EU-Staaten einigen sich auf Notfallplan zum Gassparen

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat die Einigung auf den Notfallplan zur Drosselung des Gaskonsums in der Europäischen Union als "wichtiges Zeichen" bezeichnet. "Europa lässt sich nicht spalten - wir halten Putins perfider Strategie stand", teilte Gewessler nach dem Sondertreffen mit ihren EU-Amtskollegen am Dienstag in Brüssel mit Verweis auf den russischen Präsidenten mit. Sie hob zudem die Solidarität unter den Mitgliedstaaten hervor.
Die Gespräche seien nicht einfach gewesen, räumte Gewessler ein, "aber am Ende zählt das Ergebnis". Österreich habe bereits viel unternommen, um die Abhängigkeit von russischem Gas "deutlich" zu reduzieren, betonte die Energieministerin weiters. "Aber wir sind auch hier auf Zusammenarbeit angewiesen", sagte Gewessler laut Mitteilung mit Blick auf den von der EU-Kommission geplanten gemeinsamen Gaseinkauf. Die Brüsseler Behörde müsse dabei "dringend liefern. Mit dem heutigen Beschluss ist es nicht getan".
Gewessler warnte EU-Amtskollegen vor Abmilderungen des Notfallplans
Vor dem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen hatte Gewessler vor einer weiteren Abmilderung des Notfallplans gewarnt und auf Solidarität gepocht. Es müsse ein "starkes Signal der gemeinsamen Sparanstrengung" geben, hatte die grüne Politikerin betont. "Wir müssen ohnehin sparen", wenn das "alle gemeinsam tun, fällt es für Österreich und Europa insgesamt leichter, die Abhängigkeit" von russischem Gas zu reduzieren.
Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass die EU-Staaten zwischen August und März 15 Prozent des Gases einsparen. Als Vergleich dient der Schnitt der gleichen Zeitperiode in den Jahren 2016 bis 2021. Das Ziel ist zunächst freiwillig, es kann aber im Fall einer Versorgungsnotlage verpflichtend gemacht werden. Vorgesehen sind aber einige Ausnahmen etwa für Inselstaaten wie Malta oder Irland.
EU-Staaten sollen freiwillig 15 Prozent das Gasverbrauchs sparen
Bei Sondertreffen der EU-Energieminister in Brüssel hat sich am Dienstag die notwendige Mehrheit auf einen Notfallplan zur Gaskonsum-Drosselung geeinigt, das bestätigte die tschechische EU-Ratspräsidentschaft. Der Plan soll vor allem die Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.
Nach dem Text für die Rechtsverordnung, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht der Plan wie von der EU-Kommission vorgeschlagen vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.
Einigung mit zahlreichen Ausnahmen
Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere sollen nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.
Konkret bedeutet dies, dass ein Kommissionsvorschlag für verbindliche Einsparziele die Zustimmung einer Gruppe von 15 der 27 EU-Länder braucht. Zudem müssten diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Einige EU-Staaten von Verpflichtung ausgenommen
Ausnahmeregelungen sollen zum Beispiel vorsehen, dass Länder wie Zypern, Malta und Irland nicht zum Gassparen verpflichtet werden sollten, solange sie nicht direkt mit dem Gasverbundnetz eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind. Bei anderen Staaten sollen zum Beispiel Anstrengungen zur Einspeicherung von Gas, eine drohende Stromkrise und der Verbrauch von Gas als Rohstoff etwa zur Erzeugung von Düngemitteln die verpflichtende Einsparmenge reduzieren können.
Die derzeitige tschechische EU-Ratspräsidentschaft rechtfertigte am Dienstag am Rande des Energieministertreffens die vielen Ausnahmeregelungen. "Unterschiedliche Staaten sind in unterschiedlichen Positionen", erklärte der zuständige Minister Jozef Sikela. So fehlten beispielsweise in einigen Ländern Verbindungsleitungen und einige Länder müssten noch viel dafür tun, die Gasspeicher für den Winter ausreichend zu füllen.
Gewessler glaubt Gasspar-Ziel erreichen zu können
Trotz der Ausnahmen glaubt Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne), dass das Ziel erreicht werden kann. Eine weitere Verwässerung lehnt sie allerdings ab. In Österreich habe man bereits im Vergleich zum Vorjahr 10 Prozent eingespart, erklärte die grüne Politikerin. "Das zeigt, Sparen ist möglich, wir können das erreichen, das ist ein Kraftakt, aber es geht." Da werde es Beiträge der Industrie, der öffentlichen Hand und der Haushalte brauchen, betonte Gewessler vor Beginn des Treffens.
Die Energieministerin forderte zudem ein "starkes Signal der gemeinsamen Sparanstrengung". "Wir müssen ohnehin sparen", wenn das "alle gemeinsam tun, fällt es für Österreich und Europa insgesamt leichter, die Abhängigkeit" von russischem Gas zu reduzieren, sagte Gewessler.
Habeck betont Geschlossenheit
Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte unterdessen zu den Ausnahmen, diese hätten für sich genommen alle eine Begründung, die man teilen könne. Sie können seiner Ansicht nach aber auch Grund zur Sorge sein. "Das System darf nicht zu schwerfällig werden, da gibt es eine gewisse Anfälligkeit." Auch er sprach von einem "starken, geschlossenen Signal" und betonte: "Diesen Geist, diese Geschlossenheit und diese Entschlossenheit, die werden wir in den nächsten Monaten dringend brauchen."
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte nach Angaben eines Regierungssprechers: "Für Ungarn ist diese Entscheidung völlig inakzeptabel, und ihre Umsetzung kommt nicht in Frage." Ungarische Interessen würden ignoriert.
SPÖ und NEOS begrüßen Einigung
Andreas Schieder, SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, begrüßte die Einigung der Mitgliedstaaten. "Gleichzeitig benötigen wir aber eine Entlastung für die Bürger*innen durch einen Energiepreisdeckel auf nationaler Ebene - sonst wird die Energiekrise auf dem Rücken der Gesellschaft ausgetragen", forderte er. SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl kritisierte unterdessen das "Hin und Her" der EU-Kommission.
Den "gemeinsamen europäischen Plan" begrüßte auch NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. "Allerdings muss dieser in Österreich national umgesetzt werden und hier vermissen wir von der zuständigen Energieministerin einiges an Engagement", so Doppelbauer.
FPÖ-Mayer kritisiert Notfallplan
"Die einzigen Opfer der derzeitigen Energiepolitik und der Russland-Sanktionen sind unsere Bürger", kritisierte der freiheitliche EU-Abgeordnete Georg Mayer. "Nun sollen wir auch noch unverhältnismäßige Einschnitte im Energieverbrauch hinnehmen, damit Deutschland unbeirrt weitermachen kann."
AK und WWF fordern Energiesparen
AK-Energieexpertin Dorothea Herzele erklärte: "Energiesparen ist besonders in der derzeitigen Energiekrise das Gebot der Stunde." Gleichzeitig unterstütze die AK einen Vorschlag Griechenlands über Maßnahmen zur Entkoppelung von Strom- und Gaspreis, heißt es in einer Aussendung. Thomas Zehetner von der Umweltschutzorganisation WWF fordert "einen von Bundeskanzler Nehammer einberufenen Energiespar-Gipfel" und "bereits jetzt verbindliche Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu senken und für den Winter vorbereitet zu sein".
(APA/Red)