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"Es geht nicht um No-Covid": Experten zogen Bilanz nach einem Jahr Pandemie

Die Experten betonten, dass wir mit dem Coronavirus weiterleben müssen.
Die Experten betonten, dass wir mit dem Coronavirus weiterleben müssen. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Knapp ein Jahr nach den ersten bestätigten Corona-Fällen in Österreich zogen Experten heute ein Bilanz zur bisherigen Bewältigung der Pandemie. Dabei wurde klargestellt, dass das Virus Teil unseres Lebens bleiben wird.
"Klare Strategie" für Zeit nach Ostern

"Fakt ist, dass wir bei den Neuinfektionen einen Anstieg erleben", betonte Simulationsforscher Niki Popper von der Technischen Universität Wien am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz. Die schlechte Nachricht sei, dass die effektive Reproduktionszahl größer als eins ist. Das heißt, dass ein Infizierter mehr als eine weitere Person ansteckt. Leicht rückläufig wiederum ist weiterhin die Zahl der belegten Spitalsbetten.

Es gehe nicht um "No-Covid", sondern um insgesamt niedrige Zahlen. "Wenn wir jetzt vier Wochen leicht steigen, haben wir es nicht im Griff", betonte Popper. Es brauche jetzt zumindest Stabilität bzw. leicht sinkende Fallzahlen. Denn nur dann könne man ökonomische, soziale, gesellschaftliche, kulturelle und medizinische Aspekte unter einen Hut bringen. Außerdem müsse die Datenlage verbessert werden, forderte der Wissenschafter.

Rund 15 Prozent der Österreicher waren bereits mit Corona infiziert

Laut den Modellen der Simulationsforscher haben inklusive Dunkelzifferfällen bereits rund 15 Prozent der Österreicher eine Infektion überstanden. Das bedeutet, dass "zumindest 1,3 bis 1,5 Millionen Menschen temporär immun sind", sagte Popper. Wie lange die Immunisierung anhält, sei aber weiterhin nicht klar. Er betonte, dass mit intensivem Testen und Isolieren die Zahl der Neuinfektionen nach unten gedrückt werden kann. Die Impfung ist ein "wirklicher Gamechanger, aber nicht die Lösung auf Dauer, wir werden neue Mutationen erleben, es wird eine neue Normalität geben", sagte Popper.

Mit einer "sehr präzisen Bewertung" der Covid-19-Situation soll der künftige Umgang mit dem Virus definiert werden, meinte Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Weitere Öffnungsschritte vor dem 1. März halte er für unrealistisch.

"Corona ist leider Teil unseres Lebens geworden"

Günter Weiss, Direktor des Departments Innere Medizin, Medizinische Universität Innsbruck, hat vor rund einem Jahr die ersten Covid-19-Patienten stationär aufgenommen und "den Sprung von der Theorie in die Praxis genommen". Er betonte, dass keine Infektionskrankheit so schnell derart gut erforscht wurde. Allerdings wisse man nach wie vor nicht, welche Patienten warum einen schweren Verlauf entwickeln können. Es mussten auch Menschen ohne klassische Risikofaktoren und Vorerkrankungen intensivmedizinisch versorgt werden, sie seien "völlig niedergestreckt worden". Weiss wies auch darauf hin, dass es nach wie vor kein "wirklich wirksames Medikament" gegen Covid-19 gibt.

"Corona ist leider Teil unseres Lebens geworden und wird Teil unseres Lebens bleiben, wir werden mit dem Virus und den ständigen Veränderungen leben müssen", konstatierte Weiss. Er betonte, dass der Balanceakt zwischen notwendigen Maßnahmen und dem Wiederlangen oder der Rückkehr zu einer Normalität anhalten wird.

Krise lässt psychische Probleme ansteigen

Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist auch für den ärztlichen Leiter des auf Suchtkrankheiten spezialisierten Anton-Proksch-Instituts, Michael Musalek, "die große Herausforderung". Für ihn ist die Covid-19-Krise auch eine "psychosoziale Krise". Psychische Probleme würden sich ausbreiten "wie eine virale Erkrankung". Vor allem Menschen, die schon vorher psychische Probleme hatten, seien nun verstärkt betroffen. "Die Covid-Krise ist ein wirklicher Brandbeschleuniger", so der Psychiater und Psychotherapeut.

In der Rückschau gebe es aber auch viele Lichtblicke, so die Experten. Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der Medizinischen Universität Wien betonte die "unglaubliche Geschwindigkeit des Wissenstransfers" im vergangenen Jahr. Sofort sei die Sequenz des Virus veröffentlicht, unglaublich schnell Testmöglichkeiten entwickelt worden, all das sei einhergegangen mit zahlreichen Studien.

Virus-Erforschung in kommenden Monaten als Herausforderung

Auch sie betonte, dass wir mit dem Virus weiterleben müssen. Die Herausforderung der nächsten Monate und Jahre sei die Entwicklung von Medikamenten und die Erforschung, "was für einen schweren Verlauf prädestiniert", warum manche Menschen Geschmacksstörungen haben oder andere Darmsymptomatiken. Außerdem müsse herausgefunden werden, woran gemessen werden kann, was nach einer Impfung und vor einer Infektion schützt. Die Frage sei, welchen Antikörperspiegel man benötige, um beispielsweise ein Jahr geschützt zu sein, sagte die Virologin.

(APA/Red)

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