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"Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich bin total erschrocken."

Pinke Schleifen erinnern im Oktober an die vielen jährlichen Brustkrebsschicksale in Vorarlberg und an die Wichtigkeit der Vorsorge. Zwei Frauen teilen ihre berührende Geschichte mit VOL.AT.

Dagmar Timmers-Fehr muss keine Sekunde nachdenken - sie weiß die genauen Daten ihrer zwei Brustkrebsdiagenosen sofort auswendig: 10. Oktober 2022 und 27. Juni 2024. Den Tag der Diagnose vergesse man natürlich nie, ist sie überzeugt. Beide Male ahnte sie bereits zuvor, "dass etwas nicht stimmt". Sie nahm einen Schmerz in der Brust war und suchte deswegen einen Arzt auf. Ihre Befürchtung bewahrheitete sich: Diagnose Krebs in der linken Brust.

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Brustkrebsmonat
Dagmar Timmers-Fehr betreibt das Hotel Adler in Lingenau. ©VOL.AT/Schwärzler

"Total erschrocken"

"Es war wie neblig vor meinen Augen. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich bin total erschrocken", erinnert sich die Hotel Adler-Betreiberin an die erste Brustkrebsdiagnose zurück. Die Ärzte konnten ihr dann jedoch zum Glück schnell den Irrglauben nehmen, dass dies ein Todesurteil darstellt.

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Dagmar Timmers-Fehr hat das Lachen auch während ihrer Chemotherapie nie verlernt. ©VOL.AT/Schwärzler

Lungenkrebs überholt Brustkrebs

Denn Brustkrebs muss keinesfalls das Ende bedeuten. Um so früher ein Tumor erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen, erklärt Bernhard Hartmann, der Obmann der Krebshilfe Vorarlberg, gegenüber VOL.AT. "Die Krebshilfe mit der Pink Ribbon Bewegung versucht jedes Jahr im Oktober darauf hinzuweisen und Frauen zur Vorsorge zu motivieren", sagt der Oberarzt. Er geht davon aus, dass es jährlich 290 neue Brustkrebserkrankungen in Vorarlberg gibt. Das sind 32 Prozent der Krebsdiagnosen bei Frauen. Bei Frauen hat erstmals die Sterblichkeit bei Brustkrebs in Vorarlberg übertroffen: Nämlich 18 Prozent der Krebstoten fallen auf Lungenkrebs und 17 Prozent auf Brustkrebs.

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Der 45-Jährigen hat Atemübungen für sich entdeckt. ©VOL.AT/Schwärzler

100 statt 200 Prozent

Doch die Unsicherheit bleibt auch noch, wenn der Krebs erfolgreich bekämpft wurde. Kontrolltermine machen die zweifache Mutter jedes Mal nervös - aus Angst, dass der Krebs wieder zuschlägt. Die zweite Brustkrebsdiagnose war dann aber trotzdem leichter für die 45-Jährige als die erste. Schließlich wusste sie schon, was auf sie zukam. Vor der ersten Diagnose dachte die Bregenzerwälderin nicht daran, dass es sie treffen könnte: "Ich war naiv". Schließlich hat keine Frau in ihrer Familie Brustkrebs.

Am Tag der Zweitdiagnose war ein Kindergartenfest. Auch wenn die Diagnose ein Schock war, war es für die zweifache Mutter wichtig, den Alltag weiterzuleben und sich am Leben zu erfreuen. ©Privat

Positiv gestimmt

Anfang Juli hat die 45-Jährige erneut eine Chemoterapie angefangen. Aktuell fehlen ihr noch wenige Chemotherapien. Sie zeigt sich positiv auf die Zeit danach gestimmt. Sie erhofft, dass ihre Haare wieder schön wachsen. Nach der ersten Chemotherapie habe sie viel schönere Locken als zuvor bekommen. Sie hofft, dass dies nun übertroffen wird, träumt sie lachend.

Die Freundin Ruth hat die Hotelbetreiberin während der Chemozeit im Krankenhaus kennengelernt. Sie gab ihr besondere Kraft. Hier gab es einen Grund zu feiern. ©Privat

Besonders haben ihr während den Therapien ihre Familie und ihre Freunde geholfen. Der Alltag im Hotel und auch dass ihre Kinder sie brauchten, motivieren sie, nicht einfach nur im Bett liegen zu bleiben. Dort blieb sie nur an schlechten Tagen. Die Chemotherapie lässt nämlich nicht nur die Haare ausfallen, sondern lösen bei ihr auch Übelkeit und Schwindel und ein Krankheitsgefühl aus.

Etwas Positives kann sie aus ihrer Krebserkrankung mitnehmen: Sie hört mehr auf ihren Körper und fühlt in sich rein. Inzwischen macht sie im Hotel mehr Hintergrundarbeit, weil sie sich vorgenommen hat, nicht mehr 200 Prozent zu geben: "100 Prozent reichen für mich."

