"Es gut miteinander meinen" – 4 Paartherapeuten verraten ihren ultimativen Beziehungstipp
Was macht Beziehungen wirklich stark? Wir haben uns in der Bregenzer Innenstadt schlau gemacht – und erstaunlich ehrliche Antworten erhalten. Doch was sagen die Profis dazu? Paartherapeuten plauderten gegenüber VOL.AT ihre ultimativen Tipps für eine liebevolle Beziehung, die auch Krisen übersteht, aus. Spoiler: Liebe allein reicht nicht.
Stimmen aus der Bevölkerung: "Immer töricht zueinander sein"
Corinna und Ralf brauchten nicht lange zu überlegen: Für sie lässt sich das Geheimnis einer funktionierenden Partnerschaft in einem einzigen Wort zusammenfassen – "Ehrlichkeit".

Auch ein Ehepaar, das bereits seit 54 Jahren verheiratet ist, betonte die Bedeutung von Ehrlichkeit. Ebenso sei gegenseitiges Verständnis wichtig, erklärten sie. Einen konkreten Ratschlag wollten sie dennoch nicht geben. Stattdessen meinten sie mit einem Lächeln: "Es hat einfach all die Jahre zwischen uns gepasst."
Eine andere ältere Dame und ihr Partner rieten, in einer Beziehung "immer töricht zueinander sein" – also sich auch im Alter mit Leichtigkeit, Humor und spielerischer Zuneigung zu begegnen. Außerdem sei es wichtig, mit dem zufrieden zu sein, was man hat.
"Liebe ist nicht der Anfang, sondern das Ergebnis"

Paar- und Sexualtherapeutin Miriam Spieler bringt ihren Beziehungstipp auf eine klare Formel: "Zeig Bereitschaft und sei mutig! Du brauchst die Bereitschaft, dich der anderen Person zuzuwenden, nachzufragen, wie es ihr mit dir ergeht und den Mut, ihre Antwort auszuhalten, dich auf Veränderungen einzulassen oder sie gar anzustiften. Wer durch die Beziehung in seiner eigenen Entwicklung und Entfaltung gefördert wird, bleibt. Denn Liebe ist nicht der Anfang, sondern das Ergebnis."
"Gemeinsam, nicht gegeneinander"
Psychotherapeutin und Lebens- und Sozialberaterin Bettina Speckle rät Folgendes: "Der ultimative Tipp - bitte nicht: 'Der oder die wird sich schon noch ändern.' Aus vielen Begegnungen mit Paaren, die ich im Coaching oder in der Paartherapie begleiten durfte, weiß ich: Das ist ein ziemlich sicherer Weg in die Frustration.
Wer in eine Beziehung startet, mit dem Plan, den anderen 'zurechtzubiegen', hat keine echte Beziehung – sondern ein Umbauprojekt. Und das ist meistens eher anstrengend und enttäuschend als erfüllend. Echte Partnerschaft heißt: Den anderen wirklich sehen – und so lieben, wie er oder sie ist. Mit Eigenheiten, Ecken und manchmal auch Chaos. Nicht als Idealversion der eigenen Wunschliste. Natürlich darf – und soll – man sich weiterentwickeln. Aber bitte gemeinsam, nicht gegeneinander.
Was wirklich zählt? Ehrlichkeit von Anfang an, gegenseitiger Respekt, Humor in schwierigen Momenten – und gemeinsame Ziele, die verbinden. Kurz gesagt: Wer sich selbst, dem Gegenüber und der Welt offen begegnet, hat die besten Chancen auf eine Liebe, die bleibt."
"Den ultimativen Beziehungstipp gibt es nicht"
Für die diplomierte psychologische Beraterin Katharina Anna Bernard ist überzeugt: "Den ultimativen Beziehungstipp gibt es nicht", betont sie. "Eine lebendige, erfüllte Paarbeziehung ist kein Selbstläufer, sie braucht Arbeit", erklärt sie – und meint damit nicht Stress, sondern "sich selbst hinterfragen, reflektieren und im besten Fall gemeinsam wachsen".

