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Eine Textilfabrik wird Loft

Auf dem Areal der einstigen Strickerei entstanden die Maselli-Lofts, die mit textil anmutenden Metallfassaden ihre Geschichte hochhalten.

Die Strickmaschinen der Maselli-Textilfabrik stehen schon lange still, heute wird auf dem Areal gearbeitet und gewohnt. Architekt Marc Hoffenscher plante den Maselli-Loft und die gleichnamige Wohnanlage. Wie Strickwerk umhüllen sie Laubengänge und Terrassen der drei freigeformten Wohnbauten, an denen sich Pflanzen hochranken. Eine hügelige Hoflandschaft, das umgebaute, aufgestockte Fabriksbüro und der Co-Working-Space Maselli-Loft komplettieren das lebenswerte Ensemble.

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Strick: Der Co-Working-Space Maselli-Loft ist von Arkaden aus weiß eloxiertem Streckmetall eingestrickt, der elliptische Baukörper daneben trägt Messing.
Elliptisch: Die Ecken aller Balkone in der Wohnanlage Maselli sind elliptisch abgerundet. Das schafft möglichst vielen Pflanzen den meisten Platz an der Sonne.

"Wir bauen für unerschrockene Raumpiloten und Raumpilotinnen“, steht auf der Website von Marc Hoffenscher. Der Architekt studierte an der Wiener Universität für Angewandte Kunst bei Wolf D. Prix, dem Mastermind von Coop Himmelb(l)au, die mit dekonstruktivistischen Projekten den Stararchitektenstatus erreichten. Hoffenscher kennt keine Scheu vor starken Farben und Formen und liebt unorthodoxe Lösungen. Südlich des Bahnhofs von Dornbirn liegt die Innenstadt, nördlich davon siedelte sich viel Industrie an. Auch die Strickerei Maselli hatte hier in der Sandgasse 13 jahrzehntelang Pullover und Strickwesten produziert, bis sie 2014 als eines der letzten Textilunternehmen im Dreiländereck den Betrieb einstellen musste. Eigentümerin Michaela Rümmele und Gerhard Rümmele bewiesen als Bauherrin und Bauträger Mut und Weitsicht. Sie wollten den familiären Industriebestand zu einem Wohnprojekt entwickeln, das anders ist. Architekt Marc Hoffenscher war dafür genau der richtige. Die Lage ist zwar durch die Bahn von der Stadt abgeschnitten, aber durchaus zentral. Ein guter Platz zum Arbeiten und Wohnen. „Wir hatten die Vision eines durchmischten Quartiers“, sagt Hoffenscher. „Als starkes Team aus Architekt, Bauträger und Bauherr kann man Dinge umsetzen, von denen andere nur träumen.“ Maselli war ein großer Name in Vorarlberg, die Geschichte der Strickerei und viel Grün sind die tragenden Säulen des Projekts, dessen Metallfassaden wie gestrickt wirken.

Metamorphose: Im aufgestockten Büro gibt es nun Wohnungen mit viel Grün auf den Balkonen, die obersten sind Maisonetten mit Terrassen am Dach.

Die Sandgasse im Norden ist das Gesicht zur Stadt, im Osten und Westen nehmen zwei Quergassen das knapp 4700 m2 große Areal in die Zange. Im Süden wächst noch Gras. Die Bauherren entschieden sich bewusst, diese Wiese vorerst nicht zu bebauen. „Wir haben eigens mit einem Spezialkran drei alte Bäume vom Areal auf die Straße versetzt, um sie zu erhalten“, sagt Hoffenscher. Die freie, sonnige Grünfläche bietet allen einen weiten Horizont und gibt der Verdichtung auf viergeschoßige Baukörper mehr Luft.

Eine eindrucksvolle Stahlkonstruktion ermöglicht den haushohen, elliptischen Einschnitt, der den Innenraum zum Hof hin erweitert. Dieser Freiraum gehört zum Gemein - schaftsraum für alle.
Die runden Ecken lassen das Sonnenlicht aus mehreren Himmelsrichtungen hereinströmen, Vorhänge sind ein ebenso poetisches wie flexibles Beschattungselement.

