Erneute Diskusion über Wolfsjagd in Österreich

Wolfsangriff im Mellental
Im Juli 2024 griff ein Wolf im Mellental bei Bregenz mehrfach eine Rinderherde an. Zwei Jungrinder wurden getötet, ein Kalb verletzt, und ein weiteres Rind stürzte auf der Flucht in den Tod. Wildökologe Hubert Schatz bezeichnete dieses Verhalten als untypisch, da Wölfe normalerweise kein Großvieh angreifen. DNA-Proben wurden zur Untersuchung eingeschickt
Aufgrund dieser Vorfälle erweiterte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz die Abschussverordnung für den Wolf. Am 7. August 2024 wurde der betreffende Wolf schließlich erlegt.
Wölfe in Vorarlberg – wirtschaftliche Auswirkungen
Die Rückkehr des Wolfs nach Österreich ist nicht nur ein emotionales und ökologisches Thema – sie hat auch ganz konkrete wirtschaftliche Folgen. Besonders in ländlichen Regionen, wo Weidehaltung ein zentraler Bestandteil der Landwirtschaft ist, geraten Betriebe durch Wolfsrisse zunehmend unter Druck.
Direkte finanzielle Schäden
Wird ein Nutztier von einem Wolf gerissen, bedeutet das für den betroffenen Betrieb einen sofortigen Verlust. Besonders betroffen sind Schafe, Ziegen und junge Rinder. Ein Schaf kostet im Durchschnitt rund 200 bis 300 Euro – hinzu kommen noch der Wert eventueller Nachkommen und die Kosten für die Aufzucht. Stirbt eine trächtige Mutterkuh oder ein Kalb, können die Verluste schnell über 1.000 Euro pro Tier liegen.
Zusätzliche Folgekosten
Die wirtschaftlichen Schäden gehen aber weit über den bloßen Tierverlust hinaus:
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Tierarztkosten: Verletzte Tiere müssen medizinisch versorgt werden – oft über Wochen hinweg.
Arbeitszeit: Nach einem Angriff müssen Herden kontrolliert, verlegt oder neu gesichert werden. Das bedeutet mehr Aufwand und Stress für Landwirt:innen. -
Produktionsausfälle: Schock und Verletzungen führen oft dazu, dass Tiere weniger Milch geben oder ihr Wachstum verlangsamt wird.
Investitionen in Herdenschutz
Immer mehr Betriebe versuchen, ihre Tiere mit Zäunen, Netzen oder Herdenschutzhunden zu schützen. Doch gerade im alpinen Gelände, wie es in Vorarlberg typisch ist, ist das eine echte Herausforderung. Die Kosten können schnell mehrere Tausend Euro pro Betrieb betragen:
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Herdenschutzzäune: Je nach Gelände bis zu 10.000 Euro
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Ausbildung und Haltung von Herdenschutzhunden: laufende Kosten von mehreren Hundert Euro im Monat
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Stallumbauten oder Nachtpferche: zusätzlicher Bau- und Planungsaufwand
Folgen für den ländlichen Raum
Langfristig haben Wolfsangriffe auch strukturelle Folgen:
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Aufgabe der Weidehaltung: Wenn sich der Aufwand nicht mehr rechnet, geben viele Betriebe die Weidewirtschaft auf. Das betrifft vor allem Nebenerwerbsbauern.
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Verlust der Kulturlandschaft: Ohne Beweidung verbuschen Almen, Artenvielfalt geht verloren.
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Rückgang regionaler Lebensmittelproduktion: Die Versorgung mit lokalem Fleisch und Käse sinkt, Importware gewinnt an Bedeutung.
Entschädigungen – nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Zwar gibt es in einigen Bundesländern Entschädigungsregelungen für Wolfsrisse – etwa über Landesförderungen oder EU-Töpfe –, doch die Auszahlung dauert oft lange. Zudem werden nicht alle Schäden voll ersetzt, und indirekte Kosten (z. B. für Herdenschutz) bleiben meist am Landwirt hängen. Viele Betroffene berichten von Bürokratie, Zweifeln an DNA-Beweisen und fehlender Planungssicherheit.
