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Europa: Weber (EVP) will Orban-Partei suspendieren

WEber will eine temporäre Suspendierung der ungarischen Regierungspartei Fidesz.
WEber will eine temporäre Suspendierung der ungarischen Regierungspartei Fidesz. ©AP
Manfred Weber von der EVP will mit der EVP offenbar eine temporäre Suspendierung der ungarischen Regierungspartei Fidesz anstreben. Auch die ÖVP will diesen Vorschlag unterstützen.

Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, strebt bei der Vorstandssitzung der Partei am Mittwochnachmittag in Brüssel offenbar eine temporäre Suspendierung der ungarischen Regierungspartei Fidesz an. Bundeskanzler Sebastian Kurz gab am Mittwoch bekannt, die ÖVP würde einen solchen Vorschlag unterstützen.

Zuvor hatte sich bereits die deutsche CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine Suspendierung ausgesprochen. “Solange Fidesz das Vertrauen nicht vollständig wiederherstellt, kann es nicht bei einer normalen Vollmitgliedschaft bleiben”, sagte Kramp-Karrenbauer am Mittwoch. “Ein satzungsmäßiges Einfrieren der Mitgliedschaft und der damit verbundenen Rechte, wie von Manfred Weber angedacht, wäre ein gangbarer Weg.” Weber gehört der bayerischen Schwesterpartei der CDU, der CSU, an.

13 EVP-Mitgliedsparteien fordern Ausschluss

13 EVP-Mitgliedsparteien aus Portugal, Griechenland, Bulgarien, Schweden, Finnland, Litauen, Belgien, Luxemburg sowie dem Nicht-EU-Land Norwegen hatten einen Ausschluss von Fidesz aus der Europapartei gefordert und damit das Votum vom heutigen Mittwoch vom Zaun gebrochen.

Orban, dessen Partei Ungarn seit 2010 mit überwältigender Mehrheit regiert, liegt unter anderem aufgrund des Umgangs seiner Regierung mit Justiz, Medien und NGOs sowie mit Flüchtlingen seit langem über Kreuz mit Teilen der EVP. Er selbst wirft dieser wiederum vor, allzu liberal geworden zu sein und das christdemokratische Erbe verraten zu haben. Unmittelbarer Auslöser für das jetzige Vorgehen gegen Fidesz war eine Plakatkampagne der ungarischen Regierung gegen EU-Kommissionspräsident und EVP-Urgestein Jean-Claude Juncker gewesen, wo Juncker eine Förderung der illegalen Migration und ein Bündnis mit Orbans erklärtem Hauptfeind, dem ungarischstämmigen US-Financier George Soros, vorgeworfen wurde. Juncker forderte am Mittwoch erneut den Ausschluss von Fidesz aus der EVP.

Weber hatte von Orban ein Ende der Plakatkampagne, eine Entschuldigung bei den EVP-Mitgliedsparteien – die Orban in einem Interview mit der “Welt am Sonntag” als “nützliche Idioten” der Linken bezeichnet hatte – sowie Rechtssicherheit für die von Soros gegründete Budapester Central European University (CEU) gefordert. Aufgrund des Vorgehens der Regierung muss die Universität ihre in den USA akkreditierten Programme ab Herbst in Wien weiterführen.

EVP
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Kurz wird bei Sitzung von Nehammer vertreten

Bundeskanzler Kurz sagte am Mittwoch nach dem Ministerrat, Weber werde dem EVP-Vorstand vorschlagen, dass die Mitgliedschaft der Fidesz eingefroren wird und die nächsten sechs Monate mit einem Weisenrat an einer Lösung gearbeitet wird. Die drei Bedingungen Webers habe Orban seinen Informationen nach akzeptiert. Kurz wird bei der Sitzung des Vorstands in Brüssel von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer vertreten.

Orban wird persönlich vor dem EVP-Vorstand auftreten. Er soll laut einem Bericht der ungarischen regierungsnahen Zeitung “Magyar Nemzet” (Mittwochausgabe) eine “markante Rede” vorbereitet haben. “Er wird entschieden für den vom Fidesz schon bisher vertretenen, die Migration ablehnenden und die christlichen Werte schützenden Standpunkt plädieren”, hieß es.

Laut ungarischen Regierungskreisen wäre eine mögliche befristete Suspendierung von Fidesz für Orban wohl nicht hinnehmbar. “Dies wäre die Vorstufe zu einem Ausschluss und damit inakzeptabel”, zitierte “Magyar Nemzet”. Der Politologe Zoltan Kiszelly brachte gegenüber dem Blatt indirekt erneut ein Bündnis mit der polnischen Regierungspartei PiS und der italienischen Lega ins Spiel. Die PiS gehört derzeit der Konservativen-Fraktion (EKR), die Lega wie die FPÖ der Rechtsaußen-Fraktion ENF an.