In gesunden Beziehungen gehe es nicht darum, sich emotional abhängig zu machen oder ständig gegenseitig zu regulieren. Vielmehr sei entscheidend, sich "täglich frei und bewusst füreinander zu entscheiden". Dazu brauche es Selbsterkenntnis, also das Wissen um die eigenen Werte, Wünsche und Muster – und die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Innenleben zu übernehmen. Wenn zwei Menschen einander so begegnen, "echt, offen und neugierig", könnten sie gemeinsam durch alle Höhen und Tiefen des Lebens gehen.
Wenn sich Bernard als Paarberaterin etwas wünschen dürfte, dann wäre es Folgendes: "Weniger Perfektion und mehr Menschlichkeit. Weniger rostige Brille und überromantisierte Vorstellungen, dafür mehr Mitgefühl für sich selbst und den Partner."
"Es gut miteinander meinen"
Für Paartherapeutin Mirjam Sperger stehen zwei Dinge im Zentrum jeder lebendigen und glücklichen Liebesbeziehung: "Bleiben Sie im Gespräch" und "Gestalten Sie Begegnung im Alltag bewusst".
"Nehmen Sie sich regelmäßig – auch in turbulenten Lebensphasen – ungestörte Zeit für Gespräche zu zweit", rät sie. Dabei solle es nicht nur um Konflikte gehen, sondern auch um gemeinsame Träume, Sexualität, Wachstumsthemen und den Alltag. Entscheidend sei, "dabei neugierig aufeinander" zu bleiben.
Auch im Kleinen könne viel Beziehungskraft liegen: "Begegnen Sie sich mit Wertschätzung im Alltag", rät Sperger. Es gehe nicht um große Gesten, sondern darum, die kleinen Momente wie "eine zärtliche Berührung, wertschätzende Worte, einen liebevollen Blick" bewusst wahrzunehmen – und selbst großzügig umzusetzen.
Als "Überschrift" für Beziehungen teilt sie einen persönlichen Leitsatz, der von ihrem Partner stammt:
"Es gut miteinander meinen." Für Sperger ist dieser einfache Satz eine tragende Grundhaltung, die Vertrauen stärkt und dabei hilft, festgefahrene Muster zu lösen. "Wie würde ich jetzt handeln, wenn ich es gut mit ihr/ihm meinen würde?" – diese Frage könne in schwierigen Momenten helfen, den verbindenden Kontakt zu wahren.
Alle Expertentipps auf einen Blick
- Zeig Bereitschaft und Mut: Wende dich deinem Partner oder deiner Partnerin ehrlich zu, frage nach, wie es ihr oder ihm mit dir geht – und halte die Antwort auch aus.
- Sei offen für Veränderung: Liebe wächst durch gemeinsame Entwicklung – nicht durch Stillstand.
- Liebe ist nicht der Anfang, sondern das Ergebnis: Sie entsteht, wenn beide bereit sind, sich einzulassen und aneinander zu wachsen.
- Vermeide Umbauprojekte: Wer den anderen ändern will, lebt nicht in einer echten Beziehung, sondern in einer Erwartung.
- Akzeptiere die Eigenheiten des anderen: Liebe bedeutet, den anderen wirklich zu sehen und zu mögen – mit Ecken, Kanten und Chaos.
- Was wirklich zählt: Ehrlichkeit von Anfang an, gegenseitiger Respekt, Humor in schwierigen Momenten und gemeinsame Ziele, die verbinden.
- Partnerschaft ist Arbeit: Beziehungen sind keine Selbstläufer – sie brauchen Achtsamkeit, Reflexion und Einsatz, aber nicht im Sinne von Stress.
- Entscheide dich täglich füreinander: Eine gesunde Beziehung lebt von echtem, offenem und neugierigem Miteinander.
- Übernimm Verantwortung für dein Innenleben: Wer sich selbst kennt, kann dem anderen klarer und liebevoller begegnen.
- Weniger Perfektion, mehr Menschlichkeit: Statt unrealistischen Vorstellungen helfen Mitgefühl und Echtheit.
- Bleibt im Gespräch – regelmäßig und ungestört: Sprecht nicht nur über Probleme, sondern auch über Träume, Intimität und den Alltag.
- Gestaltet Begegnung bewusst: Kleine Gesten – wie eine liebevolle Berührung oder ein aufmerksamer Blick – stärken die Verbindung im Alltag.
- Frag dich in schwierigen Momenten: "Wie würde ich handeln, wenn ich es gut mit ihr/ihm meinen würde?" – Diese Haltung schafft Nähe, wo sonst Abstand droht.
(VOL.AT)