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"Es muss immer jemand den Anfang machen"

Nationalspielerin und Ex-SPG Altach/Vorderland-Spielerin Eileen Campbell über ihre sportlichen Ziele, die Entwicklung des Frauenfußballs und Gleichberechtigung im Sport.

WANN & WO: Du hast kürzlich zum SC Freiburg in die Deutsche Bundesliga gewechselt. Wie ist es im Vergleich zu Vorarlberg?

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Eileen Campbell: Es war vor allem menschlich eine Umstellung, weil die Deutschen schon ein bisschen anders ticken. Das Niveau in der Mannschaft ist sehr hoch. Da gibt es keine im Team, wo ich sagen würde, die stecke ich locker in die Tasche. Es sind natürlich auch ganz andere Gegner jetzt und ich kann hier sehr viel mitnehmen. Jedenfalls bereue ich bis jetzt noch nichts (lacht).

WANN & WO: Und privat?

Eileen Campbell: Das war natürlich nicht einfach. Ich hatte ein sehr gutes Umfeld in Vorarlberg. Alle meine Freunde, Familie, einen tollen Job, im Fußball ist es super gelaufen. Als ich ins Nationalteam gekommen bin, stellte sich mein sportliches Ich die Frage, wie weit es gehen könnte, und stellte fest, dass da schon noch Luft nach oben ist. Ich möchte meine Grenzen austesten und nicht irgendwann etwas bereuen müssen. Das war dann schon der ausschlaggebende Grund für meinen Wechsel, weil ich mich nicht in fünf oder zehn Jahren fragen wollte, was hätte sein können. Mit meinem Partner funktioniert es sehr gut, obwohl es sicher keine Dauerlösung ist. Er kann sich vorstellen, nach Freiburg zu kommen, wenn er mit der Schule fertig ist. Ich bin auch nicht aus der Welt, sondern in etwa zweieinhalb Stunden zuhause. Es ist nicht einfach, aber wir unterstützen uns und machen das Beste draus.

WANN & WO: Du hast 2015 ein Probetraining beim SC Freiburg gemacht?
Eileen Campbell: Die Mannschaft war zu dieser Zeit auf Trainingslager in Lech, wo ich an dem Probetraining teilgenommen habe. Das hat mir mega-gut gefallen! Ich war aber erst 15 Jahre alt und so jung schon von zuhause wegzuziehen, kam für mich nicht in Frage. Zu dieser Zeit habe ich noch mit den Jungs in einer Mannschaft gespielt. Der Trainer von Freiburg meinte, dass es von Vorteil sei, wenn ich so lange wie möglich bei den Jungs bleibe. Das habe ich dann beherzigt, bis ich in den Damenfußball gewechselt habe.

WANN & WO: Hat dich dieses Feedback besonders motiviert, diesen Weg zu verfolgen?

Eileen Campbell: Ich habe mich sehr über die positiven Rückmeldungen gefreut. In dem Alter habe ich das aber nicht auf diese Weise eingeordnet. Wenn man so jung ist, ist es ein Hobby und man denkt noch nicht darüber nach, ob man das vielleicht mal zum Beruf machen könnte.

WANN & WO: Wie bist du jetzt beim SC Freiburg gelandet?

Eileen Campbell: Freiburg ist ein Verein, der sehr stark auf junge Spielerinnen baut und gut in der Liga etabliert ist. Darum dachte ich mir, dass ich hier auch ausreichend Spielzeit bekomme. Ich habe ja nichts davon, wenn ich zu einem absoluten Top-Club gehe und dort immer nur in der zweiten Mannschaft spiele oder auf der Bank sitze. Das Gesamtpaket war sehr ansprechend und für mich war Freiburg daher das lukrativste Angebot.

WANN & WO: Sollten Nachwuchstalente solche Chancen auf jeden Fall wahrnehmen?

Eileen Campbell: Klar, aber mir war auch wichtig, die finanziellen Möglichkeiten abzuwägen. Im Frauenfußball ist es nicht so, dass man ausgesorgt hat, wenn man einmal in der Bundesliga gespielt hat. Darum sollte man so eine Entscheidung nicht leichtfertig treffen, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

WANN & WO: Wie bewertest du die aktuelle Situation im Frauenfußball, was Bezahlung und mediale Anerkennung betrifft?

