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EU-Kommission für Sparzwang bei Gas-Notfall

Die EU-Kommission will im Notfall Sparzwang für Gas
Die EU-Kommission will im Notfall Sparzwang für Gas ©FOTO: APA/dpa/Jens Büttner (Symbolbild)
Im Fall eines Gasnotstands sollen EU-Staaten nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Gassparen gezwungen werden können. Die EU-Länder müssen dem Vorschlag noch zustimmen.
EU-Kommission stellt Notfallplan vor

Der mit Spannung erwartete EU-Gasnotfallplan sieht in den kommenden Monaten Einsparungen der einzelnen Länder von jeweils 15 Prozent vor. Von August bis März solle so viel Gas im Vergleich zum Durchschnittsverbrauch desselben Zeitraums in den Jahren 2016 bis 2021 eingespart werden, teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Die Verpflichtung auf diese Ziele solle freiwillig sein, könne aber im Fall einer Versorgungsnotlage obligatorisch gemacht werden.

EU-Staaten müssen Sparzwang bei Gas-Notfall noch zustimmen

Die EU-Kommission warnte, dass es ohne große Einsparungen jetzt bei einem Ausbleiben russischer Gaslieferungen im Winter eng werden könne. Ab Freitag sollen Diplomaten der EU-Länder über die Vorlage diskutieren - mit dem Ziel, dass die Energieminister den Plänen am 26. Juli bei einer Sondersitzung zustimmen.

Freiwillig sollen die EU-Länder zunächst alles dafür tun, ihren Verbrauch in den kommenden Monaten um 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der vergangenen fünf Jahre zu verringern.

Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen. Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten.

Widerstand aus Polen gegen Sparzwang

Gegen das Vorhaben regt sich jedoch bereits Widerstand von Ländern wie Polen, die eine von der EU vorgegebene Aktualisierung ihrer eigenen Notfallpläne nicht für notwendig erachten. Die polnischen Gasspeicher sind zu 98 Prozent gefüllt, nachdem Russland die Lieferungen an das Land bereits im April eingestellt hatte. Doch die EU macht Tempo: Es sei wichtig, dass alle Länder jetzt handelten und nicht erst, wenn Russland den Gashahn zudrehe. "Wenn wir warten, wird es teurer", sagte ein EU-Vertreter. "Und es wird bedeuten, dass wir nach Russlands Pfeife tanzen."

Von der Leyen hält Gas-Lieferstopp für wahrscheinlich

Zuletzt gab es Sorgen, dass Russland bei der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach einer geplanten Wartung, die in dieser Woche vorbei sein könnte, den Gashahn nicht wieder aufdreht.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält einen kompletten Lieferstopp von Gas aus Russland in die Europäische Union für wahrscheinlich. "Wir müssen uns auf eine mögliche vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten", sagte die Politikerin am Mittwoch in Brüssel. "Dies ist ein wahrscheinliches Szenario."

Man habe schon in der Vergangenheit gesehen, dass Russland versuche, Druck auf die EU auszuüben, indem es die Gasversorgung reduziert. Ein kompletter Lieferstopp würde von der Leyen zufolge alle EU-Staaten schwer treffen. Zugleich betonte sie, dass die EU die Schwierigkeiten bewältigen könne, wenn sie geschlossen handle.

Timmermans ruft EU-Mitglieder zum Gassparen auf

Vorsorgliches Gassparen kann nach Einschätzung der EU-Kommission die Folgen eines möglichen Lieferstopps durch Russland abfedern. "Wir können potenzielle Verluste des Bruttoinlandsprodukts reduzieren, wenn wir jetzt präventive Kürzungen vornehmen", sagte Vizepräsident Frans Timmermans am Mittwoch zur Vorstellung von Planungen für einen Gasnotstand. Deswegen rufe man die Mitgliedstaaten auf, freiwillige Kürzungen vorzunehmen.

Timmermans betonte, dass sich auch Bürgerinnen und Bürger an den Anstrengungen beteiligen können. "Müssen wir die Klimaanlage auf 20 Grad einstellen?" Sie ein bisschen höher einzustellen, bedeute zwar möglicherweise geringeren Komfort. Gleichzeitig könnte es aber beitragen, den Gasverbrauch erheblich zu verringern. "Wenn wir jetzt handeln, können wir entscheiden, wie wir handeln und unser Schicksal in den eigenen Händen behalten", sagte Timmermans.

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf der Niederländer vor, einzelne Länder durch das Abdrehen des Gashahns anzugreifen, um Europa insgesamt zu schwächen. Wichtig sei deswegen eine starke europäische Antwort. Unilaterale Maßnahmen schüfen gravierende Verzerrungen auf dem Binnenmarkten, seien ineffektiv und könnten die Energiesicherheit der gesamten EU gefährden, warnte Timmermans.

