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Erklärung für Winter-Blues gefunden

Wissenschafter der Medizinischen Universität Wien (MUW) haben in Kooperation mit kanadischen Kollegen eine mögliche Erklärung auf molekularer Ebene für den sogenannten Winter-Blues gefunden.

In der Studie unter der Leitung von Nicole Praschak-Rieder und Mattäus Willeit konnte ein Mechanismus für jahreszeitlich bedingten, unterschiedlichen Serotonintransport gefunden werden, heißt es in einer Aussendung am Mittwoch.

Dass Menschen, die in gemäßigten oder polaren Klimazonen leben, jahreszeitliche Schwankungen in vielen körperlichen und psychischen Funktionen erfahren, ist bekannt. Bei einem Großteil der Bevölkerung beziehen sich solche Veränderungen etwa auf Schlafdauer, Essverhalten, Körpergewicht, Energieniveau oder auch Antrieb und Stimmungslage. Dabei spielt Licht eine entscheidende Rolle.

Im Körper vermittelt, also quasi in Chemie umgesetzt, werden Lichtsignale und photoperiodische Signale durch sogenannte Indolamine, eine Gruppe von Substanzen zu denen neben dem körpereigenen Schlaf-Hormon Melatonin auch der Neurotransmitter Serotonin gehört. Im Gehirn ist Serotonin maßgeblich an der Regulation von Funktionen wie Antrieb, Stimmung, Impulsivität, Schlaf, oder Essverhalten beteiligt.

Praschak-Rieder, Willeit und Kollegen konnten nun zeigen, dass während der dunklen Jahreszeit im Gehirn mehr Serotonintransporter vorhanden sind, als im Sommer. Selbst meteorologische Daten bezüglich der Sonnenscheindauer zeigten eindeutlige Korrelationen mit der Dichte der Serotonintransporter.

“Der Serotonintransporter ist jenes Protein, das den Botenstoff Serotonin aus den Zellzwischenräumen wieder in die Zelle zurück pumpt”, erklärten die Wissenschafter. Im Rahmen ihrer Arbeit untersuchten sie 88 Probanden mittels Positronen Emissions-Tomographie (PET) und bestimmten eine Substanz namens “[11C]DASB”, deren Bindung im Gehirn ein Index für die Serotonintransporter-Dichte ist. Dabei zeigte sich, dass die “[11C]DASB”-Bindung im Herbst und im Winter deutlich höher ist als im Frühling und im Sommer.

Der Serotonintransporter entfernt Serotonin aus dem synaptischen Spalt, der Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen. Er ist das wichtigste Molekül in der Steuerung der serotonergen Nervenübertragung. Eine Implikation der höheren Transporter-Dichte im Winter ist daher, dass Serotonin effizienter abtransportiert wird und so Symptome wie etwa Kohlehydrat-Heißhunger, vermehrtes Schlafbedürfnis und Energielosigkeit entstehen.

Diese Erkenntnis ist auch eine mögliche Erklärung für das Auftreten depressiver Phasen bei Patienten mit Herbst-Winter Depression, und dieser Mechanismus könnte auch die therapeutische Wirkung von Licht erklären. Da die Serotonintransporter-Dichte laut Studienergebnis mit zunehmender Sonnenscheindauer in Frühling und Sommer abnimmt, führt Licht wahrscheinlich dazu, dass Serotonin langsamer aus der Synapse entfernt wird, und dass so mehr Serotonin in der Synapse verbleiben kann.

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