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Es wird ernst für Kanzler Schröder

Nach der Sommerhitze in Hannover und Verona könnte dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) jetzt auch ein heißer Herbst bevorstehen.

Denn mit den ersten Fraktionssitzungen nach der Sommerpause kehrt das politische Leben nach Berlin zurück. Und da stehen dicke Brocken zur Entscheidung an. Los geht es in dieser Woche mit der Gesundheitsreform. Anfang September kommt dann der Bundestag erstmals wieder zusammen, Ende September der Bundesrat.

Das Aufgabenheft der Politiker ist prall gefüllt: Gesundheit, Rente, Steuern, Arbeitsmarkt, Gemeindefinanzen, eine Reform soll jetzt die nächste jagen. Die SPD resümiert mit einer 2,3 Millionen Euro teuren Werbekampagne: „Deutschland bewegt sich“. Die CDU- Vorsitzende Angela Merkel spricht dagegen von einer totalen Verwirrung. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisiert, dass „jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben“ wird. Und im Bundesrat haben die unionsregierten Länder die Mehrheit. Fünf Monate nach Ausrufung der „Agenda 2010“ wird es jetzt ernst für den Kanzler.

Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) ist zufrieden und Unions-Verhandlungsführer Horst Seehofer (CSU) ist es auch. Während andere Urlaub machten, handelten sie die Gesundheitsreform aus. Doch kaum war die Einigung am Freitag verkündet, hagelte es auch schon Kritik von SPD und Grünen. Zudem fordern die Grünen weiterhin vehement die Bürgerversicherung – eine Diskussion, auf die sich weder Schmidt noch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering jetzt einlassen wollen. Zunächst soll die Gesundheitsreform Anfang 2004 in Kraft treten.

Besonders viele Säue werden nach Ansicht Westerwelles bei der Debatte um eine Rentenreform durch die Republik getrieben. Dazu gehören Spekulationen über Nullrunden, geringere Pensionen, späteres Pensionseintrittsalter und höhere Beiträge zur Pflegeversicherung. An diesem Montag will sich die Rürup-Kommission einigen und am Donnerstag ihren Abschlussbericht vorlegen. Die Gewerkschaftsvertreter in der Kommission haben ein Minderheitenvotum angekündigt. Und Müntefering betont vorsorglich, dass die Politik das letzte Wort habe. Schmidt will ihre Vorschläge für eine Rentenreform im Herbst vorlegen.

Auch das Vorziehen der Steuerreform 2005 um ein Jahr ist noch eine Baustelle. Alle sind dafür, aber die Finanzierung bleibt unklar. Die Union will nicht so viele neue Schulden machen, wie die Regierung. Und vor der bayerischen Landtagswahl am 21. September ist auch kaum mit Zustimmung der CSU zu rechnen. Denn schließlich wären mit der Reform Grausamkeiten wie Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld für Bundesbedienstete, die Streichung der Eigenheimzulage und die Kürzung der Pendlerpauschale verbunden.

Weiteres Großprojekt ist die Neuordnung der Gemeindefinanzen. Dazu soll die Gewerbesteuer geändert werden. Außerdem will Rot-Grün Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum neuen Arbeitslosengeld II zusammenfassen (Hartz IV).

Auch in der Außenpolitik stehen in kommender Zeit schwierige Weichenstellungen an: Zunächst wird eine Entscheidung darüber erwartet, ob die Bundeswehr ihren Einsatz in Afghanistan ausweitet und Soldaten zum Schutz ziviler Aufbauhelfer in den Norden des Landes schickt. Dort sollen sie ein US-Team ablösen. Kritiker sehen darin einen für die Soldaten gefährlichen Versuch Schröders, die ramponierten Beziehungen zu den USA zu verbessern. In dieselbe Kategorie fällt ein möglicher Einsatz der Bundeswehr im Irak.

Bewegt sich Deutschland? Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Kaum bewegt haben sich nach der Serie von Reformvorschlägen des Kanzlers und SPD-Vorsitzenden die Umfragewerte der Sozialdemokraten. Allerdings setzen die Wähler – nach ihren Erwartungen gefragt – auch kaum Hoffnungen auf die Union. 60 Prozent der Deutschen meinen, dass die rot-grüne Bundesregierung ihre Sache eher schlecht macht. Ebenso viele meinen aber, dass auch eine unionsgeführte Regierung keinen großen Unterschied machen würde.

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