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Erstes Abtasten

Der Tag nach den Nationalratswahlen war von einem ersten Abtasten in Richtung mögliche künftige Koalitionen gekennzeichnet.

Die ÖVP kann nach dem fulminanten Wahlerfolg vom gestrigen Sonntag zwischen drei Regierungsvarianten wählen. Signale gab es am Montag an SPÖ und Grüne, bei der FPÖ setzt die Volkspartei offenbar auf Abwarten. Für die Freiheitlichen sorgte Jörg Haider wieder einmal für Aufregung, als er wegen des schlechten Ergebnisses für die FPÖ ankündigte, als Kärntner Landeshauptmann zurücktreten zu wollen. Und bei Bundespräsident Thomas Klestil gaben sich im Lauf des Tages nicht nur die vier Parteichefs praktisch die Klinke in die Hand, das Staatsoberhaupt führte auch ein Gespräch mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl (S).

Dem von Haider angekündigten x-ten Rücktritt schenkten die anderen Parteien kaum Glauben. Vor allem nach zahlreichen Aufrufen, Appellen und Bittgesuchen der Kärntner Freiheitlichen an Haider, doch zu bleiben, könnte am Abend im Landesparteivorstand der FPÖ wieder der Rücktritt vom Rücktritt erfolgen und der Ex-FP-Chef doch Landeshauptmann bleiben. Der geschäftsführende FPÖ-Obmann Herbert Haupt meinte zur Rücktrittsansage von Haider, dieser sei ein wichtiger „Stabilitätsfaktor“.

In die FPÖ-Wirren passte auch die Ankündigung von Haupt nach dem Parteivorstand, Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der seine Parteimitgliedschaft ruhend gestellt hat und ins ÖVP-Kompetenzteam gewechselt ist, sowie Ex-Klubchef Peter Westenthaler ausschließen zu wollen, wenn sie nicht freiwillig gehen. Westenthaler erklärte darauf, er denke gar nicht an einen freiwilligen Austritt, Grasser war vorerst nicht zu erreichen. Was Koalitionsfragen betrifft, sei die FPÖ trotz der Wahlschlappe zu Sondierungsgesprächen mit allen Parteien bereit. Dagegen rät FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler seiner Partei von einer Koalition mit der ÖVP ab.

Die ÖVP betonte vor ihrem Parteivorstand am Abend, man präferiere in der Koalitionsfrage Gespräche mit allen anderen drei Parteien. Allerdings bekräftigte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll seine Präferenz für eine Große Koalition mit der SPÖ. Und Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger äußerte Skepsis gegenüber der FPÖ, bei der „momentan alles im Nebel“ liege.

Häupl erklärte nach einem Gespräch mit Klestil, die SPÖ halte sich die Möglichkeiten einer Regierungsbeteiligung vorerst weiter offen. „Der Ball liegt bei Wolfgang Schüssel“. Nach dem Wahlausgang fahre der Zug für die SPÖ eher in Richtung Opposition, doch werde seine Partei keine Gesprächsverweigerung betreiben. SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hatte zuvor Klestil über die Beschlüsse seiner Partei informiert. Die SPÖ glaube, dass die schwarz-blaue Koalition weitermachen und man selbst in Opposition bleiben werde.

Der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen erklärte nach seinem Gespräch mit dem Bundespräsidenten, es sei „sehr, sehr unwahrscheinlich“, dass man eine Koalition mit der ÖVP bilden würden. Die inhaltlichen Divergenzen seien wirklich groß. Bereits am Vormittag war ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel bei Klestil gewesen.

Die ÖVP steckt unterdessen in der Koalitionsfrage auch die Fühler nach den Grünen aus. So sieht der steirische Landesrat Gerhard Hirschmann in einer schwarz-grünen Koalition eine „reizvolle Variante“ und außerdem gebe es „nicht viel Trennendes“ zwischen beiden Parteien. Gleichzeitig appellierte Hirschmann aber an die SPÖ, Verantwortung zu übernehmen.

Die Grünen hatten nach einer Sitzung des Bundesvorstands erklärt, man sei zu Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP bereit, wenn die Volkspartei einen Kassasturz vorlege. Eine Warnung vor Schwarz-Grün kam dagegen vom grünen Bundesrat Stefan Schennach, der meinte, die Umweltpartei würde es dabei „zerreißen“. Ähnlich äußerte sich auch der grüne Europasprecher Johannes Voggenhuber, der neuerlich die Wahlkampfführung der Partei, die zu sehr auf Sympathiewerte und Bundessprecher Van der Bellens zugeschnitten gewesen sei, kritisierte.

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