Die bestehenden Lager- und Produktionshallen waren nicht zu retten, das zweistöckige Firmengebäude am Eck aber blieb. Es wurde straßenseitig um den Maselli-Loft erweitert. Eine Fassade aus weiß eloxierten, ineinander verflochtenen Streckmetallstreifen mit elliptischen Bögen umhüllt sie wie eine Arkade. Dahinter arbeiten im Co-Working-Space Maselli-Loft zwischen 25 und 30 Menschen, auch die Schreibtische der Bauherren stehen in dem 3,80 Meter hohen, lehmverputzten Raum mit Treppe auf die Galerie. „Wir haben wirklich nachhaltig gebaut“, sagt Gerhard Rümmele stolz. „Alle Zwischenwände sind aus Vollholz, die hinterlüfteten Fassaden mit Steinwolle gedämmt.“ Bereits in den 1990er-Jahren hatte Maselli als erste Firma in Vorarlberg die 350 Pfähle für die Grün - dung auch für Erdwärme genutzt. Weil die Maschinen der Textilfabrik so schwer waren, kam man trotz Aufstockung mit den bestehenden Pfeilern aus. Inspiriert vom US-amerikanischen Künstler Gordon Matta-Clark brach Marc Hoffenscher einen elliptischen Freiraum in den verputzten Bestand, der die Zugänge in jedem Stock belichtet. Er ist mit einer eindrucksvollen Stahlkonstruktion in der Wand verankert, die von der alten Hausmauer noch stehen blieb. Insgesamt gibt es hier 23 Lofts zu mieten, die obersten mit wunderschönen Dachgärten.

r Co-Working-Space MaselliLoft ist zweigeschoßhoch, die gestrickte Metallfassade wirkt auch als Sonnenschutz.

Neben dem Maselli-Loft steht ein elliptischer Solitär mit messinggestrickten elliptischen Arkadenbögen im Erdgeschoß, von dem die Wege zu den zwei anderen Gebäuden an den Grundstücksrändern abzweigen. Auch sie haben abgerundete Ecken, die Wohnungen werden im Norden von breiten, großzügigen Laubengängen mit Stegen erschlossen, die so etwas wie kleine, vertikale Vorgärten bilden. An den anderen drei Seiten sind sie von umlaufenden Balkonen umgeben. "Diese Balkone sind gerundet, schieben sich zur Sonne hin und werden in Richtung Südwesten immer tiefer“, sagt Wolfgang Rümmele. Die Menschen nutzen ihre Freiräume an der Sonne: Überall stehen Pflanzen, Sessel und kleine Tische. Die geknickten Stahlstützen zwischen dem messingfarbigen Streckmetall haben auch eine statische Funktion als Vertikalaussteifung zwischen den Geschoßen. Die drei Bauten mit den 31 Wohnungen stehen wie in einer hügeligen Landschaft im Hof. Das Fabriksareal lebt.

Die Galerie macht nicht nur räumlich etwas her, sie verbessert auch die Kommunikation zwischen den Ebenen und den Menschen, die dort arbeiten, ganz wesentlich.

Daten und Fakten

Objekt Maselli und Maselli-Loft, Dornbirn
Bauherr Philipp Mäser GmbH, Dornbirn
Architektur Hoffenscher ZT, Dornbirn www.hoffenscher.com
Statik gbd ZT, Dornbirn, www.gbd.group
Fachplanung Außenanlagen: Amann Gartenbau, Koblach; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg, Dornbirn; örtliche Bauaufsicht, Projektleitung: BM Gerhard Rümmele, Dornbirn (u. a.)
Planung 09/2015–09/2017
Ausführung 08/2017–04/2019
Nutzfläche 2070 m²
Bauweise Neubau und Bestand Beton; Aufstockung Holzbau; hinterlüftete Fassade: Wärmedämmverbundsystem; Wärme - pumpe mit Energiepfählen; Photovoltaik
Ausführung Baumeister: Erich Moosbrugger, Andelsbuch; Heizung, Sanitär: Berchtold, Dornbirn; Elektro: Sorgo, Au; Brand - schutztüren/Tor: Gebrüder Rützler, Innerbraz; Holzfenster/Portale: Zech, Götzis; Spengler: Peter, Götzis; Holzbau: Summer, Sulz/Röthis; Schlosser: Rudi - gier, Bludenz; Böden: Stefan Künzler, Bezau; Trockenbau: Fischer, Dornbirn (u. a.)
Energiekennwert 37 kWh/m² im Jahr (HWB)

Grüne Oasen wie diese gibt es in der Wohnanlage auf jeder Ebene – vom Gründach der Garagenzufahrt über den öffentlichen Weg durch den Hof bis zum eigenen Garten am Dach.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer, Jessica Alice Hath

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