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Eine etwas andere Stallgeschichte

©Daniel Pfurtscheller
Ein nicht mehr gebrauchter Stall in Schruns beherbergt nun Gäste.

In Peter Raunichers Schrunser „Neni“ ist so ziemlich alles mini. Kein Wunder, handelt es sich hier doch um einen Ziegenstall, der sich zum kleinen Ferienhaus gemausert hat.

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DEN ZIEGENSTALL des Großvaters hat Robert Pfurtscheller in ein kleines Ferienhaus verwandelt. Neu sind mit Schwarzstahl verkleidete Eingangsbzw. Technikboxen sowie zwei große Fenster, die Licht ins dunkle Innere bringen.
EIN BREITER SCHLITZ in der originalen hölzernen Zwischendecke transportiert Licht in einen unteren Bereich der beiden Ferienwohnungen.

An den Ziegenstall seines Großvaters, der direkt neben seinem Schrunser Elternhaus steht, hat Peter Raunicher die besten Erinnerungen. Hier war sein liebster Spielplatz als Kind und dass er diesen einmal zu seinem Häuschen umbauen möchte, war für ihn schon damals klar. Als es nach vielen Jahren dann wirklich so weit war, wusste der längst in Innsbruck heimisch gewordene Exil-Montafoner allerdings nicht wirklich, was er damit anfangen sollte. Träume von einem modernen Tiny-House manifestierten sich mehr und mehr, wofür allerdings das geliebte Bestandsgebäude hätte geopfert werden müssen. Bis Raunicher zufällig in einer Zeitung einen Bericht über einen in ein „modernes“ Wohnhaus verwandelten alten Stadel gelesen hat, den der Tiroler Architekt Robert Pfurtscheller (madritsch * pfurtscheller) Brett für Brett abgebaut und an einem anderen Ort exakt wieder aufgebaut hat, ergänzt durch architektonische Elemente von heute, die unübersehbar als solche erkennbar sind. Indem Alt und Neu zu einem stimmigen neuen Ganzen verfilzen, das keine Spur von Sentimentalität aufkommen lässt.

DAS SATTELDACH wurde neu gedeckt und mit einer Rinne aus Cortenstahl bestückt. Die Bretter aus fast schwarz gewordener Fichte, mit der die Fassaden verlattet sind, sind original.

Genug Gebautes

Ein ebenso pragmatischer, wie von schöpferischer Fantasie strotzender Ansatz, der Peter Raunicher spontan begeistert hat. Genauso wie die Überzeugung Pfurtschellers, der schon lange, bevor das Um- bzw. Weiterbauen von Bestehendem en vogue wurde, gemeint hat, dass ohnehin schon genug Gebautes in der Gegend herumsteht. Weshalb die Möglichkeit, das im Erdgeschoß gemauerte, darüber aus Holz gebaute alte Wirtschaftsgebäude in ein Ferienhaus mit zwei Einheiten zu transformieren, so ganz nach seinem Geschmack war.

Die Schlafzimmer sind bis unter den Giebel offen, die Aussicht von den Betten aus in die nähere und weitere Umgebung ist fabelhaft.
Durch den Lichtschlitz wir das Erdgeschoß belichtet und das große, von Tischlern von vor Ort gemachte Bett scheint regelrecht zu schweben.

Die zwei Wohnungen mit 32 bzw. 28 Quadratmetern – die durch eine Schleuse auch zu einer großen verbunden werden können – teilen sich das äußerlich schmucke "Hexenhäuschen" vertikal. Getrennt erschlossen durch je eine außen mit Schwarzstahl, innen mit Holz verkleidete Box, die signalisiert, dass sich unter dem Satteldach mit seiner Rinne aus Cortenstahl so manches getan hat. So wurde der bestehende Boden abgegraben, durch eine gedämmte Bodenplatte ersetzt und mit sieben Tonnen Stampflehm belegt, der, indem er leicht angeschliffen wurde, eine wunderbar malerische Patina bekommen hat, gerade so, als wäre der neue Boden schon sehr alt. Die massiven Mauern des unteren Geschoßes wurden innen gedämmt und komplett mit Weißtanne verkleidet, der restliche, außen mit fast schwarzen Fichtenbrettern verschalte Holzbau wurde von Handwerkern aus der Region zu einer klassischen, perfekt gedämmten Riegelkonstruktion "ertüchtigt", wie es Robert Pfurtscheller ausdrückt.

