswelt und die Gesellschaft integriert. So ist z.B. die heutige Justizministerin Alma Zadić im Kleinkindalter aufgrund des Krieges in Bosnien nach Österreich gekommen. Für Bosnien erweist sich ein solcher Bevölkerungsschwund, der im Übrigen aufgrund der instabilen politischen Lage bis heute andauert, als fatal. Es wandern insbesondere gut ausgebildete Menschen ab. Viele aus höheren Bildungsschichten. Die Ausbildung eines Arztes oder einer Ärztin, um nur ein Beispiel zu nennen, ist ja nicht gerade billig. Diese Menschen wandern dann oft nach ihrer Ausbildung aus, um im Ausland zu arbeiten – größtenteils in Deutschland, aber auch in Österreich und anderen Staaten.

Es kommt auch immer wieder dazu, dass gewisse Politiker in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, den alten Konflikt rhetorisch aufheizen um damit innenpolitisch zu punkten. Auch gibt es noch klar ungelöste politische Fragen und Territorialkonflikte: So erkennt Serbien die Unabhängigkeit des Kosovo nach wie vor nicht an. Im Norden des Kosovos lebt ja auch eine serbische Minderheit und diese möchte sich nicht mit dem Umstand abfinden, nun in einem von Albanern dominierten Staat leben zu müssen.

Sarajevo, Kriegsbeginn April/Mai 1992. ©handout/Hasovic

VOL.AT: Wie beurteilen Sie die damalige Flüchtlingswelle im Vergleich zu aktuellen Migrationsbewegungen, z.B. in der Syrienkrise?

Mag. Elmar Hasovic: Da gibt es deutliche Unterschiede. Damals nahm Österreich an die 60.000 Geflüchtete aus dem ehemaligen Jugoslawien auf – hier hat das Innenministerium sofort reagiert. Auch die Bilder in den Köpfen der Menschen waren andere. Die Nähe des Kriegsgebiets, die täglich gelieferten Berichte, die Natur der Berichterstattung, führten dazu, dass sich die meisten solidarisierten. Viele Österreicher waren vor dem Krieg schon mal in Jugoslawien, haben Verwandte, etc. Bei Syrien, welches bekanntlich geografisch weit entfernt von Österreich ist, gehen viele fälschlicherweise davon aus, dass es sich um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge handelt, auch wenn Syrien vor dem Krieg verhältnismäßig kein armes Land war. Auch trägt der allgemeine Rechtsruck in Europa dazu bei, dass viele Staaten, oder große Bevölkerungsteile der betroffenen Staaten, eben ablehnend gegenüber Geflüchteten stehen. Dennoch muss auch betont werden, dass die Menschen trotzdem aufgenommen wurden. Viele harren leider immer noch in improvisierten Lagern vor der Haustür der EU oder gar in der EU selbst aus, Stichwort "Moria".

VOL.AT: Welche Auswirkungen hatten/haben die Kriege auf eine gesamteuropäische Union und wie sehen Sie die Zukunft des Westbalkan?

Mag. Elmar Hasovic: Eine der Auswirkungen haben wir bereits erwähnt: Menschen die Zuflucht suchten. Da ist aber noch mehr. Es wurde allgemein wenig thematisiert, aber die Kriege in Jugoslawien wurden teils mithilfe von Freiwilligen aus der gesamten Welt, insbesondere aus Europa und einigen muslimischen Ländern ausgefochten. Es kamen Neonazis aus Europa, griechische und russische Nationalisten, oder eben schon damals Islamisten, um die eine oder andere Seite zu unterstützen, aber im Grunde um für eigene Interessen und Ideologien zu kämpfen. Diese Tatsache hatte damals kein so großes gesellschaftliches Sprengpotenzial wie dies eventuell in einem – wollen wir hoffen, dass es nie wieder dazu kommt – erneuten Krieg heute der Fall sein würde. Man muss kein Seher sein, um zu verstehen, was ein derartiger, teils religiös aufgeladener Krieg mitten in Europa für die EU bedeuten würde.

Slowenien und Kroatien sind bereits in der EU. Ich sehe längerfristig keine Alternative für den Rest des ehemaligen Jugoslawiens, als in der EU. Die Aufnahme dieser Staaten würde in meinen Augen auch keine "Erweiterung der EU" bedeuten, sondern eher eine Konsolidierung europäischer Staaten, die auf vielerlei Arten mit Ländern der Union verbunden sind. So haben beispielsweise bereits viele in Bosnien lebenden Menschen bereits eine EU-Staatsbürgerschaft, nämlich die kroatische.

(VOL.AT)

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