Vizekanzler Strache erneuert Einladung an Fidesz

Vizekanzler Heinz-Christan Strache (FPÖ) erneuerte unterdessen seinerseits seine Einladung an Fidesz in eine künftige neue Rechtsfraktion. “Ja mein Angebot steht, ich schätze ihn. Sollte das der Fall sein, dass ein Ausschluss oder eine Suspendierung oder was auch immer erfolgt, dann wird er sich sicherlich auch um eine neue Fraktion bemühen”, sagte Strache in Wien im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Die österreichische Opposition kritisierte am Mittwoch in Aussendungen, dass weder Kurz, noch ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas bei dem Votum in Brüssel dabei sein werden. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda forderte die ÖVP auf, für einen Ausschluss von Fidesz zu stimmen. Der Grüne Bundessprecher und EU-Spitzenkandidat Werner Kogler schrieb: “Es gibt (…) schon längst ausreichend Gründe, sich von dieser autoritären Figur (Orban, Anm.) zu trennen.” Auch Claudia Gamon von den NEOS forderte die ÖVP auf, Farbe zu bekennen. Nach der Ankündigung Kurz’, eine Suspendierung zu unterstützen, schrieb sie: “Freiheit und Werte kann man nicht einfrieren.”

EVP-Streit – Orban will offenbar selbst austreten

In der EVP steht offenbar eine Zeitenwende bevor. Nach jahrelangen Querelen mit Ungarns Präsident Viktor Orban und dessen Fidesz-Partei wirft nun möglicherweise Orban selbst das Handtuch und verlässt die EVP. Die Europäische Volkspartei hatte zuletzt eine Suspendierung von Fidesz angestrebt und neue Auflagen für die ungarische Partei verlangt.Orban dürfte diesen nun die Zustimmung verweigern und von sich aus den Schritt zum Austritt zu setzen, statt die Schmach einer Suspendierung und einer Art Beobachtung durch einen EVP-Weisenrat zu erleiden. Einem solchen Weisenrat hätte nach Informationen aus EVP-Kreisen vom Mittwoch vor Beginn der Vorstandssitzung der frühere EU-Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy vorstehen sollen. Laut einem Bericht von “Spiegel Online” sollten zudem Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) sowie der frühere EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering dem Weisenrat angehören. Wenn Orban die EVP verlässt, erübrigt sich allerdings der Weisenrat.

Die von der EVP zuletzt formulierten zusätzlichen Bedingungen betreffend die Behandlung von NGOs, den Kampf gegen Korruption und den Missbrauch von EU-Geldern hätten das Fass zum Überlaufen gebracht, wurde berichtet. Zuvor hatte die EVP-Spitze mit Manfred Weber, der deutschen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, EVP-Chef Joseph Daul und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein sechsmonatiges Einfrieren der Mitgliedschaft von Fidesz in der Europäischen Volkspartei verlangt.

“Nützliche Idioten”: Orban entschuldigt sich für Aussage

Orban selbst hatte sich noch vergangene Woche für seine Aussage entschuldigt, einige andere der EVP angehörende Parteien seien “nützlichen Idioten” der Linken. Der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas kündigte nun am Mittwoch an, dass Fidesz die EVP bei einer Suspendierung selbst verlassen werde. Es gehe um die Ehre von Fidesz und von Ungarn, meinte er.

Mit dem Austritt der Fidesz aus der EVP schwinden auch die Chancen der größten europäischen Parteienfamilie bei den EU-Wahlen im Mai. Dies war auch mit ein Grund, warum die EVP selbst so lange keine klare Positionierung gegenüber Fidesz eingenommen hatte. Der EVP-Spitzenkandidat für die Wahlen und erste Anwärter auf den Posten des neuen Kommissionspräsidenten, Manfred Weber, hatte aber zuletzt klar gemacht, dass er von seinen Bedingungen nicht abweichen werde.

Beim EVP-Vorstand werden aber nur wenige Staats- und Regierungschefs vertreten sein. Neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel haben auch Kurz, Irlands Premier Leo Varadkar, Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow, Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis, der rumänische Präsident Klaus Johannis und Kroatiens Premier Andrej Plenkovic abgesagt. Auch von den rund 50 Parteivorsitzenden nehmen nur wenige teil. Die Anwesenheit von Kramp-Karrenbauer wird als Unterstützung für Weber gewertet.

Möglicher Austritt von Fidesz: Karten werden neu gemischt

Bei einem Austritt von Fidesz werden die Karten für die EU-Wahlen neu gemischt. Die EVP verliert mit Fidesz zwölf EU-Mandatare. Es könnte sein, dass sich die ungarische Partei dann einer rechtsgerichteten Fraktion anschließt. Möglich ist auch, dass die FPÖ mit der Fidesz, der polnischen PIS und der italienischen Lega einen Rechtsblock im Europaparlament bilden könnte. Gulyas war schon Ehrengast von Vizekanzler FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beim Opernball gewesen. Und die Avancen der FPÖ für ein Zusammengehen mit Fidesz hatte zuletzt auch der freiheitliche Delegationschef im EU-Parlament, Harald Vilimsky, bekräftigt.

(APA/Red)

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