Steile Stiegen verbinden die beiden Geschoße. Die Küchen sind modern, die Einrichtung ein Mix aus Alt und Neu. Für den beheizbaren Boden im Erdgeschoß hat es sieben Tonnen Stampflehm gebraucht
Gewohnt und gekocht wird im „Neni“ unten. Gesessen in Wohnung Nr. 1, am liebsten vor der riesigen, in die Westfassade geschnittenen Glaswand.

Strom und Wasser hat es vor der Transformation des Bestandsgebäudes nicht gegeben, Fenster nur wenige kleine, weshalb der Architekt die Westseite oben wie unten durch zwei riesige Glasflächen geöffnet hat. Gewohnt bzw. gekocht und gegessen wird unten, geschlafen oben. Einen Fernseher gibt es zwar, brauchen würde man ihn angesichts der freien Aussicht vom Bett aus in die Montafoner Bergwelt allerdings nicht wirklich. Wobei in Sachen Licht die von der Straße aus gesehen rückseitige Wohnung eindeutig bevorzugt ist, während der Wohnraum der anderen reizvoll höhlig daherkommt. Licht in dessen Dunkel bringt ein vor der Glaswand des Schlafzimmers in die Zwischendecke mit ihrem originalen Dielenboden geschnittener, durch ein grobes Netz vor Abstürzen sichernder Schlitz, wodurch das Bett fast zu schweben scheint. Zu dieser Wohnung gehört auch der straßenseitigen Front vorgesetzte Balkon, dessen Tür durch die originalen Holzläden zu schließen ist.

Für so manche vielleicht gewöhnungsbedürftig ist die frei im Raum stehende Badewanne. Das WC ist dagegen durch semitransparente Glaswände eingehaust.

Wärme vom Nebenhaus

Intern werden die beiden Geschoße jeweils durch eine schmale Holztreppe verbunden, für räumliche Erweiterung sorgen zwei betonierte und geschliffene Terrassen. Die Küchen sind modern, die Möbel ein guter Mix aus nach Maß von Handwerkern von vor Ort Getischlertem und Stücken, die laut Raunicher "schon immer" da waren. Das von Georg Bechter ausgetüftelte Lichtkonzept spielt reizvoll mit winzigen Kugelelementen. Mit Wärme wird das neue alte Häuschen vom da - neben stehenden Elternhaus des Bauherrn bzw. einer Solaranlage am Dach versorgt.

Freuen sich, dass „Das Neni“ für die Auszeichnung „Montafoner Baukultur“ nominiert ist: Architekt Robert Pfurtscheller (li.) und Bauherr Peter Raunicher.

Daten und Fakten

Objekt Ferienwohnungen Raunicher, Schruns
Bauherr Peter Raunicher, Innsbruck
Architektur Robert Pfurtscheller, Innsbruck www.madritschpfurtscheller.at
Planung ab 05/2021
Ausführung 10/2021 – 12/2022
Grundstück 319 m²
Nutzfläche 70 m²
Bauweise Bestand Erdgeschoß massivgedämmt; Holzbau zu Riegelkonstruktion „ertüchtigt“; Boden abgegraben und durch gedämmte Bodenplatte ersetzt; Fixglasfenster; Innenverkleidung Weiß - tanne; Eingangsboxen Cortenstahl
Besonderheiten Stampflehmboden mit Fußbodenheizung (wärmeversorgt vom benachbarten Elternhaus des Bauherrn)
Ausführung Baumeister: Heinrich Panhofer, St. Gallenkirch; Zimmerer: Christof Ganahl, St. Gallenkirch; Installateur: Paul Einsiedler, Gortipohl; Elektriker: mbs, Schruns; Schlosser: Thomas Zuderell, Schruns; Tischler, Glaser: Johannes Kieber, Schruns; Spengler: Küng, Ludesch; Dachdecker: Lins, Feldkirch; Lehmstampfboden: Hanno Burtscher, Fontanella
Energiekennwert 51 kWh/m² im Jahr

Text: Edith Schlocker | Fotos: Daniel Pfurtscheller, Edith Schlocker

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