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Einsatz in eigener Sache

Julian Bitschnau hat auch am Inklusionsbericht mitgewirkt.
Julian Bitschnau hat auch am Inklusionsbericht mitgewirkt. ©Lebenshilfe
Feldkirch (VN-mm) - Julian Bitschnau vertritt die Anliegen behinderter Menschen auf Bundesebene.

Das Referat ist geschrieben, die Unterlagen für den Workshop sind verfasst. Julian Bitschnau hat sich gut vorbereitet für seinen großen Auftritt am kommenden Donnerstag in Salzburg, wo sich ein Kongress mit den Anliegen von Menschen mit Behinderung beschäftigt. Als einer, der seit einem schweren Autounfall zu ihnen gehört, vertritt Julian Bitschnau diese Anliegen sehr vehement. „Früher wurden Menschen mit Handicap eingesperrt, weil sich die Angehörigen schämten“, sagt er unbefangen. Heute fordern sie ganz legitim die selbstverständliche Teilhabe am Leben. „Weil auch sie ein wichtiger Teil der Gesellschaft sind“, wie der 41-Jährige betont.

Bewusstsein stärken

Vor Kurzem wurde Julian Bitschnau zum zweiten Mal von seinen Kolleginnen und Kollegen zum Selbstvertreter der Lebenshilfe für den Bereich Arbeiten gewählt. Ebenso einstimmig erfolgte die Nominierung zum Bundesvertreter. Gemeinsam mit Siegfried Gössl wird sich Bitschnau die nächsten vier Jahre deshalb auch auf Bundesebene für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen. Sein Credo: „Jeder hat das Recht auf Inklusion.“ Diese voranzutreiben und das Bewusstsein in der Öffentlichkeit dafür zu stärken, sind seine vorrangigen Ziele. Er möchte, dass „alle angenommen werden, wie sie sind, weil Menschen mit Behinderung viel leisten können.“ Doch gesunde Leute wüssten oft nichts oder nur wenig über die Fähigkeiten von Behinderten. Er selbst fühlt sich akzeptiert. Er arbeitet geringfügig beim Dorfelektriker in Götzis sowie ehrenamtlich bei der Lebenshilfe, und Julian Bitsch­nau hat eine eigene Wohnung. Zwei Stunden in der Woche unterstützt ihn die Lebenshilfe. Alles andere erledigt er eigenständig. Was den sportlichen Montafoner mit Stolz erfüllt. „Selbstständigkeit ist für einen Menschen mit Handicap etwas vom Wichtigsten“, weiß er inzwischen mehr denn je zu schätzen, woran er vor elf Jahren noch keinen Gedanken verschwendete. Schließlich lief das Leben bis dahin in überschaubaren und geregelten Bahnen ab.

Folgenschwerer Unfall

Julian Bitschnau absolvierte eine kaufmännische Lehre und bekam einen Job bei der Post. Dann der Unfall. Er passierte auf der Heimfahrt, verursacht durch einen Herzstillstand. Die Folgen waren schwerwiegend. Der junge Mann erlitt neben anderen Verletzungen ein massives Schädel-Hirn-Trauma. Über ein halbes Jahr lag er im Koma. Danach war nichts mehr wie vorher. Julian Bitsch­nau musste mit einer körperlichen und mentalen Behinderung fertigwerden. „Aber eigentlich bin ich noch glimpflich davongekommen“, meint er und erzählt von Menschen, denen er in der Reha begegnet ist und denen es noch viel schlechter ergangen sei. „Und“, fügt er mit einem Schuss Selbstironie an, „ich wollte damals ohnehin von daheim ausziehen.“

Vom Recht auf Privatsphäre

Was er geschafft hat, soll auch für andere möglich werden. Deshalb ist er froh, dass über das Thema Inklusion so viel geredet wird. Außerdem befürwortet Julian Bitschnau die Aufnahme von Kindern mit Handicap in Kindergärten und Schulen. „Sie dürfen nicht ausgeschlossen werden, nur weil sie nicht alles gleich verstehen.“ Ebenso moniert er mit fester Stimme das Recht auf Privatsphäre in Wohneinrichtungen. Freund oder Freundin sollten übernachten dürfen, ohne dass „grundsätzliche Vorurteile bestehen“. Julian Bitschnau spricht in diesem Zusammenhang offen von seiner Freundin Evelin. Sie sitzt im Rollstuhl. Zusammen leben spielt jedoch nicht. Jeder brauche Freiraum. Deshalb freut er sich auch immer, wenn Seinesgleichen die häufig allzu schützende Obhut von Angehörigen verlässt. Denn: „Verbote sind wie Barrieren.“ Julian Bitschnau möchte, dass sie fallen. Überall.

Zur Person

Julian Bitschnau

Geboren: 10. Dezember 1970 in Bludenz

Wohnort: Feldkirch

Beruf: Geringfügige Beschäftigung

Hobbys: Skifahren (Special Friends), Radfahren, Laufen

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