Retreat in Planung

An guten Tagen sieht man sie beim Joggen oder hinter der Rezeption im Hotel und mit ihren Kindern. Zudem helfen ihr Atemübungen. Ihre persönliche Erfahrungen möchte sie kommendes Jahr bei Retreats für Frauen mit Brustkrebs in ihrem Hotel in Lingenau weitergeben.

Auch ihr selbst gibt nämlich der Austausch mit anderen Betroffenen in der Frauenselbsthilfe nach Krebs besonderen Halt. "Jeder Arzt sieht das (Anm. der Redaktion: Brustkrebs) zwar täglich im Krankenhaus und die sind super, aber sie wissen nicht, wie es sich anfühlt und welche Gedanken man da hat, Gott sei Dank nicht."

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Michaela Riedl hat ihren Brustkrebs hoffentlich überstanden. Trotzdem wird sie ihr Leben lang eine Antikörpertherapie machen müssen. ©VOL.AT/Schwärzler

Therapie auf Lebenszeit

Unter diesen Gleichgesinnten in der Selbsthilfegruppe ist auch Michaela Riedl aus Bings. "Das ist ein ganz gutes Gefühl, das man nicht alleine ist", spricht die 51-Jährige über die Selbsthilfegruppe. Die Bingserin verwendet den gleichen Wortlaut, als sie sich an ihre Diagnose zurückerinnert: Auch ihr habe es den Boden unter den Füßen weggezogen: "Es ist eine Welt für mich zusammengebrochen." S

Sie ging damals intuitiv zur Gynäkologin, weil ihr Arm geschwollen war - obwohl man bei diesem Symptom wohl meist nicht als Erstes an Brustkrebs denken würde. Im November 2020 hatte sie noch einen unauffälligen Vorsorgetermin mit Mammographie und Ultraschall: "Da war noch gar nichts." Nur vier Monate später wurde bei ihr eine seltene Brustkrebsart mit hoher Teilungsrate festgestellt. Mitte April begann bereits die Behandlung. Als die Schulleiterin der Volksschule St. Peter in Bludenz dies erzählt, trägt sie immer noch einen Strumpf am Arm. Den Brustkrebs hat sie zwar hoffentlich besiegt, doch der geschwollene Arm ist geblieben.

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Die Schulleiterin zeigt ein Bild aus der Zeit, als sie die Chemotherpie machte. ©VOL.AT/Schwärzler

Sie wird ihr Leben lang eine Antikörpertherapie machen müssen. Dafür muss sie sich alle drei Wochen im Krankenhaus spritzen lassen. Dies soll die Rückkehr des Krebs verhindern. Doch es hat auch Nebenwirkungen: aufgedunsene Haut an den Schenkel und teilweise den Verlust von Fingernägeln. Ebenfalls hat sie sich von ihren beiden Brüsten getrennt - aus dem gleichen Grund. Die Implantate hatte sie dann nicht vertragen, deswegen wurden sie später wieder entfernt. "Mit 14 kriegst du schon langsam Brüste und mit über 50 hast du dann nichts mehr. Das war schon Thema", so die zweifache Mutter. Der Schritt zu keinen Brüsten war zwar kein leichter, doch auch ein Befreiungsschlag von den Schmerzen.

Bei einem Shooting hat sie sich mit ihrem Haarausfall auseinandergesetzt. ©Handout/Mario Stecher

Workaholic

Die Bingserin selbst hätte ebenfalls nie damit gerechnet, dass sie mal an Brustkrebs erkranken könnte. "Ich denke ich bin halt ein Workaholic. Ich habe vielleicht einfach zu viel gearbeitet, aber man weiß nicht, woher es kommt", überlegt sie, woran es liegen könnte. Auch während den Chemobehandlungen hat sie nie aufgehört zu arbeiten - womöglich mal Home Office gemacht: "Dafür mach ich es zu gerne."

Ein Erinnerungsfoto von einer Reise. ©Privat
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Seit die Bingserin an Brustkrebs erkrankt war, reist sie mehr und bewusster. ©VOL.AT/Schwärzler

Die Hobbys musste sie inzwischen etwas an das neue Energielevel anpassen: Pilates statt den langen Wanderungen. Die Erkrankung äußert sich auch durch Vergesslichkeit bei ihr. "Chemo Brain" nennt sie das. Durch die Brustkrebserkrankung kann sie aber auch Positive Aspekte für sich mitnehmen: "Ich genieße mehr und fahre auch öfter fort. Und ich äußere Bedürfnisse klar."

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Beim Mountainbiken bekommt sie den Kopf frei. ©VOL.AT/Schwärzler

(VOL.AT)

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