Pro und Contra Wolfsjagd in Vorarlberg
Die Diskussion um die Bejagung von Wölfen ist emotional aufgeladen – nicht nur in Vorarlberg, sondern in ganz Österreich. Während die einen den Wolf als wichtigen Teil der Natur verstehen, sehen andere ihn als Bedrohung für ihre Existenz. Die Debatte dreht sich um Artenschutz, Tierschutz, wirtschaftliche Interessen und das Sicherheitsgefühl der Menschen.
Argumente für die Wolfsjagd
1. Schutz von Nutztieren und Existenzen
Wölfe reißen nicht nur Wildtiere, sondern auch Schafe, Ziegen, Kälber oder sogar Jungrinder – wie der Vorfall im Mellental gezeigt hat. Für viele bäuerliche Betriebe sind solche Verluste existenzbedrohend. Die Wolfsjagd gilt hier als letztes Mittel, um besonders auffällige oder wiederholt angreifende Tiere zu entfernen.
2. Praktische Grenzen des Herdenschutzes
Herdenschutzmaßnahmen wie Elektrozäune, Herdenschutzhunde oder Nachtpferche sind nicht überall umsetzbar – insbesondere im steilen, schwer zugänglichen Alpenraum. Dort ist der Aufwand hoch, die Wirksamkeit begrenzt. In manchen Regionen bleiben Wolfsangriffe trotz Schutzmaßnahmen nicht aus.
3. Angst und psychische Belastung
Nicht nur wirtschaftlich, auch emotional belasten Wolfsangriffe viele Tierhalter:innen. Die ständige Sorge, beim nächsten Kontrollgang ein gerissenes Tier zu finden, hinterlässt Spuren. Einige berichten sogar von Schlafstörungen oder dem Gedanken, die Tierhaltung aufzugeben.
4. Erhalt der Kulturlandschaft
Wenn Betriebe aufgeben, verschwinden Weidetiere – und mit ihnen die gepflegten Almen. Verbuschung und der Verlust von Artenvielfalt können die Folge sein. Ein regulierter Abschuss von Problemwölfen wird deshalb auch als Maßnahme zum Schutz der Kulturlandschaft gesehen.
Argumente gegen die Wolfsjagd
1. Strenger Schutzstatus
Der Wolf steht laut FFH-Richtlinie der EU unter strengem Schutz. Eine Bejagung ist nur in ganz bestimmten Ausnahmefällen erlaubt – etwa wenn ein „Problemwolf“ nachweislich immer wieder Nutztiere reißt. Österreich muss sich hier an EU-Recht halten. Der Europäische Gerichtshof hat das zuletzt bekräftigt.
2. Wichtiger Teil des Ökosystems
Wölfe spielen eine zentrale Rolle im Gleichgewicht der Natur. Sie regulieren Wildbestände (z. B. Rehe, Hirsche), fördern die Gesundheit der Populationen und schaffen Platz für junge, gesunde Tiere. Studien zeigen, dass sich ganze Lebensräume positiv verändern, wenn der Wolf zurückkehrt.
3. Fehlende Langzeitlösungen
Ein Abschuss löst meist nur kurzfristig das Problem. Oft wandern neue Wölfe in das Revier nach. Langfristig geht es eher darum, Zusammenleben zu gestalten – durch vorbeugenden Schutz, klare Regeln und gutes Monitoring.
4. Gefahr der Gewöhnung
Wenn man Wölfe abschießt, weil sie sich zu nah an Menschen oder Siedlungen wagen, besteht die Gefahr, dass diese Maßnahme zur Regel wird – auch bei weniger auffälligen Tieren. Das untergräbt den Artenschutz und kann dazu führen, dass langfristig ein ganzer Bestand in Gefahr gerät.
Ein Balanceakt mit vielen Perspektiven
Die Frage „Wolfsjagd – ja oder nein?“ lässt sich nicht pauschal beantworten. Klar ist: Ein genereller Abschuss würde gegen EU-Recht verstoßen. Aber Einzelfälle – wie im Mellental – zeigen, dass Eingriffe manchmal notwendig sind. Entscheidend ist, zwischen Schutz der Arten und Schutz der Nutztierhaltung einen verantwortungsvollen Mittelweg zu finden. Dazu braucht es:
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klare gesetzliche Rahmenbedingungen,
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schnelle Behördenentscheidungen im Schadensfall,
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faire Entschädigungen,
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und Investitionen in praktikable Schutzmaßnahmen.
Nur so kann das Miteinander von Mensch und Wolf gelingen.
Quellen