Gewessler für mehr Tempo bei Gaseinkauf

Der von der EU-Kommission am Mittwoch vorgestellte Gasnotfallplan wurde in Österreich positiv aufgenommen, es gibt aber Forderungen nach weitreichenderen und schnelleren Maßnahmen. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht in dem von der Kommission vorgeschlagenen Gasnotfallplan einen "wichtigen Schritt". Die Pläne für den gemeinsamen Gaseinkauf seien aber weiterhin vage, hier wünscht sich die Ministerin mehr Tempo.

Welche Maßnahmen die Staaten zur Erreichung des Sparzieles treffen, bleibe ihnen überlassen. Die Vorschläge der Kommission seien insgesamt vernünftig, es sei nun wichtig, keine Zeit bei der Umsetzung zu verlieren. Die EU-Staaten müssen den Kommissionsplänen noch zustimmen, das soll am 26. Juli in einer Sondersitzung der Energieministerinnen und -minister geschehen.

NEOS kritisieren fehlende Modernisierung in Europa

Für NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon führt "am Energiesparen jetzt kein Weg mehr vorbei". In Österreich sieht sie derzeit allerdings "wenig Engagement und wenig Plan". Der Vorschlag der EU-Kommission sei ebenfalls zu kurz gedacht: "Die Kommission löscht hier Brände, anstatt Gesetzesvorhaben in den Bereichen Energie-Infrastruktur oder Gasmarkt anzugehen." Man habe es verabsäumt, die Energie-Infrastruktur oder den Gasmarkt zu modernisieren. Genau das sei allerdings notwendig, um die Abhängigkeit von Erdgas zu verringern und den Klimawandel zu bekämpfen.

FPÖ fordert Ende der Sanktionen gegen Russland

FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte unterdessen ein "sofortiges Ende" der Sanktionen gegen Russland. Europa stehe nun "vor den Trümmern ihrer Sanktionspolitik". Es befinde sich "mitten in einem Wirtschaftskrieg, in dem leider Russland mit seinen Gasvorkommen die schärferen Waffen in der Hand hat", so Kickl. Die türkis-grüne Bundesregierung habe "in höchstem Maße unverantwortlich gehandelt". Der Krieg in der Ukraine könne nicht durch Sanktionen sondern nur am Verhandlungstisch beendet werden, so der Parteichef.

AK-Forderung nach Energsparkampagne und Energieeffizenzgesetz

Auch aus Sicht der Arbeiterkammer (AK) wird in Österreich "derzeit sehr viel geredet und geprüft, aber wenig umgesetzt". Sie wünscht sich eine umfassende Energiesparkampagne und ein neues Energieeffizienzgesetz. Österreich müsse sich außerdem auf EU-Ebene für eine Entkopplung des Strommarktes vom Gasmarkt einsetzen, sodass der Strompreis nicht mehr von den teuren Produktionskosten in Gaskraftwerken getrieben wird (Merit-Order-Prinzip).

WK-Präsident fordert von Österreich rasche Umsetzung der EU-Vorschläge

Für Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sind die Vorschläge der EU-Kommission "erfreulicherweise realistische Lösungsmöglichkeiten". Die Bundesregierung müsse die Vorgaben nun rasch umsetzen. Gleichzeitig sei es notwendig, im Notfallplan für Österreich konkreter festzuhalten, welche Gruppen im Falle eines Gas-Engpasses vorrangig versorgt werden. Mahrer warf die Frage auf, ob tatsächlich nur die Gasversorgung von Haushalten geschützt werden solle: "Was nützt es, wenn ich meine Wohnung heizen kann, aber viele andere lebensnotwendige Güter ohne Produktion nicht verfügbar sind?", so der WKÖ-Chef.

Umweltschutzorganisationen fordern umweltfreundlichere Energieversorgung

Die Umweltorganisation WWF fordert unterdessen einen "Energiespargipfel im Kanzleramt". Das Thema Energiesparen müsse "zur Chefsache werden". "Angesichts der Kombination aus Klimakrise und drohenden Versorgungsengpässen müssen wir jegliche Verschwendung von Energie stoppen", so Hanna Simons vom WWF. Sie will ebenfalls ein neues Energieeffizienzgesetz und den Ausstieg aus Erdgas beim Heizen.

Auch die Umweltorganisation Global 2000 wünscht sich umweltfreundliche Heizsysteme in Österreich und kritisiert, dass die Umstellung von Gasheizungen im Eneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) nicht vorgesehen sei. "Während die EU Gasnotfallpläne schmiedet, verschärft sich die Klimakrise jeden Tag. Es braucht eine Notbremse bei der Verbrennung fossiler Energie", sagte Global-2000-Energiesprecher Johannes Wahlmüller und verwies dabei auch auf das Energiesparen in Betrieben und Haushalten.

Chemische Industrie will "umfassenden Masterplan" für Gasversorgung in Österreich

Die Chemische Industrie forderte unterdessen einen "umfassenden Masterplan" für die österreichische Gasversorgung der kommenden Monate. In diesem müssten sämtliche relevante kurz- und mittelfristige Aspekte erfasst sein, etwa eine fundierte Mengenplanung und Einsparmaßnahmen.

(APA/Red)

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