Eileen Campbell: Wenn ich es mit der Situation vor ein paar Jahren vergleiche, hat sich sehr viel getan. Andererseits ist noch sehr viel Luft nach oben. Mir ist klar, dass es aktuell nicht drin ist, dass die Frauen im Fußball gleich viel verdienen, wie die Männer. Die Lücke dazwischen ist aber einfach riesengroß. Das finde ich eigenartig, denn es ist ja der selbe Aufwand, den wir haben. Wenn du in der Deutschen Bundesliga spielst und nebenher noch arbeiten musst, ist das nicht verhältnismäßig.

WANN & WO: Du bist Teil der Kampagne „Das Geschlecht spielt keine Rolle“ des Landes Vorarlberg. Was ist dabei deine Rolle?

Eileen Campbell: Wir wollen zeigen, dass man seine Träume auch trotz Hürden verfolgen soll. Ich denke, dass sich die Situation noch weiter verbessern wird und es für die jungen Mädels ganz andere Chancen geben wird. Natürlich muss immer jemand den Anfang machen. Da sind mir viele vorangegangen und ich denke, da kann ich vielen vorangehen. Mir ist es wichtig, auf diese Themen hinzuweisen und die Vorbildrolle gut zu verkörpern.

WANN & WO: Ist Social Media wichtig für dich?

Eileen Campbell: Ich bin allgemein nicht der Typ, der viel am Handy ist. Ich habe kein Snapchat oder TikTok, sondern bin eher noch von der alten Schule. Da würden mich wohl viele anders einschätzen (lacht).

WANN & WO: Welche Veränderungen wären nötig, dass der Frauenfußball noch attraktiver wird?

Eileen Campbell: Bei der Frauen-WM waren viele Stadien ausverkauft und die Teams durften sich über Rekordkulissen freuen. So wurde viel gute Werbung für den Frauenfußball gemacht. Die mediale Aufmerksamkeit könnte besser werden, denn wenn ich weder den Ort noch die Zeit einer Begegnung herausfinde, ist es schwierig, die Leute zu begeistern. Der Frauenfußball ist aber allgemein attraktiver geworden. Es gibt viele Ausbildungszentren und Schulen, die Trainer sind anders geschult. Auch bei der Taktik hat sich sehr viel geändert, was das Ganze attraktiver anzusehen macht.

WANN & WO: Findest du es gut, dass in dem Game EA FC jetzt auch mit gemischten Teams gespielt wird?

Eileen Campbell: Ja, denn ich denke, genau das sind Dinge, die zeigen, dass es nicht nur den Herrenfußball gibt. Ich verstehe aber auch die Kritik, weil ein direkter Vergleich immer schwierig ist. Es ist die selbe Sportart, aber die körperlichen Attribute sind andere. Ich habe das Gefühl, dass das im Fußball einen höheren Stellenwert hat. Im Skisport ist so ein Vergleich zum Beispiel nie Thema.

WANN & WO: Wie ist es für dich, mit nordirischen Wurzeln, für das Österreichische Nationalteam zu spielen?

Eileen Campbell: Ich bin in Österreich aufgewachsen und kann mich sehr gut damit identifizieren. Natürlich vergisst man nicht wo man herkommt und ich habe immer noch beide Staatsbürgerschaften. Die Tür ins Nationalteam hat sich für mich geöffnet und da ist mir die Entscheidung nicht schwergefallen. Ich bin sehr happy mit der Entscheidung.

WANN & WO: Wie sind deine Ziele beim SC Freiburg?

Eileen Campbell: Ich möchte mich im Team gut etablieren und zu einer Führungsspielerin entwickeln. Für die Mannschaft ist es sportlich gerade nicht einfach, weil wir nicht die Ergebnisse erzielen, die in der Mannschaft stecken. Als Neuzugang kommt man sehr positiv eingestellt ins Team. Diese Vibes möchte ich in die Mannschaft tragen.

WANN & WO: Was vermisst du an Vorarlberg?

Eileen Campbell: Neben Freunden und Familie vermisse ich den Alltag in Vorarlberg, wie die Lokale, in die ich gerne gegangen bin. Ich komme aber recht oft nach Hause, also ist das halb so wild.

Zur Person: Eileen Campbell

  • Alter, Wohnort: 23, Freiburg
  • Beruf: Profi-Fußballspielerin beim SC Freiburg, Österreichische Nationalspielerin
  • Familie: großer Bruder, kleine Schwester; in einer Beziehung
  • Hobbys: Escape-Room-Fan, Schwimmen, Tennis, ein bisschen Adrenalinjunkie, Zeit mit Freunden und Familie verbringen.
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