Zuerst war der Ort, dann kam das Haus. Architekt Bernardo Bader ersetzte ein baufälliges Bauernhaus in Bizau durch ein neues, das sich an die baulichen Gesetzmäßigkeiten des Ortes hält. Großteils gleich groß, großteils aus Holz, großteils mit Satteldach, den First parallel zur Straße, bilden alle Häuser gemeinsam den Charakter der Ortschaft. Wie ein Passstück fügt sich der Neubau mit dem Schirm aus unbehandelter Fichte in das Gefüge des Unterdorfs und macht es noch schöner.


Das Bizauer Unterdorf im Bregenzerwald ist reich an Landschaft. Im Norden fließt der Bizauer Bach am Saum einer Waldhöhe entlang, im Süden breiten sich Wiesen und Felder am Talboden aus. Dazwischen schlängelt sich die Hauptstraße durch den Ort. Fast alle Häuser sind gleich groß, fast alle aus Holz, fast alle mit Satteldach, die Traufen parallel zur Straße. Sie bilden den Charakter des Dorfes.

Das alte Gehöft des Vaters der Bauherrin war typisch für den Bregenzerwald: an einem Ende das Wohnhaus, am anderen der Stall, dazwischen der offene Schopf, alles unter demselben Satteldach. Es stand jahrzehntelang leer, die Bauherren wollten es wieder bewohnen. Sie informierten sich über Architekturbüros, fuhren monatelang durchs Land, gingen auf Bauvisiten und bei Führungen mit. „Je mehr wir sahen, umso klarer wurde uns, wie man mit Raum umgehen kann und was wir brauchen.“ Sie baten drei Architekten um einen Vorentwurf. „Alle waren da, teils sogar mehrfach und sahen sich das Grundstück an.“ Ursprünglich wollte das Paar wenigstens einen Teil des Bestands erhalten, unabhängig voneinander stellten die Architekten fest, dass das unmöglich war. Bernardo Bader rettete dessen Wesen, indem er die alte Bregen zerwälder Typologie mit den neuen Wohnbedürfnissen in Einklang brachte. „Interessant ist es, wenn zuerst der Ort und dann das Haus kommt“, sagt Bader. „Es befindet sich am spannungsvollen Eingang zum Dorf und verstärkt die Qualitäten des Bestands.“ In lapidarer Selbstverständlichkeit steht es in derselben Kubatur mit demselben Fußabdruck am selben Platz wie sein Vorgänger. An die 12,5 Meter breit, etwa 20 Meter lang, straßenseitig ganz geschlossen, mit einem Holzschirm aus sägerauen, vertikalen Fichtenlatten wirkt es wie ein Stadel. Ein Scheunentor bezeichnet den Eingang und die Zäsur zwischen dem Wohnhaus und dem einstigen Stall, wo nun das Auto und Fahrräder parken.


Das Scheunentor läuft in einer Schiene in der Trennlinie beider Geschoße. Schiebt man es beisei te, öffnet sich ein gedeckter Freiraum, der zugleich einen Durchgang zum Garten bildet. „Früher ist hier der Traktor durchgefahren“, erzählt der Bauherr. Man könnte ihn auch als innere Straße sehen: ihr wendet das Wohnhaus seinen Eingang zu, genau gegenüber ist die Tür in die Garage, zwei Schritte weiter biegt diese innere Straße einmal ums Eck auf die gedeckte Terrasse vor der großen Wohnküche ab. Eine Wandscheibe mit integriertem Kasten inszeniert subtil den Wechsel vom Durchgang zum gedeckten Freiraum am Garten. Diese braucht es auch zur Führung des schattenspendenden, gartenseitigen Scheunentors.

„Die größte Herausforderung an diesem Haus waren die Über - gänge zwischen Haus, Terrasse und Schopf zum Feld“, sagt Bader. Als Neuinterpretation des Schopfs definiert der Durchgang einen Bereich zum Queren, Ankommen, Lagern. Hier kann man Brennholz stapeln, Einkäufe abstellen, vor der Tür warten, auf die Straße schauen oder in den Garten gehen. Von dort sieht man Wiesen vor der mächtigen Silhouette der Kanis - fluh. Der erdgeschoßige Wohnbereich ist auf einem quadratischen Grundriss von etwa 9 x 9 Meter genauso diszipliniert zoniert. In der Mitte die Tür, rechts die Garderobe, dahinter das WC, links die zweiläufige Treppe nach oben. All das ist zu einem schmalen Streifen gebündelt, die rest - lichen sieben mal neun Meter bleiben dem Einraum zum Essen, Kochen, Wohnen. Der gesamte Raum ist mit Weißtanne getäfelt, nur der Boden aus Beton. Im Süden öffnet sich der Raum vollverglast mit Schiebetür zur Terrasse, im Westen ist die Außenwand windschützend vorgezogen. Die darin integrierte Bank setzt sich innen über die gesamte Hauslänge fort. Im Wohnbereich als Ablagebord, dann wird sie wieder zur Bank am Esstisch. Wer darauf sitzt, blickt in den Raum zum Herdblock, von den Sesseln aus sieht man durch das große Fenster im Osten di - rekt in das Dorf. Ein skulpturalreduzierter Kamin aus Schwarzstahl fungiert als Raumteiler zum Wohnen. Im Obergeschoß steigen die Räume bis zum First auf 4,50 Meter Höhe an. Diese Großzügig - keit allein ist schon ungewöhnlich, noch ungewöhnlicher aber sind die Freiräume. Vor jedem Schlafzimmer ist am Gebäudeeck eine Terrasse ins Dach eingeschnitten.


Daten und Fakten
Objekt Haus im Unterdorf, Bizau
Bauherr Beate und Peter Metzler
Architektur bernardo bader architekten, Bregenz www.bernardobader.com Projektleitung: Paul Jungwirth
Statik Günter Hammerer, Andelsbuch www.plandrei.at
Fachplanung Haustechnik: Martin Fink, Bezau; Elektro: Michael Beer, Bezau; Bauphysik: Erich Reiner, Bezau; Bauleitung: Flatz&Jäger, Bezau
Wettbewerb 05/2017: 1. Preis
Planung 02/2017–11/2017
Ausführung 11/2017–12/2018
Grundstück 704 m²
Nutzfläche 178 m²
Konstruktion Holzbau; Dach, Außenwände: Wechselfalzschirm Fichte; Riemenboden Tanne; Dreifach-Verglasung, Weißtanne
Ausführung Holzbau: Kasper Greber, Bezau
Heizwärmebedarf 44 kWh/m² im Jahr (HWB)

Text: Isabella Marboe | Fotos: David Schreyer