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"Eruv" - Orthodoxe Juden wollen Wiener Innenbezirke "umzäunen"

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) plant die "symbolische Umzäunung" der Wiener Innenbezirke. Entstehen soll dadurch ein sogenannter Eruv.

Ziel des Projekts sind Erleichterungen für streng gläubige Juden, die am Sabbat weder Kinderwagen noch Rollstühle außerhalb des Privatraums benutzen dürfen. Mit einem “Eruv” wird öffentlicher Raum nämlich symbolisch zu einem Privatbereich gemacht.

Hintergrund des aufwendigen Vorhabens ist die Tatsache, dass es orthodoxen Juden gemäß ihres Religionsgesetzes nicht erlaubt ist, in der Zeit des Sabbats (Freitagabend bis Samstagabend, Anm.) etwas vom privaten in den öffentlichen Raum zu tragen. “Dadurch ist es für Frauen auch nicht möglich, mit dem Kinderwagen im Freien unterwegs zu sein. Auch ältere Menschen im Rollstuhl sind betroffen”, sagte Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der IKG-Wien, zur APA.

Durch die Schaffung einer “virtuellen Stadtmauer” wäre dies allerdings möglich, da ein Eruv jenes Gebiet, das innerhalb seiner Begrenzungen liegt, ebenfalls zum privaten Bereich erkläre. Solche “Umzäunungen” gebe es etwa auch in London oder Antwerpen. Das betroffene Wiener Areal soll laut dem Planungsbeauftragtem der IKG, Maurizi Berger, alle Bezirke innerhalb des Gürtels sowie Teile des 2. und 20. Bezirks umfassen. Als Begrenzungen sollen sowohl natürliche Barrieren wie die Donau, aber auch bereits vorhandene Konstruktionen wie Oberleitungen von Bahntrassen dienen.

Allerdings muss ein Eruv lückenlos sein. Deshalb müssten verschiedene Stellen, etwa fünf des insgesamt 25 Kilometer langen Grenzverlaufs, mit Drahtverbindungen oder Kunststoffseilen überbrückt werden, so Berger im APA-Gespräch. Als Beispiel nannte er etwa unterirdisch geführte Streckenabschnitte der Linie U6.

Angebracht werden sollen die Drähte etwa an bestehenden Lichtmasten. Teilweise sei aber auch die Errichtung zusätzlicher Masten notwendig. Wo sie stehen und wie sie aussehen sollen, sei noch nicht ganz entschieden. “Derzeit sind wir dabei, sämtliche Problempunkte zu definieren”, so Berger. In zwei bis drei Monaten sei man so weit, die finalisierten Pläne einzureichen, kurz darauf soll mit der Umsetzung begonnen werden: “Die Genehmigungen können nicht lange dauern.”

Berger bezeichnete die bereits zwei Jahre dauernde Planungsphase als “sehr schwierig”, weil vieles zu koordinieren sei. Als Kostenpunkt nannte der Planungsbeauftragte rund 1 Mio. Euro, wobei die endgültige Summe noch von entsprechenden Auflagen abhänge. Für die Instandhaltung – etwa für die wöchentliche Kontrolle und etwaige Reparaturen von Drahtverbindungen – wolle die IKG selbst aufkommen, so Fastenbauer. Ob man für die Realisierung auch um öffentliche Mittel anzusuchen gedenkt, ließen beide Gesprächspartner offen.

Neben zuständigen Stellen bei der Stadtbeleuchtung und den Wiener Linien habe die IKG auch schon mit der Stadtplanung “positivste” Vorgespräche geführt, so Berger. Aus dem Büro von Planungsstadtrat Rudi Schicker (S) hieß es, dass die Rahmenbedingungen für das Vorhaben derzeit geprüft würden. Geklärt werden müssten etwa, aus welchen Materialien – etwa in Hinblick auf die Wetterbeständigkeit – die zu befestigenden Drähte bestehen und wo und in welcher Form etwaige Masten aufgestellt werden können.

Die Prüfung der einzubringenden Pläne werde sich voraussichtlich als aufwendig erweisen, da es viele Kriterien zu berücksichtigen gebe, so ein Schicker-Sprecher. Man werde aber mit Nachdruck daran arbeiten, versicherte die Stadtplanung ihre “positive Einstellung” zum Projekt.

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